Hiob 7, 1: Die Hand Gottes in der Geschichte des Menschen.

Muß nicht der Mensch immer im Streit sein auf Erden und seine Tage sind wie eines Tagelöhners? (Hiob 7,  1)

Engl. Üb.: Ist nicht eine bestimmte Zeit für den Menschen auf Erden? Sind nicht seine Tage wie die Tage eines Tagelöhners?

Predigt von Charles Haddon Spurgeon.

Ich fing gestern an, über das Wort Gottes nachzudenken und mich auf die Predigt des Evangeliums für heute vorzubereiten, als mir plötzlich mein Thema durch einen traurigen Boten genannt wurde, denn der Engel des Todes wies mit seinem Finger darauf hin. Ein Ältester dieser Kirche kam in mein Zimmer, der mir mit trauriger Stimme sagte: „Unser lieber Bruder Heinrich Olney ist tot“. Er ist mein Nachbar, und ich war erst vor Kurzem bei ihm zu Hause, daß ich die Nachricht kaum fassen konnte. Er fühlte einen starken rheumatischen Schmerz in der Schulter, als er gegen Mittag die Stadt verließ, und als er zu Hause angekam, rief er einen Arzt, der eine leichte Medizin verschrieb und ihm riet, sich hinzulegen. Er tat das und nach einem oder zwei Atemzügen starb er. Ein Mann in der Blüte des Lebens, und anscheinend in voller Kraft und Gesundheit, ging er an diesem Morgen das letzte Mal in sein Geschäft und kehrte zurück, um zu sterben. Der Schlag ist so plötzlich gefallen, daß ich davon bestürzt und betäubt bin, und ich glaube auch nicht, daß einer seiner drei Brüder, deren Gesichter wir heute Morgen vermissen, sich von dem Schrecken erholt hat, den dieser Schlag verursacht hat. Viele, die um mich herum sind, waren noch vor kurzem mit ihm zusammen, so daß es schwer fällt, seinen eigenen Augen zu glauben und zu wissen, daß ein kalter Leichnam bewegungslos auf dem Bett liegt.

Aber, meine Brüder, wie wahr ist es, daß wir mitten im Leben vom Tod umfangen sind, und oft sterben die, die am wenigsten erwarteten, zu gehen. Hätte ich heute Morgen gesagt, daß unser Bruder William Olney hinübergegangen ist, so hättet ihr gesagt: „Wir sind traurig über unseren Verlust, aber wir wundern uns nicht, denn er ist lange krank gewesen“; aber hier ist der starke, kräftige Bruder, dem nichts fehlte, hinweggenommen, während, Gott sei Dank, der lange Kränkelnde uns noch erhalten ist. So bleiben die, die meinten, bald zu sterben, und die sterben, die noch ein langes Leben erwarteten. Wer unter uns kann auf eine einzige Stunde rechnen? Wir nennen uns lebende Menschen, doch laßt uns den Ausdruck berichtigen und von diesem Augenblick an fühlen, daß wir sterbende Menschen sind, die jeder Atemzug näher zum Grab bringt. Wir sind und sind nicht; wir gehen umher wie ein Schemen und machen uns viel unnötige Unruhe. Wir sind so wesenlos wie die Schatten der fliegenden Wolken, die an einem Sommertag über das Feld dahinziehen.

Wenn ich auf den Sitz blicke, wo unser Freund jahrelang saß, so scheint der Herr uns sehr nahegekommen zu sein. Ich möchte fast meine Schuhe von meinen Füßen ausziehen im Bewußtsein seiner furchtbaren Nähe. Wir können nicht mehr an den Herrn als weit weg im Himmel denken; er ist unter uns getreten, er, der „die Berge anrührt, so rauchen sie“, hat sein Auge auf unseren Bruder gerichtet, und siehe, er ist nicht mehr. Laßt es mich auf eine mildere Weise sagen: unser Herr kam in seinen Garten, um Lilien zu pflücken, und seine Hand ist zu unserem Schmerze gefüllt. Wenn unser himmlischer Vater uns so nahe und in so ernster Weise kommt, laßt uns ihn fragen, warum er „mit uns hadert“. Laßt uns ihm in feierlicher Ehrfurcht nahen, daß wir seine Antwort hören und seinem Wort gehorchen mögen. Die Blume des Feldes steht im Gras und weiß nicht, daß die Sichel des Schnitters geschäftig ist, und obwohl Reihe um Reihe unter dem erbarmungslosen Streich fällt, so lächelt das Blümchen heiter, es sorgt nicht um seine Genossen und kümmert sich nicht um sein eigenes baldiges Fallen. Seine Blätter sind feucht vom Tau, und seine Farben glänzen in der Sonne, es trauert nicht um seine Gefährten, sondern freut sich, ohne zu wissen, was rund herum vorgeht. In dieser Hinsicht seid ihr nicht wie das Gras des Feldes, ihr habt Verstand, so daß ihr fähig seid, durch den Fall der Menschen um euch her belehrt oder wenigstens gewarnt zu werden. Die Schafe in ihrer Hürde bemerken nicht, daß ihre Gefährten zur Schlachtbank weggeführt werden. Das Vieh grast in den Wiesen in glücklicher Unwissenheit, es weiß nicht, daß der Tod überall herrscht. Ihr aber seid nicht „stummes Vieh, das getrieben wird“. Euch ist es gegeben, um eure Sterblichkeit zu wissen, und ihr könnt nicht eure Kameraden einen nach dem andern so rasch hinweggenommen sehen, ohne davon bewegt zu sein und Weisheit zu lernen. Ihr höret die Rute, und den, der sie bestimmt hat, und heute Morgen werdet ihr um die Gnade bitten, daß die Toten eure Lehrer seien und ihr die Schüler, die rufen: „Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden“.

So gut ich heute Morgen dazu im Stande bin, will ich versuchen und euch mit Hilfe des Geistes Gottes eine Lehre weitergeben. Es ist diese: die göttliche Bestimmung; sie regiert das menschliche Leben; und wenn wir diese Lehre gelernt haben, wollen wir aus dieser Wahrheit unsere Schlüsse ziehen.

I.

