Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus. (2. Korinther 1, 5)
Hier haben wir ein seliges Verhältnis. Der Herr der Vorsehung trägt eine Waage: in die eine Schale legt Er die Heimsuchungen seiner Kinder, und in die andere ihren Gnadenlohn. Wenn die Schale der Heimsuchungen fast leer ist, so ist auch die Schale des Trostes gering beschwert; und wenn die Trübsalsschale voll ist, dann ist auch die Schale des Trostes gehäuft. Wenn sich die schwarzen Wolken am höchsten türmen, scheint uns das Licht der Sonne umso glänzender. Wenn die Nacht einbricht, und der Sturm naht, steht der himmlische Steuermann umso unermüdlicher am Ruder.
Es ist etwas Köstliches, daß, wenn wir am schwersten getroffen werden, der Trost des Heiligen Geistes uns am meisten erquickt. Das kommt daher, daß Trübsal dem Trost Weg bahnt. Große Herzen wachsen nur in großen Heimsuchungen. Der Spaten der Leiden macht Raum der lindernden Tröstung. Gott kommt in unser Herz. Er findet es satt; da fängt Er an, unser Behagen zu stören und macht es leer; denn dann ist mehr Raum für die Gnade. Je gedrückter ein Mensch daniederliegt, umso mehr Trost empfängt er, weil er bereitwilliger ist, ihn anzunehmen. Ein andrer Grund, warum wir in unsrer Trübsal oft so fröhlich sind, liegt darin, daß wir dann mit Gott am meisten zu schaffen haben. Wenn die Scheunen voll sind, kann der Mensch ohne Gott leben; wenn der Beutel von Gold strotzt, meinen wir, es ginge ohne viel Beten auch. Aber laß unser Gut dahinfahren, so fragen wir nach Gott; sind die Götzen gestohlen (Genesis 31, 32), so müssen wir Jehovah ehren.
»Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir« (Psalm 130, 1). Kein Rufen ist so kräftig, wie das Schreien mitten aus den Bergen; kein Gebet ist so innig als das, welches aus der Tiefe des Herzens aufsteigt in tiefer Traurigkeit und Anfechtung. Die bringen uns zu Gott, und dann werden wir seliger; denn Gottesnähe ist Seligkeit. Komm, du betrübter Gläubiger, fürchte dich nicht deiner schweren Trübsal halben, denn sie ist die Verkündigerin reicher Gnade.
Herz, du hast viel geweinet,
So weine nun nicht mehr!
In voller Lieb‘ erscheinet
Dir Jesus – Er, nur Er.
Andacht: Charles Haddon Spurgeon
Um in dieser bösen, jämmerlichen Welt nicht ganz von der Trübsal verschlungen zu werden und den so wichtigen Frieden zu verlieren, ist es für einen Christen nötig, seines Herzens Halt, Schatz und Freude im Herrn allein zu haben, sowie das Herz mit unseren hohen, himmlischen Freudenanlässen, unserem hohen Glück, unseren Herrlichkeiten und unseren Reichtümern im Herrn beständig zu unterhalten und zu stärken!
Es kann nicht geleugnet werden, daß in dieser argen Welt, die mit Recht ein Jammertal genannt wird, unaussprechlich bittere Erfahrungen das Herz treffen können. Wieviel Leid und Trübsal hat der Sündenfall über die Erde verbreitet – herzzerreißendste Verluste und tiefe Sorgen, drückendste Not und Schmerzen! Und wieviel Trübsal bringen die innewohnende Sünde, das unruhige Gewissen und alle feurigen Pfeile des Satans in das erschreckte und blutende Herz eines unter der Zucht des Geistes stehenden Christen mit sich! Zudem sind wir von vielen Menschen umgeben, die mit dem Feind im Bunde stehen. Wie mannigfaltige Unannehmlichkeiten und Herzensqualen muß ein armer Flüchtling erdulden, der gewagt hat, von Babel auszugehen und von dem Verderben desselben zu zeugen! Gewiß sind hier Sorgen und Anfechtungen genug. Ganz gewiß ist hier eine übermenschliche und überirdische Erquickung nötig, wenn wir bei allem noch Trost behalten und auf dem Wege nicht unterliegen sollen. Und doch sagt Paulus, daß er nicht nur Trost habe, sondern auch »überschwengliche Freude in allen seinen Trübsalen« (2. Kor. 7, 4).
