Offenbarung 3, 11: Die Abwehr

Siehe, ich komme bald. Halte, was du hast, daß Niemand deine Krone nehme!

Predigt von Friedrich Wilhelm Krummacher.

Ein freundlicher Bote trat zu uns ein, Geliebte, ein Herold des Lichtes im Reiche der Natur wie in dem der Geister. Der heutige Sonntag ist’s, der letzte des heiligen Advents, der in der dunkelsten und trübsten Zeit des ganzen Jahres den Eintritt der Sonnenwende, und mit ihm das Ende der Herrschaft der Nacht und die Wiederkehr des wachsenden Tages uns ansagt. Aber er verkündet uns unendlich Größeres und Erfreulicheres noch, als dies, indem er uns die Nähe des herrlichen Festes signalisiert, durch welches die geistige Nacht unsres Planeten gelichtet, unser armes Erdenleben zu einer hoffnungsreichen Pilgerfahrt nach einer himmlischen Heimat uns verklärt, und somit unser Sterben zu einem fröhlichen Eingang in das ewige Leben geworden ist.

O möchte das bevorstehende Fest von uns Allen mit den Empfindungen jubelnder und dankbar gerührter Freude begangen werden, welche der unvergleichlich seligen Bedeutung desselben völlig entsprechen! Hierzu aber ist vor Allem erforderlich, daß wir einen ganzen und unversehrten Glauben mit hinzubringen. Dieser Glaube jedoch ist in unsern Tagen, leider! nicht Jedermanns Ding, sondern vielmehr eine ebenso seltene, als kostbare Perle. Vor 14 Tagen hörten wir den Apostel Paulus mit großem Ernste und Nachdruck vor geistlichen Räubern uns warnen. Solche pflegen den Pilger Gottes vorzugsweise grade dann zu bedrohen, wenn er freudiger Erwartung voll irgend einem der großen Feste seiner Kirche entgegengeht.

Denn alsdann geschieht es wohl, daß auch in weiteren Kreisen, in denen sonst Religiöses nicht verhandelt zu werden pflegt, das Gespräch einmal auf den Gegenstand des bevorstehenden Kirchenfestes und auf das Christentum überhaupt gelenkt wird; und selten nur wird es fehlen, daß dann bald von dieser, bald von jener Seite her Stimmen des Unglaubens, des Zweifels oder gar des Spottes verlauten, die uns nicht mehr darüber in Ungewißheit lassen, in was für einer Umgebung wir uns befinden.

Wegelagerer strecken die räuberische Hand nach dem Besten aus, was wir haben: nach unsern Glaubensschätzen; freilich nicht, um diese sich selber zuzueignen; wie gerne böten wir ihnen dazu die hülfreiche Rechte! Sondern nur, – und darin unterscheiden sie sich von den Räubern auf den Landstraßen der Welt, – die edlen Kleinodien uns zu entreißen, und dann über uns, die Ausgeplünderten, ein stolzes Triumphgeschrei zu erheben. Zur guten Stunde also tönt uns gegenwärtig wie Signaltrompetenstoß das Wort des Herrn an:

„Siehe, ich komme bald! Halte, was du hast, daß Niemand deine Krone nehme!“

Die Krone ist Er selbst und das unermeßliche Heil, das uns in Ihm bereitet ward; und sein „Kommen“ haben wir als ein dreifaches aufzufassen. Er kommt zunächst mit dem Segen des nahenden Festes. Leer gehen wir aus, ließen wir unsern Glauben uns erschüttern. Er kommt, ehe wir’s uns versehen, um uns vom Kampfplatz dieser Erde abzurufen. Wehe uns, wenn er uns als Fahnenflüchtige betreffen sollte! Er kommt, und nach den Signaturen der Zeit vielleicht schon bald, seine Feinde zum Schemel seiner Füße zu legen, seine Freunde aber aus den vier Winden um sich zu sammeln, und ihnen das Reich zu bescheiden. Und wer wird dann gekrönt? Niemand, als wer Fuß beim Male hielt, und nicht als ein schwaches Rohr betroffen wird, das von allerlei Wind der Lehre durch Schalkheit und Täuscherei der Menschen sich hin und her bewegen ließ. Zu den Waffen drum! – Welche sind diese Waffen? Sie wechseln je nach Beschaffenheit der Rüstung, in der wir überfallen werden, und bestehen bald in Gewissensfragen, die wir an die Widersacher zu richten; bald in Berichtigungen, mit denen wir ihnen zu dienen; bald in Aufforderungen, die wir an sie zu stellen haben.