Zuerst laßt uns eine Wahrheit betrachten, die, wie ich glaube, keiner von uns je geleugnet hat, sondern ihr habt sie von Herzen angenommen, so lange wie ein Gläubiger gewesen ist: Es gibt eine göttliche Vorherbestimmung, die das ganze menschliche Leben regiert. Es ist nicht so, daß ich des Menschen Dasein als den einzigen Gegenstand der göttlichen Vorherbestimmung ansehe; viel eher glaube ich, daß es nur ein kleines Teilchen der unbegrenzten Vorsehung ist. Eine göttliche Bestimmung ordnet jedes Ereignis, das geringfügige wie das großartige. Wenn wir aus unserem ruhigen Zimmer in die Welt hinein blicken, so scheint sie eine verworrene Masse zu sein. Wer die Geschichte studiert und Gott dabei vergißt, möchte glauben, daß er auf das Chaos und die alte Nacht hinaus blickte, denn die Ereignisse scheinen in schrecklicher Verwirrung durcheinander geworfen zu sein, und die ganze Szene ist wie die Finsternis selber, ohne irgendeine Ordnung. Ereignisse geschehen, die wir tief beklagen, Vorfälle, die Böses zu bringen scheinen und nur Böses, und wir wundern uns, warum sie erlaubt werden. Das Bild vor uns scheint dem Auge der Vernunft wie ein Farbengemisch mit dunklen Schatten, wo Licht nötig scheint und brennenden Farben, wo wir große Massen Schwarz erwartet hätten. Die menschlichen Angelegenheiten sind ein Labyrinth, dessen Leitfaden wir nicht finden können. Die Welt scheint ein verwickeltes Knäuel Garn zu sein, und wir ermüden uns mit vergeblichen Bemühungen, sie auseinander zu wirren.

Aber, Brüder, die Angelegenheiten dieser Welt sind weder verwickelt noch verworren; sie sind auch nicht beunruhigend für Ihn, der das Ende vom Anfang sieht.

Vor ihm sind alle Dinge im geordneten Gang und Ordnung, und vor ihm stehen alle Kräfte in Reih und Glied. Gott ist in Allem und regiert Alles. Im Kleinsten wie im Größten offenbart sich Jahwes Macht. Er leitet das Staubkorn im Märzwind und den Kometen auf seinem unmeßbaren Pfad; er lenkt jeden Tropfen Schaum, der vom Felsen zurückspritzt, und er führt „den Wagen am Himmel über seine Kinder“. Gott ist der Gebieter der Schicksale und bestimmt beides, Mittel und Zweck. Er ist der König der Könige, der die Herrscher beherrscht und die Räte lenkt. Im Getümmel der Schlacht und in der Stille des Friedens, in dem Elend der Pest und des Hungers, und in der Freude über die reichliche Ernte ist er überall der Herr. Er tut nach seinem Willen, nicht bloß unter dem Heer des Himmels, sondern auch unter den Bewohnern dieser niederen Welt. Jene feurigen Rosse, die so furchtbar den breiten Weg der Zeit entlang stürmen, rennen nicht sinnlos einher: es ist ein Wagenlenker da, dessen allmächtige Hand die Zügel seit Jahrtausenden gehalten hat und sie niemals fahren lassen wird. Die Dinge sind nicht in einem Wirrwarr, wie wir uns einbilden, sondern sie werden vorwärts getrieben von einer Macht, die unwiderstehlich ist, sie stehen unter Gottes Gesetz und eilen fort, ohne abzuweichen, zu dem Ziel, das er bestimmt hat. Alles ist gut, Brüder! Es ist Nacht, aber der Wächter schläft nie und Israel kann in Frieden ruhen. Der Sturm rast, aber er ist gut, denn unser Führer ist der Lenker der Stürme. Er, der auf den Wellen des Galiläischen Meeres ging, ist am Steuerruder und auf sein Geheiß sind Wind und Wellen stille.

Unser Hauptpunkt ist, daß Gott das menschliche Leben regiert; und er tut dies zuerst, was sein Ende angeht: „Ist nicht eine bestimmte Zeit für den Menschen auf Erden?“ Er regiert es, zweitens, im Blick auf den Kriegsdienst, denn der Text kann so gelesen werden: „Ist nicht ein bestimmter Kriegsdienst für den Menschen auf Erden?“ Und drittens, er regiert es in Bezug auf die Arbeit, denn der zweite Satz des Textes ist: „Sind nicht seine Tage wie die Tage eines Tagelöhners?“

Zuerst denn, Gottes Bestimmung ordnet die Zeit des menschlichen Lebens an. Wir werden dies alle in Bezug auf den Anfang des Lebens anerkennen. Kein Leben eines Kindes begann ohne die Weisheit des Unendlichen, denn kein Mensch ist das Kind des Zufalls. Nicht ohne unermeßliche Güte begann dein Leben, lieber Freund, gerade da, wo und wann es begann. Unser Kinderlied, in dem das Kind Gott dankt, daß es nicht „als kleiner Sklave geboren sei, zur Arbeit in der Sonnenglut“, enthält viel Wahrheit. Das ganze Leben eines Menschen wird hauptsächlich durch seinen Anfang gelenkt; wären wir geboren, wie Tausende es werden, wo man Gott nicht kennt, so wären wir vielleicht heute noch Götzendiener. Wer wollte wünschen, das Licht erblickt zu haben in der Zeit, wo unsere nackten Vorfahren den Götzen opferten? Wer wollte wünschen, auf den Schauplatz des Lebens getreten zu sein in der dichten Finsternis des Papsttums, als unsere kindlichen Hände von abergläubischen Eltern empor gehalten worden wären zur Anbetung der Jungfrau Maria, und man uns gelehrt hätte, einen weggeworfenen Nagel oder verfaulten Lumpen zu verehren, der aus Aberglauben für die Reliquie eines Heiligen gehalten wird?

Es ist nichts Geringes, im neunzehnten Jahrhundert geboren zu sein, wo die Werke der Gnade auf allen Seiten gesehen werden. Viele von uns sollten den Herrn jeden Tag loben, weil wir als Kinder auf dem Schoß einer christlichen Mutter lagen und mit den Tönen heiliger Lieder in Schlaf gelullt wurden, deren Thema der Name Jesus war. Unsere kleinen Füße wurden gelehrt, auf dem Weg der Gerechtigkeit zu laufen, so weit elterliche Unterweisung dies bewirken konnte, und dies war kein unbedeutender Vorteil. Selig sind die Augen, die da sehen, was wir sehen, und die Ohren, die da hören, was wir hören. All das ist nach der Vorherbestimmung des Gottes und Vaters unsers Herrn Jesu Christi bestimmt. Unser Dasein auf der Erde an diesem Tag der Gnade war eine Sache, die ganz außerhalb unsrer Macht lag, und doch schließt sie unendliche Folgen ein; darum laßt uns mit tiefster Dankbarkeit den Herrn preisen, der unser Los in solche glückliche Zeit hat fallen lassen.

