Das verschleierte Bild zu Sais

Das verschleierte Bild zu Saïs ist ein klassischer Topos (einprägsame Redewendung, Gemeinplatz), gebräuchlich seit der Antike und frühen Aufklärung. Dabei handelt es sich um die verhüllte Götterstatue der Isis bzw. der „Göttin“ von Sais, die schon in der Antike als die göttliche Verkörperung der Natur angesehen wurde [1]. Über dem Eingang ihres Tempels soll sich eine Inschrift befunden haben, welche je nach Autor etwa so lautete:

„Ich bin alles, was ist, was gewesen ist und was sein wird. Kein sterblicher Mensch hat meinen Schleier aufgehoben.“

– Friedrich Schiller, „Vom Erhabenen“ (1793)

Friedrich Schillers Ballade

Diesem Thema widmete Schiller auch seine in Blankversen geschriebene Ballade aus dem Jahr 1795. In ihr verknüpft Schiller griechische, ägyptische und biblische Motive. Schiller veröffentlichte das Gedicht erstmals in seiner Zeitschrift Die Horen [2].

Inhalt

Ein junger Mann kommt auf der Suche nach der Wahrheit nach Saïs in Ägypten. Dort trifft er in einer Rotonde auf ein übergroßes, verhülltes Bild. Auf die Frage, was dort verhüllt sei, antwortet ihm der Hohepriester: „Die Wahrheit“. Er staunt, daß noch niemand diesen Schleier gelüftet habe. Der Hierophant erklärt, daß die Gottheit das verbiete. Aber der junge Mann will es wissen; nachts sucht er es auf und hebt den Schleier. Was hinter dem Schleier verborgen ist, wird nicht gesagt, doch am nächsten Tag finden die Priester den bleichen Jüngling; er spricht nicht über das Gesehene, wird nie wieder froh und findet „ein frühes Grab“. Die Schlußzeilen des Gedichtes sind seine Botschaft:

„Weh dem, der zu der Wahrheit geht durch Schuld,
Sie wird ihm nimmermehr erfreulich sein.“

Rezeption

Das Motiv der verschleierten Isis als die „Unfaßbarkeit der Natur“ und ihre „Entschleierung“ durch die Wissenschaft findet sich in zahlreichen naturkundlichen Werken der Aufklärung, so z. B. in Alexander von Humboldt, Ideen zu einer Geographie der Pflanzen (1807).

Außerdem wurde die Isis hinsichtlich ihrer Aspekte in der Priesterschaft rezipiert, wie beispielsweise die Einweihung in die Gemeinschaft und die Geheimlehren. Schillers Ballade spielt in der Isis-Priesterschaft und handelt von einer mißglückten Einweihung. Die Mysterienlehren der Isis waren zu Schillers Zeiten in bestimmten Kreisen, wie z. B. unter Freimaurern, ein sehr populäres Thema. In dieser Hinsicht ist auch Schillers freimaurerisch inspirierter Aufsatz Die Sendung Moses zu berücksichtigen, worin Schiller auf die Inschrift zu Sais Bezug nimmt und insbesondere die Isis-Mysterien als „Grundlage für die mosaische Religion“ herausstellt [4].

Immanuel Kant bezieht sich 1790 in seiner Critik der Urtheilskraft auf dieses Motiv als ultimatives Beispiel für seine Theorie des Erhabenen.[5]

Schiller entwickelt dann – inspiriert von Kants Theorie – seine theoretische Schrift Vom Erhabenen (1793), worin er sich ebenfalls auf die Isis von Sais bezieht und sie in ihrer geheimnisvollen Verhüllung als „Paradebeispiel des Erhabenen“ herausstellt.[6]

In Goethes Faust-Dichtung klagt der Protagonist Doktor Faust zu Beginn über seine vergebliche Wahrheitssuche und wie „sich Natur des Schleyers nicht berauben“ [7] läßt.


