Die Geduld unseres Herrn achtet für eure Seligkeit. (2. Petrus 3, 15)
Wer auf seinen Weg zurückschaut, der muß tiefbeschämt erkennen und bekennen, daß Gott große Geduld mit ihm haben muß, und daß Er ihn ohne diese Geduld längst würde aus seiner Schule weggeschickt haben. Wenn wir auf unser trotziges und verzagtes, unwahres, arglistiges und wankelmütiges Herz und Wesen achten, – auf so viele Vorsätze und so wenig Erfüllung, auf so viele Ansätze und so wenig Durchsetzen, so müssen wir uns oft tiefbeschämt wundern, daß Gott noch nicht an uns irre geworden ist, und immer wieder auf’s Neue bei uns anfing. Wir verstehen dann, wie der Apostel sagen kann: „Die Geduld Gottes achtet für eure Seligkeit“, und preisen anbetend unter Tränen diese seligmachende Geduld.
Ein großer Kirchenvater hat einmal gesagt: „Gott ist geduldig, weil er ewig ist“. Was heißt das? Nun, weil die ganze Ewigkeit vor Ihm offen liegt, weil Er die Dinge anschaut, nicht wie sie jetzt in der Zeit sind, sondern wie sie in der Ewigkeit sein werden, so kann Er es absehen, Geduld haben und warten. Er kann nicht nur Geduld haben mit seinem Richten, da Ihm Niemand entlaufen kann, sondern auch vornehmlich Geduld in seiner Gnadenarbeit, da Er weiß, daß Er mit allen Aufrichtigen doch endlich noch wird kommen zu seinem Zweck und Ziel.
Gott ist geduldig, weil Er ewig ist, und wir sind so ungeduldig, weil wir so zeitlich sind, verloren in die Dinge, die augenblicklich und sichtbar sind. Darum sind wir ungeduldig in unseren Schmerzen und Demütigungen, weil wir nicht festhalten können, daß die Leiden der Zeit ewige Herrlichkeit schaffen sollen. Darum sind wir so ungeduldig mit unseren Mitmenschen, mit ihren Fehlern und Schwächen, weil wir so selten vor Augen haben, daß sie bald mit uns vor Gottes Thron stehen werden.
Wie schnell sind wir meist fertig zu sagen: „Ach, mit Dem und Der wird’s nichts; es ist ihnen offenbar nicht zu helfen; alle Liebe und Arbeit fruchtet an ihnen nichts. Man muß sie ihrem Schicksal überlassen“; oder, wenn man sich frommer will ausdrücken, sagt man: „Gott wird sie noch in schwerere Schulen nehmen müssen“ .
Würden wir auch wohl so sprechen, wenn wir das immer vor Augen hätten, wie unendlich viel Geduld der HErr, unser Gott, mit uns, mit unseren Fortschritten in der Heiligung, in der Erkenntnis, in aller göttlichen Tugend hat? Das ist gewiß wahr: In dem Maß, wie wir göttlicher gesinnt werden, werden wir auch ewigkeitsmäßiger, in dem Maße, wie wir ewigkeitsmäßiger werden, werden wir auch geduldiger, – geduldiger in der eigenen Trübsal, geduldiger in dem Kampf, der uns verordnet ist, geduldiger im Verkehr mit unserem Nächsten. Aus Gottes Geduld mit uns müssen auch wir Kraft zur Geduld schöpfen, dann werden mir in Zeit und Ewigkeit erfahren, daß es ein köstlich Ding ist geduldig sein.
Vater, du hast mir erzeiget
lauter Gnad‘ und Gütigkeit,
Und du hast zu mir geneiget,
Jesu, deine Freundlichkeit.
Und durch dich, o Geist der Gnaden,
Werd‘ ich stets noch eingeladen.
Tausend, tausend Mal sei dir,
Großer König, Dank dafür.
(Betrachtung: O. Funcke)
Quelle: glaubensstimme.de