Die Fortdauer des Lebens ist ebenfalls von Gott versehen. Er, der die Zeit unsrer Geburt bestimmte, hat den Zwischenraum zwischen der Wiege und dem Grab gemessen und er wird keinen Tag länger und keinen Tag kürzer sein als der göttliche Ratschluß bestimmt. Wie oft unsere Lungen sich heben und unser Puls schlagen soll, ist vom ewigen Rechner von Ewigkeit her festgesetzt. Welche Betrachtungen sollten wir deshalb machen? Wie willig sollten wir sein, zu arbeiten, selbst wenn wir müde sind, da Gott unsere Tage bestimmt; er wird uns nicht übermäßig anstrengen, denn er ist kein harter Zuchtmeister. Wie froh sollten wir selbst sein, zu leiden, wenn er es so bestimmt. Es ist eine süße Musik, die Gott herauslockt aus geduldig Leidenden, und obwohl die Saiten mit manchem Schmerz und Kummer für uns straffer angezogen werden müssen, wieder und wieder, doch, wenn jene teuren Hände des „ersten Saitenspielers“ reichere Melodien aus diesen straff gezogenen Saiten hervorbringen können, wer unter uns wollte es anders wünschen oder bitten, daß die Harfe aus jenes geliebten Harfenspielers Hand genommen würde, ehe das wundersame Lied vorüber ist? Nein, laßt uns warten, denn er bestimmt. Wenn unsere Leiden vom Zufall herrührten, so könnten wir uns danach sehnen, sie beendet zu besehen, aber wenn der liebevolle Herr sie bestimmt, so wollen wir ihn nicht um Eile bitten in seinem Verfahren. Der Herr tue, was ihm wohlgefällt. Hier ist gute Ermunterung für die, die so lange unter Schmerzen auf ihrem Lager gelegen haben und die geneigt sind, zu fragen:

„Wird es niemals enden? O Herr, wird der Wagen deines Heils niemals kommen? Haben die Engel deinen Diener in seiner Krankheit vergessen? Muß er ewig ein Gefangener seiner Schwäche bleiben, Einsamkeit und den Verfall seiner Kräfte erleben? Hast du mich als eine Wache auf meinem Wachtturm hingestellt in einer Nacht, die niemals enden wird, und soll ich nie von meiner ermüdenden Wache erlöst werden? Soll ich niemals Ruhe kennenlernen? Muß ich für immer ins Dunkle hinausblicken mit diesen Augen, die so rot sind vom Weinen?“

Mut, Bruder! Mut, Schwester, der Herr, der ewige Erbarmer, hat jeden Augenblick deines Schmerzes und jede Angst deines Leidens vorherbestimmt. Wenn er die Zahl Zehn verordnet hat, so kann es nie auf Elf steigen, aber du sollst auch nicht wünschen, es auf Neun zu verkürzen. Des Herrn Zeit ist die beste; auf eines Haares Breite ist die Spanne deines Lebens richtig ausgemessen. Gott ordnet alles an: darum halte Frieden, ruheloser Geist, und laß den Herrn seinen Weg gehen.

So hat er auch das Ende des Lebens festgesetzt. „Ist da nicht eine bestimmte Zeit für den Menschen auf Erden?“ ein Zeitpunkt, an dem der Puls stillstehen, das Blut stocken und das Auge sich schließen muß. Ja, meine Brüder, es nützt nichts, einen eitlen Traum zu hegen, daß wir hier für immer leben; eine Zeit des Abscheidens muß für jeden für uns kommen, wenn nicht der Herr selber plötzlich erscheinen sollte; dann allerdings würden wir nicht sterben, sondern verwandelt werden. Es ist keiner unter uns, der lebt und den Tod nicht sehen wird. Von diesem Kampf gibt es keine Befreiung. Dies lehrt uns nicht nur die Schrift, sondern gesunder Menschenverstand und Vernunft stellen die Sache außer Frage.

Was bedeuten die grauen Haare, die wie Schneeflocken auf unsere Köpfe fallen? Was bedeutet gebückte Haltung und sinkende Kraft? Was bedeutet das Trübewerden des Auges und das Schlottern der Glieder? Zeigt dies alles nicht, daß das Haus im Begriff ist, einzustürzen, denn die Latten und der Mörtel beginnen zu zerfallen? Doch unser irdisches Haus wird nicht zusammenbrechen vor der vom Himmel verordneten Zeit. Es ist eine bestimmte Zeit für den Tod, und Gott hat festgesetzt, wie wir sterben sollen, wann wir sterben sollen und wo wir sterben sollen.

„Umringt vom Tode und Verderben,
Doch, bis er will, kann ich nicht sterben,
Mich kann nicht treffen Harm noch Leid
Bis es der Gott der Lieb‘ gebeut.“

Krankheiten, die uns verderben möchten, lauern überall um uns her, aber keines ihrer Schwerter kann uns treffen, bis Jahwe es ihm erlaubt. Siehe, der Herr wird dich mit seinen Fittichen decken und deine Zuversicht wird unter seinen Flügeln sein, daß du nicht erschrecken mußt vor der Pest in der Nacht noch vor der Seuche am Mittag.

„Ob Tausend dir zur Linken,
Zur Rechten Tausend sinken,
Gott wird die Seinen schützen,
Wenn ringsum Pfeile blitzen.“

Wir sind unsterblich, bis unser Werk getan ist, aber dieses Werk wird nicht ewig dauern. Und wenn es vollendet ist, so sind unsere Tage erfüllt und der Ruf zur Heimkehr wird an uns ergehen.

All dies ist wahr; Keiner wird wagen, es in Abrede zu stellen; aber laßt uns bedenken, daß es für uns in diesem Augenblick wahr ist; für euch, meine Brüder und Schwestern, ist es wahr, während ihr hier sitzt. Fühlt es und blickt nicht auf andere als auf sterbende Menschen, während ihr selber sicher seit, lange zu leben. Seid auch ihr bereit, eurem Gott plötzlich zu begegnen, denn so mag der Ruf an euch ergehen. Diese Tatsache ist sehr ernst. Wir werden nicht leben, sondern sterben, und dieser Tod kann jeden Augenblick kommen. Als ich meine Brüder heute morgen in der Sakristei begrüßte, konnte ich nicht anders, als mein Vergnügen und Erstaunen auszudrücken, daß noch einige von uns am Leben sind, denn das war eben so sehr ein Wunder, daß Manche von uns am Leben waren, wie daß unser Freund tot. war. Wir hätten eben so rasch hinweg genommen werden können wie er, und sogar noch rascher. Gott hatte seinen Tod verordnet, er hätte auch unseren verordnen können. „Darum seid ihr auch bereit; denn des Menschen Sohn wird kommen zu der Stunde, da ihr’s nicht meinet“.