Wie geht das zu? Wie erhält man einen so wundersamen Sinn, daß man Freude in der Trübsal haben kann, ja, sogar eine überschwengliche Freude? Wir haben zu allen Zeiten unzählige Beispiele dafür gesehen, Beispiele von schwachen, gebrechlichen Christen, die alles, sogar ihr eigenes Leben mit lächelndem, fröhlichem Angesicht und freudevollem Herzen haben verlieren können. Und was ist das Geheimnis und die Kunst, einen über alles Irdische so erhabenen Sinn zu erhalten und in eine so unabhängige Stellung zu kommen, daß die Bosheit der ganzen Welt und die ganze Macht der Hölle uns unseren Frieden und unsere Freude nicht rauben können? Höre und beachte! Das geschieht nur dadurch, daß man im Herzen ein so großes Glück lebendig festhält, das hinreichend alles Bittere, was uns hier begegnen kann, überwiegt. Hier ist das Geheimnis, nämlich ein hinreichendes und alles überwiegendes Glück zu haben, aber nicht nur im Bewußtsein eines kalten Verständnisses, sondern in einem lebendigen Herzensglauben und in voller Gewißheit. Neben dem großen Glück ist also auch die Gabe des Heiligen Geistes im Herzen erforderlich, weshalb der Apostel erklärt, daß Freude und Friede Früchte des Geistes sind. Der Grund und die Weise aber, sie zu gewinnen, können nur die sein, daß unser Herz von unserem großen Glück erfüllt wird.
Beachte folgendes Bild: Eine glückliche Braut, die der tiefsten Armut und Niedrigkeit entstammt, ist Gegenstand der Liebe eines reichen, vornehmen und in allen Beziehungen liebenswürdigen Herrn geworden, den sie mehr als ihr Leben liebt. Jetzt ist sie zu ihm auf dem Wege zu seiner Villa, um dort mit ihm vereinigt zu werden und den ganzen Reichtum, das Glück und die Freude, die ihrer harrt, zu empfangen. Wie leicht erträgt sie alle Beschwerden der Reise und wie fröhlich lächelt sie bei einem geringen Verlust! Wenn ein böser Mensch am Wege ihr einen zornigen Blick oder ein beleidigendes Wort entgegenwirft, bereitet ihr das keine große Trübsal, die Liebe ihres Bräutigams und sein Lächeln sind ihr genug, ihr großes Glück erfüllt ganz ihr Herz. –
Sieh hier! Es ist nur erforderlich, daß das Herz von dem großen, alles überwiegenden Glück erfüllt ist, in Vereinigung und Freundschaft mit dem Allmächtigen zu stehen und zu wissen, daß man zum ewigen Leben, zum Kind und Erben im Himmel, zur Braut des Herrn der Herrlichkeit erwählt ist. Man soll in herzlicher Zuversicht sein Haupt an die Brust des Heilandes legen und mit voller Glaubensgewißheit sprechen: »Mein Freund ist mein, und ich bin Sein«. Seht, das ist etwas, was unsere Freude »vollkommen« machen kann, nicht so, wie sie einmal im Himmel werden wird, sondern so, wie sie hier im Glaubensreich schon sein kann, wo wir noch auf dem Wege zum Palast unseres Herrn sind und noch in diesem irdischen Leib nur das sehen und fühlen, was vor Augen, in uns und um uns ist. Wenn wir dagegen schon das gewonnen haben und uns über das freuen können, was unser Herz hauptsächlich wünscht und sucht, so daß wir singen: »Die höchste Seligkeit ist mein schon in der Zeit; ich habe sie gefunden in Jesu Blut und Wunden« – dann heißt das »eine vollkommene Freude«.
Oft gejagt und oft gefangen,
Aber doch nie ganz vergangen,
Oftmals ohne Kraft und Rat,
Niemals ohne Hilf‘ und Gnad‘.
Immer rein vor Gottes Auge,
Was ich oftmals schwerlich glaube,
Immer ganz verdammt in mir,
Immer selig nur in Dir.
Andacht: Carl Olof Rosenius (1816-1868)
Sehende Augen gibt Er den Blinden,
Erhebt, die tiefgebeuget gehn;
Wo Er kann einige Fromme finden,
Die läßt Er Seine Liebe sehn.
Sein‘ Aufsicht ist der Fremden Trutz,
Witwen und Waisen hält Er in Schutz;
Halleluja Halleluja!
Liedvers: Scriverius: Seelenschatz
Quelle: CLV Andachten – 2. Korintherbrief – 2. Korinther 1, 5
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