Harms, Ludwig – Am siebenundzwanzigsten Sonntage nach dem Fest der heiligen Dreieinigkeit.

Gnade sei mit uns und Friede von Gott dem Vater und unserm HErrn Jesu Christo.

Amen.

Predigttext: Ev. Matth. 25, 1 – 13:

Dann wird das Himmelreich gleich sein zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen, und gingen aus dem Bräutigam entgegen. Aber fünf unter ihnen waren töricht, und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen nicht Öl mit sich. Die klugen aber nahmen Öl in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen. Da nun der Bräutigam verzog, wurden sie Alls schläfrig, und entschliefen. Zur Mitternacht aber ward ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam kommt; gehet aus ihm entgegen. Da standen diese Jungfrauen alle auf, und schmückten ihre Lampen. Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsere Lampen verlöschen. Da antworteten die klugen, und sprachen: Nicht also, auf das nicht uns und euch gebreche. Gehet aber hin zu den Krämern, und kauft für euch selbst. Und da sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und welche bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit; und die Tüür ward verschlossen. Zuletzt kamen auch die andern Jungfrauen, und sprachen: HErr, HErr, tue uns auf! Er antwortete aber, und sprach: Wahrlich, ich sage euch, ich kenne euch nicht. Darum wachet; denn ihr wisset weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird.

Da das eben vorgelesene Evangelium vom Himmelreich handelt, und das Himmelreich auf Erden, wie ihr wisset, die christliche Kirche bedeutet, so ist also auch in diesem Evangelio von der christlichen Kirche die Rede. Und da im vorigen 24. Kapitel des Evangeliums St. Matthäi vom jüngsten Gerichte und von den Zeichen gesprochen ist, die dem jüngsten Tage vorangehen, so kann in diesem Evangelio, das wir heute haben, nur von dem Zustande der christlichen Kirche kurz vor dem jüngsten Tage die Rede sein. Es ist hier also nichts gesagt von den Juden, oder Heiden, denn die gehören nicht zur christlichen Kirche, es ist auch nichts gesagt von den Abgefallenen, die sich in den Dienst des Teufels ergeben haben, denn die gehören auch nicht zu der christlichen Kirche. Der HErr spricht vielmehr von dem Zustande derer, welche der christlichen Kirche angehören, an Jesum Christum, als den Sohn Gottes und Bräutigam Seiner Kirche glauben, die Gnadenmittel der Kirche gebrauchen. Wie es mit diesen Christen kurz vor dem jüngsten Tage aussehen wird, darüber sollen wir in diesem Gleichnis belehrt werden. Und diese Belehrung ist um so wichtiger für uns, da wir offenbar in den letzten Zeiten leben. Sagte schon der heilige Evangelist Johannes in seiner ersten Epistel: „Kindlein, es ist die letzte Stunde“ (1. Johannes 2, 18), und seitdem sind 1800 Jahre verflossen, so mag es ja immerhin sein, daß wir jetzt in der letzten Minute leben, zumal da wir ja vor Augen sehen, daß das Geheimnis der Bosheit immer offenbarer wird, und der antichristische Sinn immer mehr Raum gewinnt auf Erden. obgleich der Antichrist selbst noch nicht da ist. Leben wir nun in der letzten Zeit, und in unserm Gleichnis wird uns der Zustand der christlichen Kirche in der letzten Zeit, kurz vor dem jüngsten Tage, geschildert, so müssen wir ja um so achtsamer auf die Unterweisung des HErrn sein, und uns ernstlich fragen: Wie steht es mit dir? In welchem der geschilderten Zustände befindest du dich? Laßt uns aber um so sorgsamer darnach uns prüfen, da wir wissen, daß es leider eine viel geübte Kunst der Menschen ist, sich selbst zu betrügen. Wir wollen deshalb heute nach Anleitung unsers Evangeliums unter Gottes Segen hören:

Den Unterricht des HErrn Jesu von dem Zustande der christlichen Kirche vor dem jüngsten Tage.

Zuvor aber laßt uns beten:

Lieber, treuer HErr Jesu Christe, Du meinst es so gut und treu mit den Deinen, daß wahrlich kein treuerer Hirte gedacht werden kann, als Du bist. Alles, was Du sagest und tust, geht auf das Eine hinaus, daß wir selig werden. Darum lehrest und unterweisest, darum ermahnest und tröstest, darum warnest, strafest und drohest Du mit unermüdlicher Geduld und immer neuer Liebe. Es ist Dir der allergrößte Schmerz, dass einer von den Deinen sollte verloren werden, darum erschöpfest Du alle Mittel, die Dir zu Gebote stehen, um uns von dem ewigen Tode zu erretten und zur ewigen Seligkeit zu bringen. Darum schilderst Du uns auch in unserm heutigen Evangelio so treulich den Zustand Deiner Kirche vor dem jüngsten Tage, und klopfest an unser Herz an mit der dringenden Frage:

Zu wem gehört ihr, zu den klugen, oder zu den törichten Jungfrauen? Zu wem gehört ihr, zu denen, die mit dem Bräutigam eingehen zur Hochzeit, oder zu denen, welchen die Tür verschlossen wird, weil es zu spät wurde?