Doch ist diese Tatsache für meine Seele etwas, das viel Kraft gibt. Die Lehre von der Vorherbestimmung ist, wenn sie wirklich geglaubt wird, wie Stahl-Medizin, sie flößt dem geistigen Organismus eine gute Menge Eisen ein und macht die Menschen stark. Ich bin kein solcher Prädestinatianer wie Mohammed, der seine Soldaten in den Kampf eilen hieß, „denn“, sagte er, „wenn eure Zeit zu sterben kommt, werdet ihr zu Hause eben sowohl sterben wie in der Schlacht und das Paradies wird unter dem Schatten der Schwerter gefunden.“ Aber doch sehe ich, daß diese Lehre, wenn sie auch einige Menschen in Schlummer wiegt, für edlere Seelen eine mächtige Quelle der Energie ist und ein Brunnen des Mutes. Wenn die Pflicht euch in Gefahr ruft – wenn ihr Kranke zu pflegen habt, die an ansteckender Krankheit zu Bette liegen – bebt nie davor zurück, sondern geht in jede Gefahr, wenn Liebe zu Gott oder Menschen es verlangt. Ihr werdet nicht durch einen Pfeil sterben, der einfach so aus des Todes Köcher kommt; der Herr allein kann euren Odem zurückfordern. Euer Tod ist nicht dem Zufall überlassen; der gnädige Wille eines himmlischen Vaters hat ihn bestimmt; deshalb fürchtet euch nicht. Seid nicht so bange vor dem Schmerz oder so ängstlich, euer Leben zu erhalten, daß ihr zurück bleibt, wenn Jesus euch vorwärts ruft, denn in einem solchem Fall wird der, der sein Leben erhalten will, es verlieren. Ihr braucht nicht vermessen zu sein und euch ohne Grund in Gefahr zu stürzen, das wäre Wahnsinn; aber ihr werdet, hoffe ich, tapfer sein und niemals fürchten, dem Tod ins Angesicht zu schauen, wenn die Stimme Gottes euch in Gefahr ruft.

Darüber hinaus, wie tröstend ist diese Wahrheit; denn wenn der Vater unsers Herrn Jesu Christi alles anordnet, dann sterben unsere Freunde keines vorzeitigen Todes. Die Geliebten des Herrn werden nicht vor der Zeit dahingerafft; sie gehen in Jesu Schoß, wenn sie bereit sind, da empfangen zu werden. Gott hat die Zeit bestimmt für das Einsammeln seiner Früchte; einige schon früh im Frühling und er sammelt sie ein; andere sind wie ein Korb voll Sommerfrüchte, und er nimmt auch sie, so lange das Jahr noch jung ist, während ein anderer Teil unter uns bleibt, bis sie im Herbst reif sind: Jede Art wird zu ihrer Zeit geerntet. Nun sind wir durchaus keine kompetenten Richter darüber. Wir wissen nichts, denn wir sind die Kinder eines Tages; Gott weiß es am besten. Es war besser, daß unser Freund starb, als er gestorben ist, als daß er am Leben geblieben wäre, sonst wäre er das, da können wir sicher sein. Ja, Gott hat den Anfang, den Verlauf und das Ende dieses sterblichen Lebens bestimmt.

Aber wir müssen nun die andere Übersetzung unseres Textes betrachten. Sie steht gewöhnlich in den Randglossen der Bibel. „Ist da nicht ein bestimmter Kriegsdienst für den Menschen auf Erden?“ – dies lehrt uns, daß Gott das Leben dazu bestimmt hat, ein Kriegsdienst zu sein. Für alle Menschen, ob böse oder gute, wird es das sein. Jeder Mensch wird finden, daß er ein Krieger ist unter diesem oder jenem Führer. Trauern wir um die, die gegen Gott und seine Wahrheit streiten, ihr Ende wird Schmach und Niederlage sein. Ich werde aber hauptsächlich nur von den Gerechten sprechen. Seid sicher, ihre Erfahrung beugt, daß das Leben ein langer Streit ist, der niemals aufhört, bis wir das Wort hören: „Dein Kriegsdienst ist vollendet“.

Brüder, das Leben ist ein Kriegsdienst, und deshalb stehen wir alle unter einem höheren Befehl. Kein Christ hat die Freiheit, seinen eigenen Plänen zu folgen, wir sind alle unter Christi Gesetz. Ein Soldat übergibt seinen eignen Willen dem seines Feldherrn; sein Hauptmann sagt zu ihm: „Gehe“ und er geht, oder „Tue dies“, und er tut es. So ist das Christenleben – ein Leben williger Unterwerfung unter den Willen des Herrn Jesu Christi. Deshalb wird uns unser Platz bestimmt und unsere Ordnung vorgeschrieben und alle Verhältnisse unseres Lebens geregelt. Ein Soldat muß Reihe und Schritt halten mit den Übrigen in der Linie. Er hat eine Beziehung zu dem Mann an seiner Rechten und zu seinem Kameraden an der Linken, und er hat eine Beziehung, die er nicht verletzen darf, zu jedem Offizier und besonders zu dem Oberfeldherrn. Gott hat für dich, lieber Bruder, also bestimmt, ein Vater zu sein oder ein Sohn, ein Herr zu sein oder ein Knecht, ein Lehrer zu sein oder gelehrt zu werden; sieh‘ zu, daß du an deinem Platze bleibst. Wie ein Vogel, der sein Nest verläßt, so ist ein Mensch, der seinen Platz verläßt. Glücklich ist der Mann, der in unserem bestimmten Kriegsdienst von Anfang bis zu Ende guten Schritt hält mit den Mächten des Herrn der Heerscharen und freudig die göttlichen Absichten erfüllt.