Vernehmt, Freunde, was hiemit gemeint ist, und bittet den Herrn, daß Er uns auch durch unsre heutige Betrachtung einen Zuwachs an Wichtigkeit zu Teil werden lasse, in allen Stücken dem apostolischen Zuruf: „Leide dich als ein guter Streiter Jesu Christi“, nachzukommen!

I.

Der böse Haufe, der uns unsern Glauben rauben möchte, den seligmachenden Glauben an ein übernatürlich geoffenbartes unfehlbares Schriftwort, an die Gottmenschheit der Person Jesu Christi, und an die Begründung unsrer Erlösung und Seligkeit durch Christi Mittlerwerk, schließt eine bunte Mannigfaltigkeit von Leuten in sich. Wir begegnen unter denselben zunächst einer Gattung von Menschen, mit der wir freilich nur kurzen Prozeß zu machen haben. Es sind die frivolen Spötter und frechen Lästermäuler. Die Schrift will, daß wir nicht einmal „sitzen“ sollen, wo sie sitzen. Erheben wir uns denn, wo sie ihre gottlosen Lippen öffnen, halten wir’s unter unsrer Würde, mit ihnen uns einzulassen, und wenden wir ihnen, höchstens mit einem ernsten: „Irret euch nicht, Gott läßt sich nicht spotten!“ den Rücken!

Eine andre Klasse, und allerdings eine sehr zahlreiche, indem wir Angehörige derselben fast in jeder größeren Gesellschaft treffen, bildet das leichtfertige Geschlecht der seichten Schwätzer und Nachbeter, die ihre Weisheit von der Oberfläche ihrer Zeitungen und Flugblätter abgeschöpft haben. Auch diese können uns nicht gefährlich werden; doch dürfen wir uns ihnen nicht entziehen. Die Waffen, mit welchen wir sie am erfolgreichsten zu Paaren treiben, sind einfache Gewissensfragen, die wir an sie zu richten haben. Fragen wir sie:

„Kennt ihr die Bibel? Laset ihr sie jemals ernstlich, vorurteilsfrei und im Zusammenhange durch? Wagt ihr euch einer Prüfung zu unterwerfen, ob ihr in ihr zu Hause seid? Habt ihr je von Herzen Gott den Herrn angerufen, daß er euch das rechte Verständniß der heiligen Schrift eröffnen wolle? Ist euer Hauptbestreben dahin gerichtet, wie ihr Gott gefallen möget? Schwebt euch Gottes Gesetz, und nicht ein menschliches nur, als Richtschnur eures Lebens auf Schritt und Tritt vor Augen? Ranget ihr je darnach, dieses Gesetz zu halten, und zwar nach seinem innersten Sinn und Geist, wie es nach göttlichem Willen gehalten sein will? Bebtet ihr niemals vor Gottes Heiligkeit zusammen? Kennt ihr die bange Sorge um das einstige Bestehn vor seinem Richterthron? Warf je das Bewußtsein eurer Schuld euch zu Gottes Füßen nieder? Erschien euch wohl schon die Vergebung der Sünden als das größte und begehrenswerteste aller Güter? Wißt ihr, was es heiße, nach dieser Vergebung schmachten, und nach Gnade dürsten?“