O HErr, wir bitten Dich, salbe mit Deinem heiligen Geiste unsre Augen, daß sie sehen, unsre Ohren, daß sie hören, unsre Herzen, daß sie vernehmen! Gib uns Gnade, daß wir uns nicht selbst betrügen in der allerwichtigsten Angelegenheit, in dem Einen, was not ist, in unserer Seligkeit. O, unser Herz ist ein so törichtes, trotziges und verzagt Ding, unser Herz ist so überaus geneigt zum Selbstbetrug, daß wir sagen und klagen müssen: Wer kann’s ergründen? Aber Du bist uns der Herzenskündiger, und wenn Du mit der Fackel des heiligen Geistes hineinleuchtest in unser Herz, dann muß ja das Verborgene ans Licht kommen. So bitten wir Dich denn, lieber HErr Jesu Christe, und wir bitten Dich recht aus Herzensgrund, segne diese Predigt an uns um Deiner Liebe und Erbarmung willen. Du weißt, uns grauet ja davor, verloren zu werden, Du weißt, wir sehnen uns nach der Seligkeit, wir sind ja Deine Christen, gehören zu den Gliedern Deiner Kirche, Du weißt, wir glauben an Dich, wir gebrauchen auch Deine Gnadenmittel. Uns will nur zuweilen bange werden, ob wir auch recht glauben, ob wir auch recht Deine Gnadenmittel gebrauchen, und wenn wir das nicht recht täten, so hätten wir uns dann doch um unsre Seligkeit betrogen. Darum segne uns, sei uns gnädig und mache unsre Herzen aufrichtig, den Aufrichtigen lässt Du es ja gelingen.

Amen.

I.

Wer sind die klugen und wer die törichten Jungfrauen? Es ist hier von zehn Jungfrauen die Rede, die ihre Lampen nahmen und gingen dem Bräutigam entgegen, und von denen werden fünf klug und fünf töricht genannt. Warum gerade von zehn die Rede ist, das weiß ich nicht. Einige sagen, die Zahl zehn sei eine heilige Zahl, weil sie aus den beiden ebenfalls heiligen Zahlen sieben und drei zusammengesetzt sei, darum habe der HErr diese Zahl genommen. Andre sagen, es sei bei den jüdischen Hochzeiten Gebrauch gewesen, dass die Braut zehn Brautjungfern gehabt hätte. Darum habe der HErr diese Zahl genommen. Mich geht das weiter nichts an. die Bibel sagt darüber nichts, und in alten, glaubwürdigen Büchern habe ich nichts Bestimmtes darüber gelesen, darum lasse ich die Gelehrten darüber streiten, die streiten doch oft am liebsten über des Kaisers Bart.

Das aber weiß ich, daß die zehn Jungfrauen die Christen bedeuten. Denn da die Kirche die Braut des HErrn ist, so werden die Glieder der Kirche Jungfrauen genannt, wie das eben so wohl im alten, wie im neuen Testament vorkommt. Ihr braucht nur Psalm 45 und Offenb. Joh. 14, 4 nachzulesen. Merkwürdig ist, daß die Zahl der klugen und törichten Jungfrauen gerade gleich angegeben wird, die Hälfte von ihnen, also fünf waren klug, und wiederum fünf, die andere Hälfte, waren töricht. Das scheint auf den ersten Blick nicht richtig zu sein. Denn es wird doch sonst immer die Zahl derjenigen, die selig werden, als sehr klein, dagegen die Zahl derjenigen, die verdammt werden, als überaus groß angegeben. Und hier soll beides gleich sein, der Zahl nach! Aber bedenket nur, daß hier gar nicht von den Frommen und Gottlosen, oder von den Gläubigen und Ungläubigen überhaupt die Rede ist; sondern die eigentlich Gottlosen und Ungläubigen sind hier gar nicht mit gerechnet, weil die gar nicht zu der christlichen Kirche gehören.