Da wir einen Kriegsdienst zu leisten haben, so müssen wir Schwierigkeiten erwarten. Ein Soldat muß nicht auf Behaglichkeit rechnen. Während eines Feldzuges hat er weder ein Haus noch ein Heim. Vielleicht schlug er gestern Abend sein Zelt in einem glücklichen Tal auf, aber er muß auf und davon, und sein Zelt ist morgen dem Sturm an der rauhen Bergseite ausgesetzt. Er hat dem Luxus des Lebens und den Freuden der Ruhe entsagt. Eilmärsche, leichter Schlummer, dürftige Kost und harte Behandlung sind sein Schicksal – es würde töricht sein, Behagen und Genuß während eines Feldzuges zu hoffen. O, ihr Menschenkinder, der Herr hat das Leben bestimmt, ein Kriegsdienst zu sein; warum hüllt ihr euch denn in seidene Gewänder ein und näht Kissen für eure Sofas und sprecht zu euch selber: „Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat auf viele Jahre; habe nun Ruhe, iß, trink und habe guten Mut?“ Ihr müsst nicht das nicht tun, und wenn der Herr euch durch Trübsal daran hindert, so müsst ihr nicht mit ihm hadern, sondern fühlen, daß ihr solche Behandlung in diesem Krieg erwarten konntet.

Wenn das Leben ein Kriegsdienst ist, müssen wir auf Kampf und Streit gefaßt sein. Der Christ darf nicht erwarten, zum Himmel zu gehen, ohne auf Widerstand zu stoßen. Ein Soldat, der nie einem Feind begegnet, erlangt keinen Ruhm. Wir geben nicht viel auf seine Tapferkeit und halten ihn für einem jener eitlen Salonritter: „Des größter Schmuck die Kette war von seiner schönen Dame Haar.“ Der Mann, der voll Narben und Hiebe ist, verstümmelt und verwundet, der ist der Held, den die Menschen verehren. Ihr müsst kämpfen, wenn ihr herrschen wollt. Eure Vorgänger schwammen durch Meere von Blut, um die Krone zu gewinnen; und wenn auch die Form des Kampfes jetzt anders ist, so ist doch der Geist des Feindes unverändert; ihr müsst noch immer gegen die Sünde streiten und Leiden ertragen, denn nur durch viel Trübsal werdet ihr das Reich Gottes erben.

Es ist ein Kriegsdienst, Brüder, um all dieser Gründe willen, und noch mehr ist er es, weil wir immer auf der Hut sein müssen vor Gefahr. In einer Schlacht ist niemand sicher. Wo Kugeln fliegen, wer kann da einen Augenblick auf sein Leben rechnen? Brüder, unser Zeitalter ist besonders gefährlich. Vielleicht hat jeder Prediger vor mir dasselbe gesagt und jeder Prediger nach mir wird dasselbe von seiner Zeit sagen – dennoch sage ich, in diesem unserem Zeitalter sind tausend Gefahren für die Seele, vom Aberglauben auf der einen Seite und Zweifel auf der andern; von starrem Selbstvertrauen und trägem Vertrauen auf andre, von einer gottlosen Welt und einer abgefallenen Kirche. Ihr müsst euch nicht wundern, daß es so ist, denn der Krieg wütet. Der Feind hat seine Waffen nicht niedergelegt, die Kriegstrommel wird noch geschlagen; darum legt eure Waffen nicht nieder, sondern fechtet männlich für König und Vaterland – für Christus und seine Kirche.

Gelobt sei Gott, daß der Text sagt: „Ist da nicht ein bestimmter Kriegsdienst?“ Dann, Brüder, ist es nicht unser Kriegsdienst, sondern einer, den Gott für uns bestimmt hat, in dem er nicht erwartet, daß wir unsere eigene Rüstung tragen, unsere eigenen Ausgaben bestreiten, uns unsere eigene Ration verschaffen, uns selber mit Munition versorgen sollen. Die Rüstung, die wir tragen, haben wir nicht zu machen und das Schwert, das wir führen, haben wir nicht herzustellen. Alles ist für uns bereit. Unser großer Feldherr verwaltet das Verpflegungsamt mit unzweifelhaftem Geschick und unbegrenzter Freigebigkeit. Ja, der Kriegsdienst ist so sehr Gottes Sache, daß er mit uns darin ist. Die griechischen Soldaten gingen, als sie gegen die Perser marschierten, manche saure Meile, aber das, was sie aufrichtete und jeden Mann zu einem Helden machte, war, daß Alexander zu Fuße ging, wenn sie zu Fuß gingen. Wenn er, wie ein persischer Monarch, mit großem Prachtaufwand getragen worden wäre, während sie sich über Hügel und Täler dahin schleppten, so hätten sie vielleicht gemurrt; wenn sie ihn kostbare Weine hätten trinken sehen, während sie vor Durst verschmachteten, hätten sie vielleicht geklagt. Aber Alexander marschierte als ein großer Feldherr, der er war, mit seinen Soldaten in der Reihe, so daß sie ihn schwach und müde sahen, wie sie selber waren, und sich den Schweiß von der Stirne wischen, wie sie es taten; und als sie ihm, wie es ihm zukam, den ersten Tropfen brachten, den sie erhalten konnten, da wies er ihn zurück und sprach: „Gebt ihn den kranken Soldaten, ich will nicht trinken, bis jeder Mann einen Trunk hat.“ O, ruhmgekrönter Jesus, gewiß, du hast dasselbe getan und noch mehr. Widerstand hast du geleistet, selbst bis aufs Blut, du hast harte Arbeit und Angst gekannt, selbst bis zum blutigen Schweiß, und Leiden, Schwachheit und Selbstverleugnung waren dein Teil, denn du halfest anderen, dir selber konntest du nicht helfen. Mut denn, Brüder. Unser Kampf ist des Herrn. Laßt uns darin vorwärts schreiten, „siegend und daß wir siegen.“

Drittens. Der Herr hat auch die Arbeit unsers Lebens bestimmt. Alle Menschen sind die Diener des einen oder des anderen Herrn. Keiner von uns kann die Dienstbarkeit vermeiden. Die größten Männer sind nur um so mehr die Diener anderer. Der erste Minister ist nur der erste und am meisten arbeitende der Diener. Das Joch auf dem Nacken des Kaisers ist schwerer als das, was die Schultern des Vasallen drückt. Despoten sind mehr als alle andern Menschen in Knechtschaft. Glücklich sind wir, wenn wir durch Gottes Gnade Jesus zu unserem Herrn gewählt haben und seine Knechte auf Lebenszeit geworden sind: Dann sind wir in Wahrheit frei, denn sein Joch ist sanft und seine Last ist leicht und wenn wir von ihm lernen, so werden wir Ruhe für unsere Seelen finden. Wenn wir nun die Diener Jesu sind, so ist dieses Leben eine festgesetzte Zeit für Arbeit und eine Lehrzeit, die wir durchmachen müssen. Ich bin durch einen feierlichen Kontrakt meinem Herrn und Meister verpflichtet, bis meine Lebenszeit abgelaufen ist, und ich bin froh, daß es so ist. Als Jakob sieben Jahre gedient hatte, war er froh, noch sieben Jahre aus Liebe zu Rahel zu dienen, und wir würden aus Liebe zu Jesu siebzig mal sieben Jahre dienen, wenn er es wünschte, aber selbst dann würde der längste Termin des Lebens ein Ende haben, wie es auch unser Leben haben wird. Auf Erden ist unsere Zeit festgesetzt, wie die Tage eines Tagelöhners.