So, Freunde, laßt uns sie fragen! Und was wird das Ergebnis sein? Ihr redender Mund wird wahrscheinlich nicht nein auf diese Fragen sagen; aber auf ihrer verstummenden Lippe werden wires finden, dieses Nein, und es deutlich herauslesen aus ihrer verlegenen Miene, aus ihrer Verwirrung, und aus der erstickten Scham, die sich in ihrem Blick und der ganzen Haltung, die sie uns gegenüber beobachten werden, unverkennbar spiegeln wird. Dann aber sind wir vollkommen im Rechte, zu diesen Leuten weiter zu sprechen: „Mit euch, Freunde, reden wir über religiöse Dinge nicht. Ihr seid nicht competent, nicht befugt, über Christentum mit zu sprechen. Ihr befindet euch auf gleicher Linie mit jenen Juden, denen der Herr, wenn sie um dies und das ihn fragten, entweder keine, oder nur eine rätselhafte und kurz abfertigende Antwort erteilte, weil keinerlei religiöses Interesse und Herzensbedürfniß sie zu Ihm führte. Ja es müßte an euch in geistlichem Verstande ein ähnliches Wort ergehn, wie das, welches einst David jenen Knechten im Feindeslager sagen ließ: Bleibet zu Jericho, bis euch der Bart gewachsen ist!“ – In solcher und ähnlicher Weise haben wir mit jenem Völklein zu reden, und sind so auch mit diesen Gegnern schnell und ohne große Mühe fertig.

II.

Aber andre, die an unsern Glauben wollen, melden sich, und nehmen sich schon ein wenig gefährlicher aus. Sie rücken mit Gründen wider uns in’s Feld. Aber lassen wir uns nicht überrumpeln, noch allzusehr vor ihnen grauen! Lauschen wir genau den Einwürfen, die sie als Pfeile wider uns abdrücken; und was entdecken wir? In lauter Vorurteilen sind diese Leute befangen; und Berichtigungen heißen die Waffen, mit denen wir vor ihnen uns zu schützen und wider sie in Schlachtordnung uns zu stellen haben. Es ist nicht wahr, daß, wie sie behaupten, die Bibel, im Widerspruch mit den Ergebnissen der Naturwissenschaften, nur ein sechstausendjähriges Bestehn der Erde lehre. Lesen wir die Bibel genau, so erhellt, daß auch nach ihren Aussprüchen der Erdkörper, über welchem der Geist Gottes schwebte, und auf dem nach Psalm 104, da Gott „das Wasser unter dem Himmel an besondere Oerter sammelte“, die Gebirge schon existierten, bereits längst erschaffen war, und wer weiß, was alle für Umwälzungen erleben konnte, ehe er durch dieselbe Allmacht, die ihn durch den bloßen Wink ihres Willens aus dem Nichts in’s Dasein rief, zum Wohnplatz für das Menschengeschlecht zugerichtet wurde. –

Es ist nicht wahr, daß die Heilige Schrift die Sonne um die Erde kreisen läßt, statt umgekehrt die Erde um die Sonne. Die Schrift, die uns überhaupt Naturkunde nicht lehren will, spricht das in Lehrform nirgends aus, und redet gleich wie wir, und wie im gewöhnlichen Leben selbst unsre Astronomen zu reden pflegen, nach dem Augenscheine: „Die Sonne geht auf und geht unter; die Erde ist fest gegründet; der Thau trauft vom Himmel herab“ u. s. w.

Es ist nicht wahr, daß das Alte Testament einen andern Gott und ein andres Sittengesetz predigt, als das neue. Gott der Herr ist dort wie hier durchaus derselbe: heilig, gerecht, weise, und ein Gott der Liebe und der Gnade. Eben so ist dasselbe im alten wie im neuen das Gesetz; denn schon bei Mose, (z. B. 5. Mos. 6, 5) tönt der Spruch dich an: „Du sollst den Herrn deinen Gott lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allem Vermögen, und deinen Nächsten wie dich selbst.“ – Nicht wahr ist’s, daß das Alte Testament Jehovah nur als einen Nationalgott Israels darstellt. An unzähligen Orten finden wir’s durch Moses und die Propheten ausdrücklich ausgesprochen, daß Gott auch der Heiden Gott sei, und alle Völker der Erde einst seines Heils teilhaftig werden sollen, und in Ihm sich segnen werden.