Es werden hier, nach Abzug aller Ungläubigen und Gottlosen, nur die wirklichen Mitglieder der Kirche unter den zehn Jungfrauen verstanden, die alle an Jesum Christum, den Sohn Gottes und den Bräutigam Seiner Kirche glauben, alle die Gnadenmittel fleißig gebrauchen, daher auch vor Menschen Augen alle wie wahre Christen aussehen und einen christlichen Wandel führen. Und unter diesen wenigen, die als wirkliche Mitglieder der Kirche anzusehen sind, da mag denn die Zahl der Klugen und die Zahl der Törichten wohl gleich sein, wie ja der HErr auch sogt. Dass sie aber alle zehn als Mitglieder der Kirche wirklich zu betrachten seien, das sehen wir daraus: sie nahmen alle ihrs Lampen und gingen dem Bräutigam entgegen. Unter der Lampe ist das äußere Gefäß des Christentums zu verstehen, also die Gnadenmittel, das Wort Gottes, die heilige Taufe und das heilige Abendmahl, sie waren also, da sie ihre Lampen nahmen, nicht allein alle getauft, sondern sie gebrauchten auch Gottes Wort, indem sie die Predigt hörten und die Bibel lasen, sie gingen auch alle zum heiligen Abendmahl. Sie hielten auch alle Jesum für ihren Bräutigam, denn sie gingen Ihm ja alle entgegen, es war also keiner unter ihnen, der nicht gern selig werden wollte und der nicht eben von Jesu die Seligkeit erwartete. In allen diesen Stücken waren sie einander gleich. Aber der große Unterschied zwischen ihnen bestand darin: die törichten Jungfrauen hatten kein Öl, und die klugen Jungfrauen hatten Öl. Was ist unter dem Öl zu verstehen? die heilige Schrift bezeichnet damit den heiligen Geist. Darum mussten z. B. Könige und Priester mit Öl gesalbt werden, als dem Zeichen des heiligen Geistes, und in der Weissagung von der Taufe Christi heißt es im Psalm: Dein Gott hat Dich gesalbt mit Freudenöl, mehr als Deine Gesellen. Also die klugen Jungfrauen hatten den heiligen Geist, die törichten Jungfrauen aber hatten nicht den heiligen Geist, und darin bestand der Unterschied. Bei den törichten war ein totes Christentum ohne den heiligen Geist, bei den klugen war ein lebendiges Christentum durch den heiligen Geist. Die Sache verhält sich so. Sie hatten alle zehn den heiligen Geist empfangen in der heiligen Taufe, sie hatten alle zehn auch die Kraft und Wirkung des heiligen Geistes erfahren, und erkannt, dass nur in dem HErrn Jesu Heil sei, und geglaubt, dass der HErr Jesus gekommen sei, die Sünder selig zu machen. hatten Ihn auch selbst als ihren Heiland angenommen und das dadurch gezeigt, dass sie dem groben Sündenwesen entsagt hatten. Sie hatten auch alle zehn erkannt durch den heiligen Geist, dass alle Gnadenwirkung Gottes durch die Gnadenmittel komme, und sich deshalb redlich zur Predigt und zum heiligen Abendmahl gehalten. Auch ihre Häuser hatten christliche Sitte und Ordnung bekommen in Morgen- und Abendgottesdienst und Tischgebet, außerdem wurde auch auf ein rechtschaffenes und ehrbares Leben gesehen. Dabei kann man nun aber nicht genug auf seiner Hut sein, dass nicht mit der Zeit der Geist aus allem diesem entweicht und bloß die tote, äußre Form übrig bleibe. Solches geschieht z. B. bei einigen durch die Verheiratung, bei andern durch den fleißig getriebenen Ackerbau, bei andern durch schön gedeihende Viehzucht, bei andern durch fleißig getriebenen Handel und Handwerk, bei andern durch Üppigkeit und Pracht in Kleidung, Hausrat und dergleichen, durch Liebe zu neuen Moden und Mitmachen von sogenannten unschuldigen Vergnügungen. Das Herz hängt sich abgöttisch an Frau und Kinder, an den Acker, an das Vieh, an Gewinn und Verdienst, an schöne Kleider, an Zerstreuungen. Man sieht etwa, dass man vorankommt, und man will immer weiter voran kommen. Dabei geht man immer regelmäßig zur Kirche und Abendmahl, hält regelmäßig Morgen- und Abendandacht, Tischgebet, nimmt sich vor groben Sünden in Acht, und meint nun, es stände noch alles gut, während doch das Herz wieder irdisch gesinnt geworden ist, und man fragt: was fehlt mir noch? Ja, wenn das Herz und Gewissen zuweilen Einsprache tut, oder die Predigt straft und warnt, und der heilige Geist anklopft und spricht: ist dein Herz auch noch, wie es früher war? stehst du noch in so innigem Gebetsumgang mit Gott, wie früher? liebst du auch noch deinen Heiland so innig, wie früher? hast du auch noch so herzliche, innige Glaubensgemeinschaft mit den Brüdern, wie früher? Da kann denn zwar kein rechtschaffenes Ja mehr geantwortet werden, aber man beruft sich doch darauf, dass man ja noch immer zur Kirche und Abendmahl geht u. s. w. Seht, da ist der heilige Geist gewichen, und bloß die tote, äußere Form geblieben. Die Lampe ist noch da, aber das Öl fehlt. Eben so geht es oft, wenn solchen erweckten und bekehrten Christen viel weis gemacht worden ist, und sie fangen nun an, in geistlichem Hochmuth sich aufzublähen, sehen einen Ruhm in ihrem Kirchen- und Abendmahlgehen, in ihrem häuslichen Gottesdienst, sehen die Gnadenmittel und deren fleißigen Gebrauch nicht mehr als ein Mittel an, durch welches Gottes Gnade sie selig macht, sondern als ein Werk, durch das sie sich Gottes Gnade verdienen, dann ist auch ihr Herz ein anderes geworden, der heilige Geist ist entwichen, und wiederum nur die tote Form geblieben. Und bei allem dem können diese Leute dann so entsetzlich blind sein, dass sie, wie der HErr Jesus in der Bergpredigt sagt, noch vor dem Angesichte des Richters sprechen: haben wir nicht in Deinem Namen geweissagt, Teufel ausgetrieben und große Taten getan? Die klugen dagegen haben eben so treu und noch treuer Predigt und Abendmahl gebraucht, haben eben so treu und noch treuer in ihrem Hause dem HErrn gedient und Treue bewiesen und Fleiß in ihrem Berufe, aber sie sind auch durch den heiligen Geist in stetem, innigem Gebetsumgang mit dem HErrn geblieben, haben in Gottes Wort, in Predigt und Abendmahl allezeit ihre süßeste Freude behalten, sind in immer innigerer Glaubensgemeinschaft mit den Brüdern geblieben, haben sich einfältig im Irdischen und demütig im Geistlichen erhalten, und so hat weder der irdische Sinn noch der Hochmuth bei ihnen wieder Eingang finden können. Sie haben die Lampen und das Öl fehlt auch nicht. Und nun prüft euch, meine Lieben, ob ihr zu den klugen, oder zu den törichten Jungfrauen gehört, und meint nicht, dass es genug sei, wenn die Lampe noch da ist, sondern seht zu, ob es auch nicht an Öl fehle. Denn ich sage euch wahrlich, die äußerliche Form des Christentums ohne den heiligen Geist ist euch eben so wenig nütze zur Seligkeit, als den Weltkindern ihr Vernunftglaube und ihr Unglaube, und kommt es zum Gericht, werdet ihr mit den Weltkindern zum Teufel fahren, denn der HErr stehet das Herz an, und das ist bei den toten Weltkindern und bei den toten Formchristen einerlei, nämlich irdisch gesinnt und hochmütig. So sieht es also kurz vor dem jüngsten Tage in der Christenheit aus: im Ganzen wenige Christen, die sich noch treu zur Kirche und zu den Gnadenmitteln halten, und unter diesen die Hälfte nur voll lebendigen Glaubens, die Hälfte durch toten Glauben und äußerliches Formenchristentum betrogen.
II.