Wohlan, ein Knecht, der sich für eine Anzahl Jahre vermietet hat, hat keinen Augenblick, den er sein eigen nennen kann, und wir haben das auch nicht, wenn wir Gottes Volk sind. Wir haben nicht einen Augenblick, nein, nicht einen Atemzug, noch eine Fähigkeit, noch einen Heller, den wir ehrlicherweise für uns behalten können. Wir haben uns Christus auf immer ergeben und wir gehören ihm ganz an. Ein Knecht tut nichts nach seinem eignen Kopf, er tut, was sein Herr ihm befiehlt: Dies ist auch unsere Lage. Wir haben einen bestimmten Dienst und wir empfangen Befehle von unserm Herrn, dessen Befehle unser Gesetz sind. Einem Knecht werden seine Beschäftigungen vorgeschrieben; er kann im Haus und auf dem Feld zu arbeiten haben, er kann in der Nähe des Hauses sein müssen oder weit weg im Feld. Er kann mit Aufträgen ausgesandt werden oder es kann ihm befohlen werden, zu Hause zu bleiben, aber er wählt nicht seine Arbeit oder den Ort dafür, er nimmt an, was für ihn von seinem Herrn gewählt ist. Sind wir nicht froh, daß es so ist? Spricht nicht unser Herz: „Alles für Jesus?“ Das sollte unsere Einstellung sein. Der Knecht erwartet, mitunter müde und erschöpft zu werden, ist das nicht natürlich? Zu einem Diener, der sich um eine Stelle bewirbt und sagt: „Ich erwarte keine harte Arbeit; ich will großen Lohn und wenig zu tun haben,“ würdet ihr sagen: „Ja, es gibt Viele deiner Art, aber ich werde keinen von dieser Sorte anstellen.“ Euer Herr und Meister denkt eben so. Ihr müsst erwarten, in seinem Dienst zu arbeiten, bis ihr nahe daran seid ohnmächtig zu werden und dann wird seine Gnade eure Kraft erneuern.

Ein Knecht weiß, daß seine Dienstzeit eine Grenze hat. Wenn es ein wöchentlicher Dienst ist, so weiß er, daß seine Verpflichtung am Sonnabend aufhört; ist er für einen Monat gemietet, so weiß er, wie viele Tage in dem Monat sind und erwartet dann das Ende; wenn er für ein Jahr angenommen ist, so weiß er den Tag des Jahres, an dem sein Dienst ablaufen wird. Wir hingegen wissen nicht, wann unser Termin sein wird; aber wir wissen, daß er zu Ende gehen wird, deshalb leben wir im Hinblick auf diesen Schluß. Es ist eben so gut, daß der Herr uns nicht gesagt hat, was das bestimmte Ende sein wird, sonst könnten wir träge gewesen sein bis nahe vor dem Ende; aber er hat diesen Zeitpunkt nicht enthüllt, damit wir immer arbeiten und auf sein Kommen warten möchten. Darum ist es nicht weniger gewiß, daß eine bestimmte Zeit da ist und unser Werk zu Ende gehen wird.

Der Tagelöhner erwartet seinen Lohn; das ist ein Grund für seinen Fleiß. Wir erwarten auch den unseren – nicht aus Verdienst, das ist wahr, sondern aus Gnade, aber doch eine gnädige Belohnung. Gott stellt keine Diener an, ohne ihnen Lohn zu zahlen, wie viele unserer Kaufleute jetzt tun. Seine eigenen Kinder sind sie und deshalb würden sie froh genug sein, ohne eine Hoffnung auf Lohn zu dienen; aber das ist nicht Gottes Weise; er will lieber, daß wir „die Belohnung ansehen“ sollen. Während bei dem Kindesverhältnis eine segensreiche Freigebigkeit herrscht, so soll es bei dem Knechtsverhältnis dasselbe sein und Lohn soll freigebig gegeben werden. Laßt uns auf den großen Tag sehen, wo der Meister seine Diener zusammenrufen wird und ihnen den Lohn austeilen wird. Die Belohnung, wenn sie nach Verdienst wäre, würde eine sehr dürftige sein, in der Tat, es würde gar keine sein, denn wir sind unnütze Knechte; aber da der Lohn aus Gnaden ist, so ist Raum da, um einem Jeden seinen Groschen zu geben, Raum, um uns überschwenglich über alles zu geben, was wir bitten und verstehen. Nun verlasse ich diese Sache unsrer Dienstbarkeit: sie ist uns bestimmt, laßt uns sie erfüllen.

II.

Zweitens und in der Kürze, die Ergebnisse, die aus dieser Tatsache zu ziehen sind. Hiobs Schluß war, da eine bestimmte Zeit da sei und er sich mit einem Diener verglich, der in jährlichem Dienste steht, so könnte es ihm erlaubt sein, ein baldiges Ende des Lebens zu wünschen und deshalb sagt er: „Wie ein Knecht sich sehnet nach dem Schatten und ein Tagelöhner, daß seine Arbeit aus sei.“ Hiob hatte bis zu einem gewissen Grad recht, aber nicht völlig. In einem Sinn kann jeder Christ mit Freude und Hoffnung auf das Ende seines Lebens blicken und darum beten. Ich wünschte, einige Gläubige wären in einem Gemütszustand, der ihnen dies wirklich gestattete. Viele von uns können dem Sänger beistimmen, der die Worte schrieb:

„Ich möchte heim, bin müd‘ von deinem Leide,
Du arge, falsche Welt,
Ich möchte heim, bin satt von deiner Freude,
Glück zu, wem sie gefällt!
Weil Gott es will, will ich mein Kreuz noch tragen,
Will ritterlich durch diese Welt mich schlagen,
Doch tief im Busen seufz‘ ich insgeheim: Ich möchte heim.“