Einzelnachweise

  1. Jan Assmann: Moses der Ägypter. Hanser. München 1998. ISBN 3-446-19302-2
  2. vgl. Friedrich Schiller (Hrsg.): Die Horen, Jahrgang 1795, 9. Stück im Friedrich Schiller Archiv
  3. Jan Assmann: Schiller, Mozart und die Suche nach neuen Mysterien. In: Ernst Behler / Manfred Frank (Hrsg.): Athenäum. Jahrbuch für Romantik. Paderborn 2006 (Bd. 16). S. 13–37, S. 14 und 20.
  4. Jan Assmann: Das verschleierte Bild zu Sais. Schillers Ballade und ihre ägyptischen und griechischen Hintergründe. Berlin 1999, S. 20.
  5. »Vielleicht ist nie etwas Erhabeneres gesagt oder ein Gedanke erhabener ausgedrückt worden, als in jener Aufschrift über dem Tempel der Isis (der Mutter Natur): «Ich bin alles, was da ist, was da war, und was da sein wird, und meinen Schleier hat kein Sterblicher aufgedeckt« (Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft. Leipzig 1922, S. 171. Siehe auch: https://archive.org/details/kritikderurteils00kantuoft/page/170)
  6. »Alles was verhüllt ist, alles Geheimnißvolle, trägt zum Schrecklichen bey, und ist deßwegen der Erhabenheit fähig. Von dieser Art ist die Aufschrift, welche man zu Sais in Egypten über dem Tempel der Isis las.« (https://de.wikisource.org/wiki/Vom_Erhabenen)
  7. Johann Wolfgang Goethe: Faust I, Z. 673.

Quelle: Seite Das verschleierte Bild zu Sais(auszugsweise) In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 14. September 2023, 16:04 UTC. (Abgerufen: 15. September 2023, 12:20 UTC)

Beurteilung aus christlich-biblischer Sicht

Philosophische und literarischen Konstruktionen, wie die oben aufgeführten, von Schiller, Kant und Goethe, verfaßten Werke, führen von der biblischen Wahrheit weg. In der Vermischung griechischer, ägyptischer und biblischer Motive begegnet uns eine Vorschattung der heute endzeitlich ausreiften synkretistischen Sichtweise, als Leugnung des biblisch-christlichen Wahrheitsanspruches:

Jesus spricht: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. (Johannes 14, 6)

Schillers Inschrift „Ich bin alles, was ist, was gewesen ist und was sein wird“ steht das Wort des lebendigen Gottes gegenüber:

Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Lasset euch nicht mit mancherlei und fremden Lehren umtreiben; denn es ist ein köstlich Ding, daß das Herz fest werde, welches geschieht durch die Gnade.
(Hebräer 13, 8.9)

Darum mahnt Paulus:

Seht zu, daß euch niemand einfange durch die Philosophie und leeren Trug, die der Überlieferung der Menschen und den Elementen der Welt folgen und nicht Christus. (Kolosser 2, 8)

Weblinks und Verweise

Zeller, Albert („Von einem Freunde der Wahrheit“): Das verschleierte Bild zu Sais, oder die Wunder des Magnetismus: Eine Beleuchtung der Kerner’schen Seherin von Prevorst, und ihrer Eröffnungen über das innere Leben des Menschen und über das Hereinragen einer Geisterwelt in die unsere. – Leipzig, in der Weidmann’schen Buchhandlung, 1830; S. 168f.

Ankerberg, John und Weldon, John: Fakten über die Freimaurer
Steht die Freimaurerei im Widerspruch zum christlichen Glauben?
1. Auflage 2003 Download im pdf-Format möglich bei sermon-online.com/de/

Diese Broschüre versucht eine Antwort zu finden, ob sich das Christentum mit den Lehren der Freimaurerei vereinbaren läßt. Die dargestellten Fakten sind durch Literatur freimaurerischer Autoren vollständig dokumentiert.

Eingestellt am 15. September 2023