Da nun der Bräutigam verzog, wurden sie alle schläfrig und entschliefen. Merket bei diesen Worten des HErrn wohl darauf, dass hier nicht nur gesagt wird von den törichten: sie wurden schläfrig und entschliefen, sondern von allen, also von den klugen auch. Alle wurden schläfrig und entschliefen. Es wird damit angezeigt ein Zustand allgemeiner Sicherheit vor dem jüngsten Tage. Auch in andern Stellen der heiligen Schrift ist davon die Rede. So spricht der HErr an einer andern Stelle: es wird vor dem jüngsten Tage gerade eben so sein, wie zu der Zeit Noah’s, als die Sündflut kommen sollte. Da waren alle in Sicherheit, aßen, tranken, bauten, pflanzten kauften, verkauften, freiten und ließen sich freien und niemand dachte an die Sündflut, bis sie plötzlich hereinbrach. Und damit ihr nicht etwa meinet, dass dies nur von den ungläubigen und gottlosen Weltkindern zu verstehen sei, so vergleichet damit eine andre Stelle, da es ausdrücklich heißt: der Tag des HErrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht, oder wie ein Blitz, der aufgeht und leuchtet von einem Ende des Himmels bis zum andern, also ganz plötzlich, allen unerwartet. So heißt es auch hier: sie wurden alle schläfrig und entschliefen. Es liegt das auch in der Natur der Sache. Wenn man lange und eifrig und sehnsüchtig auf etwas wartet, und es will immer nicht kommen, so wird man vom langen, vergeblichen Warten zuletzt erschöpft, müde und schläfrig, und kommt man auch nicht so weit, dass man hie Hoffnung ganz aufgibt, so wird doch die Hoffnung ganz matt und abgestumpft und vom schläfrig werden kann es leicht zum wirklichen Einschlafen kommen. Je näher nämlich die Zeiten des jüngsten Tages kommen, desto unerträglicher wird es auf der Erde werden. Die Ungerechtigkeit wird überhand nehmen, der Glaube wird in vielen erlöschen, die Liebe in vielen erkalten, die Bosheit und Feindschaft der Ungläubigen wird immer frecher und unverschämter werden und es wird scheinen, als ob alles Christentum untergehen muss. Dazu werden die Gläubigen immer wütender verfolgt werden, sie werden sein wie die gejagten Rehe, es wird ja niemand kaufen und verkaufen können, der nicht das Malzeichen des Antichrists an sich trägt. Kurz, das Reich des Teufels scheint zu triumphieren, und das Reich Christi scheint zu unterliegen. Da richtet sich denn die ganze Sehnsucht der Christen auf die Wiederkunft des HErrn, denn bei dem ist allein Hülfe, und Er hat ja Seine Wiederkunft auch auf das bestimmteste verheißen. Und je mehr die Wiederkunft des HErrn die einzige Rettung ist, desto gespannter, desto ängstlicher, ja desto fieberhafter wird die Erwartung Seiner Wiederkunft und die Sehnsucht darnach. Und das ist gerade der Fehler. Damit verlieren die Christen die Nüchternheit und kommen in eine leidenschaftliche Stimmung hinein, bestürmen auch wohl gar den HErrn in der unerträglichen Noth mit immer dringenderen Bitten, Er möge doch bald, recht bald, lieber heute, als morgen kommen, um sie von dem schweren Kampf und unerträglichen Joch zu befreien. Und wenn dann der HErr immer noch nicht kommt, immer noch ausbleibt, und dann gar noch die Spötter höhnen: wo bleibt euer Jesus? wann kommt der Tag Seiner Zukunft? da schlägt der fieberhafte, leidenschaftliche Zustand des Wartens und Sehnens gar leicht in tödliche Ermattung über, man kommt gleichsam in einen Zustand der Stumpfheit und Gleichgültigkeit hinein, als ob kaum noch etwas zu hoffen wäre. Das ist es, was hier gesagt wird: als aber der Bräutigam verzog, da wurden sie alle schläfrig und entschliefen. Und das kann denn ein höchst gefährlicher Zustand werden, wo manche Schiffbruch an ihrem Glauben leiden, und wohl gar abfallen. Ich erinnere mich noch recht gut, dass im Jahre 1836 viele Gläubige die Wiederkunft des HErrn Jesu erwarteten, als ganz gewiss in diesem Jahr bevorstehend. Ein alter, sonst sehr treuer Gottesgelehrter. Namens Albrecht Bengel, hatte nämlich auf dieses Jahr die Wiederkunft des HErrn vorhergesagt, weil er meinte, er hätte das in der Offenbarung St. Johannis gefunden. Damals sahen viele Gläubige nun eben mit solcher fieberhaften Spannung diesem Jahre entgegen und meinten ganz sicher zu sein, dass der HErr kommen würde. Als nun der HErr nicht kam, sondern alles blieb, wie es zuvor gewesen war, da bekamen manche einen Stoß für ihren Glauben, den sie nie wieder verwunden haben, andre fielen ganz ab, und noch andre blieben zwar im Glauben, aber noch lange Zeit nachher konnte man ihnen die Mutlosigkeit und Verzagtheit ansehen. Darum kann man euch nicht genug warnen vor solcher leidenschaftlichen Erwartung bei jüngsten Tages. Ich bin überzeugt, je näher der jüngste Tag kommt, desto mehr Bücher wird es regnen, in welchen die Wiederkunft des HErrn Jesu angekündigt wird, und alle werden sich auf die Offenbarung berufen. Vor solchen Büchern warne ich euch auf das ernsteste. Werfet sie ins Feuer, wo sie euch in die Hand kommen, wenn auch noch so viel Wesens davon gemacht wird. Denn der HErr hat geradezu gesagt, dass die Menschen Zeit und Stunde Seiner Wiederkunft nicht wissen können und auch nicht wissen sollen. Daher ist es immer ein Frevel, wenn Menschen diesem Worte des HErrn entgegen, berechnen und vorhersagen wollen, wann der jüngste Tag kommen wird, und an solchem Frevel müsst ihr euch nicht beteiligen. Eine Hauptsache ist, dass der Christ nüchtern bleibt und sich immer hauptsächlich mit dem Einen beschäftigt, was not ist, und alles übrige ruhig dem HErrn überlässt. Treu im Glauben zu bleiben, redlich den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen, treu in der Liebe, treu im Gehorsam zu bleiben, und sich jederzeit bereiten, selig abzuscheiden und, wenn es sein soll, im standhasten Märtyrertode den HErrn Jesum zu bekennen, also weiter nichts wollen, als treu im Glauben zu leben und selig im Glauben zu sterben, übrigens aber dem HErrn ruhig die Zeit Seiner Wiederkunft zu überlassen, das ist es, worauf ein Christ sich üben soll. Dann bleibt man still, ruhig, nüchtern, bleibt beim ganzen Glauben, hängt nicht fieberisch an Einer Lehre, und hat dann auch keinen Rückschlag zu fürchten, man will ja weiter nichts, als fromm und treu leben, selig und treu sterben. Und darin hat man alles, und kann getrost überwinden. O ich bitte euch, hütet euch vor solcher leidenschaftlichen Anspannung, vor solcher fieberischen Aufregung, bleibt nüchtern, dann werdet ihr leichter beim Wachen bleiben, und das Einschlafen ist weniger zu befürchten. Es kam neulich ein Mensch zu mir, hielt mir mit zitternder Hand ein Buch entgegen, sprach: kennen Sie den flüchtigen Pater? damit überreichte er mir das so betitelte Buch, welches auch von der Wiederkunft des HErrn handelt und die Zeit bestimmen will. Ich nahm ihm ruhig das Buch ab, besah es, und steckte es dann ruhig in den Ofen. Darauf aber warnte ich ihn, wenn ihm sein Glaube und seine Seligkeit lieb wäre, solle er beim Lernen und Ausüben des kleinen Katechismus bleiben und solches dumme Zeug wegtun, seine Leidenschaft hatte ich schon aus seiner zitternden Hand merken können. So wird also nach solchem sehnsüchtigen, fieberhaften, leidenschaftlichen Harren auf den jüngsten Tag, ein Zustand allgemeiner Sicherheit eintreten, wo alle schläfrig werden und entschlafen, darum muss man auf seiner Hut, und fein nüchtern sein.
III.