Auf einer anderen Seite sind sehr viele notwendige Einschränkungen für diesen Wunsch; denn zuerst: es wäre träge von einem Knechte, wenn er immer nur nach dem Samstag Abend ausschauen wollte und immer seufzte und stöhnte, weil die Tage so lang wären. Derjenige, der wünscht, zum Himmel zu gehen, ehe sein Lebenswerk getan ist, scheint mir nicht ganz der Mann zu sein, von dem es wahrscheinlich ist, daß er überhaupt dahin kommt; denn der, der geeignet ist, dorthin zu gehen und Gott da zu dienen, ist Einer, der willig ist, hier zu bleiben und dasselbe zu tun. Darüber hinaus: Wenn auch unsere Tage wie die eines Tagelöhners sind, so dienen wir doch einem besseren Herrn als andere Knechte. Es gibt solche Herren, daß die Diener sehr froh sein mögen, ihr Gesicht niemals wieder zu sehen; sie sind so scharf, so herbe, so gebieterisch – aber unser Meister ist die Liebe selber. Gelobt sei sein Name, sein Dienst ist vollkommene Freiheit. Wir sind niemals so glücklich und fördern unser eigenes Wohl nie so vollkommen, wie wenn wir ihm ganz und gar dienen. Ich kann von ihm sagen, daß ich meinen Meister liebe, seinen Dienst liebe, sein Haus liebe, seine Kinder liebe und Alles liebe, was zu ihm gehört; und wenn er mich am Ende dieses Lebens aus dem Dienst entlassen wollte, so wollte ich ihn bitten, mich für immer hier leben zu lassen, denn ich könnte es nicht ertragen, verabschiedet zu werden. Es ist eine meiner teuersten Hoffnungen, daß er mich, wenn ich zum Himmel gehe, dort in seinem Dienst verwenden wird. Auch sind wir nicht wie andere Diener, weil wir Eins mit unserem Meister sind, seine Brüder, seine Braut, sein Leib; und wir haben so große Verpflichtungen gegen ihn, daß es unaussprechliche Freude ist, für ihn zu arbeiten. Selbst enn er uns keinen Lohn gäbe, wäre es Lohn genug, daß es uns erlaubt, ihm zu dienen.

„Ich lieb‘ dich, Herr, doch nicht darum,
Daß ich durch Lieb‘ in Himmel komm‘.
Nicht, weil das grause Höllentor,
Dem, der nicht liebet, steht davor.“

Sondern wegen deiner eigenen Milde, Güte und Liebe zu mir, sollte ich da nicht auf ewig dein sein? Ja, ja, in mancher Hinsicht mögt ihr denken, es sei besser, abzuscheiden und bei Christus zu sein, aber aus anderen Blickwinkeln seht ihr es anders und haltet den Wunsch in Schranken, so daß ihr, wie Paulus, in „der Enge zwischen beiden“ seid, und nicht wisst, was ihr erwählen sollt. Es ist eine große Gnade, daß ihr die Wahl nicht habt, daß alles für euch festgesetzt ist. So seht ihr, daß hier Tatsachen sind, die Hiobs Schluß Schranken setzen und euch die übermäßige Sehnsucht nach dem Ende des sauren Lebenstages verbieten.

Ich will euch des Teufels Schluß nun sagen. Des Teufels Schluß ist, daß, wenn unsere Zeit, unser Kriegsdienst und unsere Arbeit alle bestimmt sind, keine Sorge nötig ist, und wir uns von der Zinne des Tempels herablassen können oder irgend etwas anderes Unüberlegtes tun, denn wir werden nur unsere Bestimmung erfüllen. So folgert der Erzfeind gegen sein eigenes besseres Wissen. Wie viele Menschen haben aus den köstlichsten Wahrheiten die verdammenswürdigsten Schlüsse gezogen; und diese Menschen wissen, wenn sie das tun, daß ihre Schlüsse ungereimt sind. „O,“ sagen sie, „wie brauchen uns nicht zu Christus zu bekehren, denn wenn wir zum ewigen Leben bestimmt sind, so werden wir errettet werden.“ Ja, ihr Herren, aber warum wollt ihr heute zu Mittag essen? Warum eßt ihr überhaupt? Denn wenn ihr leben sollt, so werdet ihr leben. Warum heute Abend zu Bette gehen? Wenn ihr dazu verordnet seid, zu schlafen, so werdet ihr schlafen. Warum wollt ihr morgen früh eure Läden öffnen und eure Waren zur Schau legen und versuchen, sie zu verkaufen? Wenn ihr dazu vorherbestimmt seid, reich zu werden, so werdet ihr reich werden. Ah, ich sehe, ihr wollt das Ding nicht durchführen. Ihr seid nicht solche Narren, wir ihr ausseht; ihr seid mehr Schurken als Narren, und eure Entschuldigung ist ein Stück Betrügerei. Wenn es das nicht ist, warum handelt ihr nicht im täglichen Leben danach? Der hat ein falsches Herz, der es wagt, aus der köstlichen Lehre von der Vorherbestimmung den abscheulichen Schluß zu ziehen, daß er still sitzen darf und nichts tun. Wie, Mann, nichts in der Welt stählt mich mehr zur Arbeit, als der Glaube, daß Gottes Ratschluß mich zu diesem Dienst bestimmt hat. In der Überzeugung, daß die ewigen Kräfte der unveränderlichen Weisheit und nie versiegenden Macht hinter mir sind, strenge ich alle meine Kraft an, wie es sich für einen „Mitarbeiter Gottes“ (1. Kor. 3, 9) gehört. Die tapfersten Männer, die je lebten, wie Cromwell und seine Eisenseiten, glaubten an Gottes Ratschlüsse, aber sie hielten auch ihr Pulver trocken. Sie vertrauten auf die ewige Vorherbestimmung, aber sie glaubten auch an menschliche Verantwortlichkeit, und das müssen wir auch tun. Eure Jahre sind bestimmt, aber ergebt euch nicht der Liederlichkeit oder dem Saufen mit den Trunkenbolden, sonst werdet ihr eure Tage verkürzen. Dein Streit und Kriegsdienst ist bestimmt, o Mensch, aber gehe nicht hin und handle wie ein Narr, sonst werden deine Leiden vervielfältigt. Deine Arbeit ist dir zugewiesen, o Gläubiger, aber schlendere nicht träge einher, sonst wirst du den Geist Gottes betrüben und deinem Werke Schaden tun.

Ich will euch nun den Schluß eines Kranken geben. „Ist nicht eine bestimmte Zeit für den Menschen auf Erden? Sind nicht seine Tage wie die eines Tagelöhners?“ Der Kranke schließt daraus, daß seine Schmerzen nicht immer dauern werden und daß jedes Leiden von der göttlichen Liebe zugemessen ist. Es ist wahr, Krankheit ist ein bitterer Trank, aber Jahwe Rophi verschreibt ihn oft als eine Arznei für geistliche Krankheit. Wenn der Herr weiß, daß das verordnete Leiden seinen Zweck erfüllt hat, so wird er den Patienten entweder heilen, daß er wieder unter den Menschenkindern wandelt oder er wird ihn heimrufen in die Herrlichkeit. Laßt ihn deshalb geduldig sein und durch Stillesein und Harren wird er stark sein.