Zu Mitternacht kam ein Geschrei: siehe der Bräutigam kommt, stehet auf, Ihm entgegen. Ihr könnt leicht denken, da dem lieben treuen HErrn nichts so sehr am Herzen liegt, als das Heil Seiner Christen, dass es Ihm ein wahres Herzkränken sein muss, wenn Er diesen allgemeinen Schlaf, diese allgemeine Sicherheit der Christen sieht. Es ist ja leicht einzusehen, dass alle verloren gehen müssen, wenn der HErr bei Seiner Wiederkunft die Christen in diesem Zustande antreffen sollte. Darum erbarmt sich der HErr Seiner armen Christen, zumal da jener Zustand der Sicherheit wohl durch ihre Schuld, aus Schwachheit, aber nicht aus Bosheit und Verstockung entstanden ist. Und darum trifft der HErr Anstalt in Seiner himmlischen Gnade und Erbarmung, die schlafenden Christen aufzuwecken. Wodurch? durch die gewaltige Predigt Seines Wortes. Es heißt: zu Mitternacht kam ein Geschrei. Dies Geschrei ist die mächtige Stimme der gewaltigen Predigt, welche geschieht in Beweisung des heiligen Geistes und der Kraft. Der HErr wird kurz vor Seiner Wiederkunft eine besonders kräftige, gewaltige, herzdurchbohrende Predigt schicken, ähnlich wie die Predigt des Noah vor der Sündflut, ähnlich wie die Predigt des Jesaias und Jeremias vor der ersten Zerstörung Jerusalems durch die Chaldäer, ähnlich wie die Predigt der heiligen Apostel vor der zweiten Zerstörung Jerusalems durch die Römer. Diese Predigt wird insonderheit eine gewaltige Bußpredigt sein, ähnlich wie die Predigt des Elias und Johannis des Täufers, um zu bekehren die Herzen der Kinder zu den Vätern und die Herzen der Väter zu den Kindern. Und durch diese gewaltige Predigt, das ist die Absicht des HErrn, sollen die Schläfer aufgeweckt werden aus ihrem Schlafe, damit die Wiederkunft des HErrn sie wachend finde. Siehe der Bräutigam kommt, das ist der Inhalt der Predigt. Jesus wird also gepredigt werden als der Bräutigam, in aller Seiner Liebe, in aller Seiner Erbarmung. in aller Seiner Gnade und Treue. Jesus der einzige Heiland und Seligmacher, der die Menschen Ihm selbst vertraut hat mit Seinem teuren Blut. Aber an diese Predigt von Jesu Liebe, Treue und Erbarmung, von Jesu Gnade und Seiner sehnlichen Bitte: lasset euch versöhnen mit Gott, wird sich auch schließen mit gewaltigem Ernst die andre Predigt: Er kommt, Er kommt zum Gericht, dass Er herrlich erscheine mit Seinen Heiligen und wunderbar mit Seinen Gläubigen, aber auch mit Feuerflammen, Rache zu geben über die. so Gott nicht erkennen, und über die, so nicht gehorsam sind dem Evangelio unsers HErrn Jesu Christi, welche werden Pein leiden, das ewige Verderben von dem Angesichte des HErrn und von Seiner herrlichen Macht. Und diese gewaltige Predigt, welche der HErr vor Seinem jüngsten Tage herschicken wird, wird nicht ohne Frucht sein. Gehet aus, Ihm entgegen! So wendet sich diese Predigt an die Christen. Also heraus aus eurem schändlichen Schlafe, wie könnt ihr nun schlafen und ruhen, da der HErr so nahe ist? Der Satan ist listiger und gewaltiger, als je; die Welt ist toller und falscher, als je; die Sünde ist kräftiger und lockender, als je; täglich wird es ärger, verführen und werden verführt, und ihr könnt schlafen? Meint ihr, weil ihr in eurer Leidenschaft und fieberhaften Sehnsucht den Heiland so ungeduldig erwartet habt und Er für eure Ungeduld nicht schnell genug gekommen ist. dass Er nun gar nicht kommt? Wisset ihr nicht, habt ihr nicht gehört, dass Er Zeit und Stunde Seiner Macht vorbehalten hat? Nun stehet auf, gehet Ihm entgegen. Und, Gott sei Dank, die Christen lassen sich wecken durch das Geschrei der Predigt, es heißt: da standen diese Jungfrauen alle auf und schmückten ihre Lampen. Da sehet ihr, dass ihr Schlaf kein Schlaf der Verstocktheit, sondern nur der Schwachheit gewesen war. Es geht also ganz kurz vor dem jüngsten Tage eine Zeit einer großen, mächtigen Erweckung vorher, welche hervorgebracht wird durch die mächtige Predigt des göttlichen Worts. wozu sich der HErr auserwählte Rüstzeuge bereiten wird. Die Predigt der Buße und die Predigt des Glaubens wird gleich mächtig erschallen und die schlafende Christenheit wird aufwachen und sich bereiten, dem HErrn entgegen zu gehen. O welch ein großer Trost ist es doch, dass der HErr so treu ist, welch ein großer Trost bei unserer Schwachheit. Untreue und Trägheit! Wahrlich des HErrn Geduld haben wir für unsre Seligkeit zu achten, mit allem unsern Laufen und Wollen, mit allem unserm Thun und Wirken sind wir gar bald verloren. Aber Er hat uns in Seine Hände gezeichnet. Er will gar zu ungern uns aus Seinen Händen reißen lassen, darum arbeitet Er so treu an unsern Seelen, und selbst aus dem verschuldeten Schlaf unsrer Schwachheit weckt Er uns auf, wenn wir uns nur von Ihm wollen wecken lassen. Und erfahren wir es nicht jetzt schon täglich also an uns? Also dass wir täglich bekennen müssen: nicht, dass wir Ihn haben geliebt, sondern Er hat uns geliebt! Nicht dass wir so treu gearbeitet haben an unsrer Seligkeit, sondern dass Er so treu gearbeitet hat an unsrer Seele, darin steht unser Heil. Darum, heute, da ihr Seine Stimme höret, heute, da Er wieder sich zu euch naht in der ganzen Fülle Seiner Erbarmung, verstocket eure Herzen nicht, wie zu Massa geschah, zu Meriba in der Wüste. Ich weiß nicht, wann der HErr kommt, aber das weiß ich, dass Er kommt wie ein Dieb in der Nacht, und das weiß ich auch, dass, wenn Er euch schlafend findet, ihr nicht mit Ihm eingehen könnt in die Ruhe.
IV.

Wer nicht Öl hat, der kommt zu spät. Wir haben schon gesehen, die Jungfrauen standen alle auf und schmückten ihre Lampen. Die Lampen hatten sie ja alle. Aber brennend müssen die Lampen sein, was hilft eine erloschene Lampe? Und die Lampe brennt ja nicht, wenn kein Öl da ist. O lernet doch, lernet doch, dass der tote Glaube nichts hilft, es muss der lebendige Glaube sein. Selbst von den Teufeln heißt es ja: sie glauben auch, aber sie zittern, was hilft ihr Glaube? Auch Judas glaubte ja, dass Jesus Gottes Sohn ist, und dass er unschuldig Blut verraten habe, aber was half sein Glaube an Jesu Gottheit und an Jesu Unschuld? Auch Agrippas der König glaubte ja. Paulus sprach zu ihm: glaubest du, König Agrippa, dem was die Propheten verkündigen? ich weiß, dass du glaubest! Aber was half sein Glaube. Sehet, das ist toter Glaube; den kann man auch haben ohne den heiligen Geist. Eben so wenig nützt es dir, wenn du getauft bist, zur Kirche gehst, dich absolvieren lässt, zum Abendmahl kommst, in der Bibel liest, in deinem Hause Gottesdienst hältst, und du tust das nicht im lebendigen Glauben durch den heiligen Geist, du tust das nicht in brünstiger, herzlicher Liebe zu dem HErrn und in brünstiger, herzlicher Liebe zu den Menschen, also dass der Glaube das Licht ist, welches genährt wird durch das Öl des heiligen Geistes, und die Liebe der helle Schein ist, den der brennende Glaube von sich strahlt, und die guten Werke die Wärme, die von dem scheinenden und brennenden Lichte ausgeht. Meint ihr etwa, dass ich verachte die Taufe, die Predigt, die Absolution, das Abendmahl, indem ich also spreche? Nein, Gott bewahre mich. Ohne diese Gnadenmittel würde kein Mensch selig, ohne ihren Gebrauch würde es gar kein Christentum und gar keinen Christen geben. Es wird ja der Christ erst geboren durch die heilige Taufe, und der also geborene Christ wird ja durch nichts anders genährt, als durch Predigt, Absolution und Abendmahl Aber das sage ich, dass der bloß äußerliche Gebrauch dieser Gnadenmittel ohne den lebendigen Glauben nichts nütze ist zur Seligkeit. So heißt es ja z. B. von der heiligen Taufe ausdrücklich: wer glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. Eben so beißt es von der Predigt: die Predigt half jenen nichts, da nicht glaubten, die sie hörten. Und eben so klar und bestimmt heißt es vom heiligen Abendmahl in der Erklärung Luthers: das Wort für sich erfordert eitel gläubige Herzen. Der wahre lebendige Glaube aber, den der heilige Geist wirket, der ist es eben, welcher aus jenen Gnadenmitteln das von Gott gegebene und mitgeteilte Heil annimmt, nämlich Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit, und also seiner Seligkeit in dankbarer Demuth gewiss, den treuen Gott und Heiland auf das innigste liebt, weil Er ihn mit Seinem Blute erkauft hat, die Brüder auf das innigste liebt, weil sie durch das Blut des Sohnes Gottes eben so teuer erkauft sind, als wir, nicht minder Gottes Kinder sind als wir, und in dieser innigen Liebesgemeinschaft mit Gott und den Brüdern geht nun dieser wahre, lebendige Glaube hin und dient Gott in kindlichem Gehorsam, um Ihm Freude zu machen, und hütet sich vor jeder Sünde, um Ihm keinen Kummer zu bereiten, und dient den Brüdern und Schwestern, um an denen die Liebe zu vergelten, mit welcher der HErr uns geliebt hat. Sehet, das ist die brennende Lampe voll Oels. Dieses Öl hatten die törichten nicht, und da sie nun sahen, dass ihre Lampen erloschen, sprachen sie zu den klugen Jungfrauen: gebt ihr uns von eurem Öl, denn unsre Lampen erlöschen. Sie erhalten aber die Antwort: nicht also, auf dass nicht uns und euch gebreche, sondern geht hin zu den Krämern und kauft für euch selbst. O vergesset nicht, meine Lieben, was der HErr uns in diesen Worten lehret. Wer den heiligen Geist und durch denselben den wahren lebendigen Glauben hat, der hat ihn eben für sich, und kann keinem andern davon mittheilen. Und hast du den heiligen Geist und den wahren lebendigen Glauben nicht, so kannst du ihn weder von andern Menschen dir leihen, noch ihn dir schenken lassen. Das ist Gottes Werk, dass ihr glaubet an Mich, spricht der HErr. Und der heilige Geist geht vom Vater und vom Sohne aus, und nicht von den Menschen. Und dieser heilige Geist wird allen Menschen von Gott gegeben, wenn die Menschen Ihn suchen durch die Gnadenmittel und den HErrn ernstlich darum anrufen im Gebet, aber man muss das in der Gnadenzeit tun; versäumt man die Gnadenzeit, so ist es zu spät, und alles Hingehen zu den Krämern, d. h. zu den Predigern, welche die Gnadenmittel verwalten, hilft dann nichts mehr, wenn man die Gnadenzeit versäumt hat. O dies erschreckliche