Danach kommt der Schluß des Trauernden – einer, den wir nicht immer ganz so rasch ziehen, wie wir es sollten. Es ist dieser: „Mein Kind ist gestorben, aber nicht zu früh. Mein Gatte ist verschieden, ach, Gott, was soll ich tun? Wo soll mein verwitwetes Herz Teilnahme finden? Doch er wurde zur rechten Zeit hinweggenommen. Der Herr hat nach seinem Wohlgefallen gehandelt und er hat es weise getan.“ Wenn ihr noch nicht dahin gekommen seid, über einen Toten zu trauern, aber jeden Tag mit einem Leidenden zu fühlen habt, der allmählich unter ermüdendem Schmerz und beständiger Qual dahin siecht, betet, daß die Gnade euch fähig mache, zu fühlen: „Es ist gut.“ Es ist ein großer Triumph der Gnade, wenn das Herz weder stoisch, gefühllos ist, noch sich auflehnt; wenn wir trauern können, aber uns nicht auflehnen in der Trauer, uns betrüben ohne Murren und Schmerz fühlen ohne Sünde. Betet für Einige, die diese Prüfung zu bestehen haben. Betet für sie, daß die Gnade in ihrer Schwachheit vollendet werde.

Weiter laßt uns den Schluß des Gesunden ziehen. Wißt ihr, welchen Schluß ich aus dem plötzlichen Tode meines Freundes gezogen habe? Ich dachte – im Augenblick, als ich davon hörte, traf es mich – „Ah, wenn ich am letzten Sonnabend Nachmittag gestorben wäre anstatt Heinrich Olney’s, würde ich alle die Angelegenheiten, die ich in Händen habe, in Ordnung hinterlassen haben? Ich habe endlos viele Geschäfte – viel zu viele; und ich faßte den Entschluß: „Ich will alle so in Ordnung bringen, als wenn ich im Begriff wäre, zu gehen, denn vielleicht bin ich es.“ Lieber Bruder, ich wünsche, du fühltest ebenso. Du bist ein gesunder Mann, aber sei bereitet auf den Tod. Habe dein Testament fertig und deine Rechnungen in Ordnung, so daß dein Nachfolger sie aufnehmen kann. Was du tust, daß tue bald! Mache dein Testament, und wenn du wohlhabend bist, vergiß nicht des Herrn Werk. Whitefield pflegte zu sagen: „Ich könnte heute Nacht nicht schlafen, wenn ich meine Handschuhe nicht an ihrem Platze wüsste, denn,“ sagte er, „ich möchte gern alles in Ordnung hinterlassen.“ Halt das Schiff in Bereitschaft, Bruder, denn du weißt nicht, was für Wetter kommt. Kläre das Verdeck fürs Gefecht, denn niemand weiß, wann der letzte Feind in Sicht erscheint. Euer bester Freund ist auf dem Weg, macht alles zum Empfang fertig. Seid geschmückt wie eine Braut für ihren Bräutigam und nicht wie eine Schlampe, die sich schämen würde, gesehen zu werden.

Zuletzt noch, hier ist des Sünders Schluß. „Meine Zeit, mein Kriegsdienst, meine Arbeit sind bestimmt, aber was habe ich darin getan? Ich bin im Kriegsdienst gegen Gott gewesen und habe im Dienst des Teufels gearbeitet, was wird das Ende sein?“ – Sünder, du wirst deinem schwarzen Meister deine Zeit ableisten, du wirst seinen Kampf kämpfen und deinen Sold verdienen, aber was wird der Lohn sein? Das Ende kommt und das Auszahlen des Lohnes, bist du bereit, zu ernten, was du gesät hast? Da du Partie genommen hast für den Teufel gegen dich selber und gegen Gott, bist du auf das Resultat vorbereitet? Siehe zu, ich bitte dich, und flehe den Herrn an, dir durch Jesus Christus Gnade zu geben, um deinem gegenwärtigen Zustande zu entrinnen und dich unter Christi Fahnen einzureihen.

Ich frage euch, ihr Männer, die ihr auf dieser Galerie sitzt, und nicht an Jesum glaubt, und euch Männer und Frauen überall in diesem Gebäude, die ihr nicht wiedergeboren seid, wenn ich anstatt von dem Abscheiden unseres Bruders, der entschlafen ist, von eurem Tod zu reden hätte, wo wäret ihr dann jetzt? Wir gehören nicht zu denen, die eine heuchlerische Liturgie über euch lesen würden und Gott danken, daß ihr hinweggenommen wurdet, wenn ihr in Sünden gestorben wäret. Wir würden dem Allerhöchsten keinen solchen Schimpf antun, daß wir sagten, wir selber hofften, in gleicher Weise zu sterben. Wir hätten nicht gewagt, die Majestät des Himmels so zu lästern. Ihr wisst, wir hätten euch mit tiefem Schweigen ins Grab gelegt, mit mancher Träne, bitterer als gewöhnlich, weil tief unten in unserer Seele der traurige Gedanke gewesen wäre: „Er starb unbußfertig! Er starb, ohne wiedergeboren zu sein. Er ist verloren! Er ist verloren!“

Weint nicht um unsern Bruder, der in seiner Blüte gestorben ist, und dessen Kinder um ihn trauern! Weint nicht um ihn, obwohl sein betrübtes Weib sich über den Leichnam beugt und nicht glauben kann, daß sein Geist entflohen ist! Weint nicht um ihn, sondern weint um die, die gestorben und auf ewig verloren sind, vertrieben von dem Angesichte Gottes! Von ihrem ewigen Kriegsdienst wird keine Entlassung stattfinden und ihre furchtbare Sklaverei wird kein Ende haben, denn es gibt keine bestimmte Zeit mehr für den Menschen, wenn er einmal diese Erde verläßt. Die Zeit ist vorüber und der Engel, der einen Fuß auf das Meer setzt und den andern auf die Erde, schwört bei dem Ewigen, daß hinfort keine Zeit mehr sein soll, und so ist der Zustand der verlorenen Seele endgültig entschieden, auf ewig entschieden. Hütet euch deshalb und seid weise, um Christi willen und um euer selbst willen.

Amen.

Quelle: Glaubensstimme – Die Archive der Väter