Wort: zu spät! Der Bräutigam kam, die klugen Jungfrauen mit ihren brennenden Lampen waren bereit, schlossen sich frohlockend dem Bräutigam an und gingen mit Ihm hinein zur Hochzeit, o die seligen Jungfrauen. Aber nun wurden die Thüren verschlossen, und als die törichten Jungfrauen kamen, klopften an und riefen: o HErr, tue uns auf, da war es zu spät, und es schallt ihnen entgegen: wahrlich, Ich sage euch, Ich kenne euch nicht! Was halfen ihnen nun ihre Lampen? was nützte ihnen nun ihr Christentum? es war zu spät, sie hatten sich selbst um ihre ewige Seligkeit betrogen; denn ihre Lampen brannten nicht, es war kein Öl darin, ihr Christentum taugte nichts, es war kein heiliger Geist und kein Glaube darin. Meine Lieben, ich habe einmal am Krankenbette eines Mannes gestanden in einer benachbarten Stadt, der war seit zehn Jahren nicht zur Kirche und seit zwanzig Jahren nicht zum Abendmahl gewesen. Der lag zitternd und bebend auf seinem Bette. Auf alles, was ich ihm sagte, antwortete er stets mit dem Worte: es ist zu spät. Ich kniete nieder vor seinem Bette und betete für seine arme Seele. Als ich Amen gesagt hatte und aufgestanden war, wandte er sich gegen die Wand, sprach: es ist zu spät, und nach einer halben Stunde war er eine Leiche. Dies Wort: es ist zu spät, hat mir lange in den Ohren gegellt und ich möchte es allen unglücklichen Kirchen- und Abendmahlsverächtern zurufen. Ein anders Mal sah ich einen Mann, der regelmäßig zur Kirche und zum Abendmahl kam, heftig während des Gottesdienstes weinen. Einige Zeit darauf sagte er mir, er habe schon seit langer Zeit eingesehen, dass es so nicht mit ihm bleiben könne, sondern dass er sich bekehren müsse, mit dem bloßen Kirchen- und Abendmahlgehen sei es nicht getan. Er habe auch schon oft damit anfangen wollen, aber habe nie damit zu Stande kommen können. Nun sei es ihm wieder in der letzten Predigt so lebhaft vor die Seele getreten, dass er nun mit ganzem Ernst anfangen wolle, nur habe er noch zweierlei in Ordnung zu bringen, er habe noch eine Klage, die müsse erst zu Ende, und er müsse noch eine Reise machen, von der müsse er auch erst wieder zu Hause sein. Ich warnte ihn und ließ ihn gedenken an das Wort: heute, so du Seine Stimme hörest. Er meinte aber, es ginge nicht anders, dann aber sollte ich sehen, dass es sein Ernst sei. Zwei Tage darauf bekam der Mann das Nervenfieber, als ich zu ihm kam, hatte er keine Besinnung mehr, sondern raste. Meine Worte verstand er nicht, mein Gebet hörte er nicht; ich aber hörte alle Augenblicke in seiner Raserei ihn heftig die Worte ausstoßen: nun ist es zu spät. Dies Wort: nun ist es zu spät, ist nur abermals durch Mark und Bein gedrungen, und ich möchte es allen zurufen, die die Bekehrung aufschieben. Ich haben einen andern gekannt, der für einen frommen Christen galt, und auch selbst sich für einen rechtschaffenen Christen hielt, der aber mit einem andern Christen, von welchem er sich beleidigt glaubte, allen Umgang und alle Gemeinschaft aufgehoben hatte, und auf alle Vorstellungen, die ihm deswegen gemacht wurden, antwortete: böse bin ich ihm nicht. Der Mann hörte einst eine Predigt über die fünfte Bitte, die ging ihm zu Herzen, er sah ein, dass er sich mit seinem Bruder wirklich versöhnen müsse, und dass sein Wort: ich bin ihm nicht böse, Heuchelei und Selbsttäuschung sei. Er kämpfte zwei Tage, drei Tage mit seinem Stolze, und konnte den Stolz nicht beugen. Endlich versprach er, er wolle den andern Tag hingehen. Warum nicht heute? fragte ich ihn. Nein, morgen, war die Antwort, es wird morgen auch noch Zeit sein. In der Nacht wurde sein Gegner vom Schlag getroffen und verlor Sprache und Besinnung, kam auch nicht wieder zu sich selbst. Als nun jener an dem andern Tage mit tränenden Augen an dem Bette des Kranken stand, redete ihn an, aber bekam keine Antwort, drückte ihm die Hand, aber erhielt keinen Gegendruck, da brach er seufzend in die Worte aus: es ist zu spät! Das habe ich nie wieder vergessen können und möchte es allen Unversöhnlichen zurufen. Und nun, meine Lieben, will ich schließen. Es ist heute der letzte Sonntag im Kirchenjahr. Ich habe euch das ganze Jahr hindurch gepredigt die Buße zu Gott und den Glauben an unsern HErrn Jesum Christum. Noch ist die Gnadenzeit. Wer weiß, wie bald sie abgelaufen ist. Müsst ihr vielleicht auch eure Gnadenzeit mit dem Ausrufe beschießen: es ist zu spät! so bezeuge ich heute vor den Ohren Gottes und vor euren Ohren, dass ich unschuldig bin an eurer aller Blut. Ich will fortfahren, euch zu predigen, ich will fortfahren, für euch zu beten. Gott erbarme sich nur, dass keiner die Gnadenzeit versäume und es dann zu spät sei.

Lasset uns beten: Lieber HErr Jesu Christe, ich lege Dir nun zum Schluss dieses Kirchenjahrs diese ganze Gemeine an Dein treues Herz. Für die Freude, die ich an der Gemeine erlebt habe, danke ich Dir von ganzem Herzen, segne die Gemeine dafür. Den Kummer, den mir die Gemeine gemacht hat, vergebe ich ihr, rechne ihr denselben nicht zu. Die Gläubigen befestige Du im Glauben, die Ungläubigen bekehre Du von ihrem Unglauben, die auf beiden Seiten hinken, heile Du von ihrem Hinken, dass sie feste und gewisse Schritte tun mit ihren Füßen, die Schwachen stärke Du mit Kraft von oben, die Leidenden tröste Du mit dem Trost des heiligen Geistes, die Angefochtenen befreie Du aus des Satans Klauen. Die Unbußfertigen zerschlage Du, die Bußfertigen erquicke Du und verbinde ihre Wunden. Gieße aus Deinen heiligen Geist über diese Gemeine, lass sie immer treuer und fleißiger Deine Gnadenmittel gebrauchen, aber gib auch den rechten, lebendigen Glauben. Zerstöre alles tote Christentum, befördere alles lebendige Christentum. Das Fleisch ist kein nütze, die Worte, die Du redest, die sind Geist und Leben, lass sie auch Geist und Leben sein für diese Gemeine. HErr, ich möchte so gerne, dass alle selig würden, dass alle zur Erkenntnis der Wahrheit kämen, darum predige ich ihnen Dein Wort, darum trage ich sie betend auf dem Herzen, darum möchte ich sie alle, wenn ich es könnte, auf meine Arme nehmen und sie zu Dir tragen und an Dein treues Herz legen, dass sie genesen. HErr, ich kann sie nicht selig machen, Du aber kannst es; ich kann ihnen Deinen heiligen Geist nicht geben, Du aber kannst es. So lenke denn ihre Herzen, dass sie sich von Dir selig machen lassen, lenke ihre Herzen, dass sie Dich bitten um den heiligen Geist, bekehre Du sie, HErr, so werden sie bekehret; hilf Du ihnen, so wird ihnen geholfen; heile Du sie, so werden sie heil. O HErr, lass keinen die Buße aufschieben, lass keinen mit der Bekehrung warten, bis es zu spät ist. Stelle es den Alten vor die Seele, dass sie sterben müssen; stelle es den Jüngern vor die Seele, dass sie eher sterben können, als die Alten. Lass uns alle bedenken, dass alles Fleisch ist wie Heu, und alle seine Herrlichkeit wie des Grases Blume. Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele, und was kann der Mensch geben, dass er seine Seele löse, wenn es zu spät ist und die Thür zugeschlossen ist zur Hochzeit, und Dein Wort erschallt: Ich kenne euch nicht. Christe, du Lamm Gottes, der Du trägst die Sünden der Welt, erbarm Dich unser. Amen.