Es ist nicht wahr, daß Satan in der Schrift als ein zweiter Gott auftrete. Ueberall erscheint er als ein gefallenes Geschöpf, wie wir, und die Lehre vom Teufel gehört ebensowohl in die Naturgeschichte, als in die Theologie, und erstere wird es nie entschieden bestreiten wollen, daß es möglicherweise auch noch Geister höherer Ordnung, als der Mensch ist, und unter diesen sogar auch gefalle, und sittlich zerrüttete Geister geben könne? Kein vernünftiger Denker hat diese Möglichkeit je unbedingt zu leugnen gewagt, und nichts ist seltsamer, als daß in neuerer Zeit selbst manchen Gläubigen der Glaube an die Existenz der Dämonenwelt so schwer werden will. –

Und daß die Schrift, wenigstens die des alten Bundes, in einen äußerlichen Ceremoniendienst die Heiligkeit setze, welche Gott von den Menschen fordre; daß sie hin und wieder Sündliches und Sträfliches in Schutz nehme, oder doch beschönige und zu bemänteln suche; daß sie von offenbaren und unauflöslichen Widersprüchen wimmele, und der Weltgeschichte widerspreche; so wie daß sie lehre, Gott habe den Propheten und Aposteln seine Offenbarungen in mechanischer Weise aufgezwängt und gleichsam eingetrichtert: Dieses alles ist nicht wahr, sondern Wahn ist’s, Lüge, reines Vorurteil, wofür sich kaum auch nur ein Scheingrund auftreiben läßt. Was zunächst den Ceremoniendienst betrifft, wer kennt da nicht des erleuchteten Richters Samuels Wort: „Gehorsam ist besser denn Opfer?“, wer nicht das Wort des Herrn durch Amos: „Ob ihr mir gleich Brandopfer und Speisopfer opfert, so habe ich keinen Gefallen daran. Tut nur hinweg von mir das Geplärr eurer Lieder: denn ich mag euer Psalterspiel nicht hören?“ und das andre durch den Propheten Jesaias: „Meine Seele ist feind euern Neumonden und Sabbathen. Euer Räuchwerk ist mir ein Gräuel. Waschet euch, reiniget euch, tut euer böses Wesen weg von meinen Augen, und lernet Gutes tun!?“ – Sündliches, will man behaupten, würde in Schutz genommen? Wer vermag auch nur eine einzige Stelle nachzuweisen, wo dies geschähe? Schon im ersten zartesten Keime des von ferne auftauchenden ungöttlichen Gedankens wird überall die Sünde gerichtet und verdammt. Und wenn David einmal, wie in einigen seiner Psalmen geschieht, mit Ungestüm gegen seine Feinde aufbraust, so ist sein Zorn wider sie nur als wider Feinde und Lästerer des lebendigen Gottes entbrannt, und erweist sich bei Lichte besehn auch hier nur als die „Spitze der Flamme, welche die Liebe schlägt.“ Man redet von Widersprüchen. Wo finden sich solche? Unzähliges, was einst dafür gegolten, hat sich in Folge gründlicherer Untersuchungen vollständig gelöst und ausgeglichen; und was noch hin und wieder wie Widerspruch aussieht, ist nicht allein an sich durchaus bedeutungslos, sondern wird sich unfehlbar gleichfalls noch vor einer fortgesetzten Forschung nach allen Seiten hin entwirren. – Mit der Weltgeschichte, wie heidnische Schriftsteller sie uns erzählen, stimme, so sagt man, die biblische Geschichte nicht überein? In welchem Punkte nicht? Von dem Einen und Andern, was namentlich zur Geschichte Egyptens und Assyriens gehört, ist Solches wohl behauptet worden. Aber siehe da, nun erschließt sich plötzlich die Hieroglyphenschrift uralter ägyptischer Tempel und Paläste, nun tauchen aus ihrem vieltausendjährigem Grabe die Säulen und Gedenktafeln der untergegangenen Riesenstadt Ninive auf, und bestätigen auf’s vollständigste Alles, was in Bezug auf diese Reiche und ihre Verhältnisse zu Israel in den Propheten geschrieben steht. Und was endlich die göttliche Offenbarung anbelangt, so geht es damit nirgends in der Schrift mechanisch her. Vorbereitete, empfängliche Seelen, die jenen Offenbarungen geistliche Anknüpfungspunkte bieten, empfangen sie, und nehmen sie mit Freiheit auf in ihre Gedanken- und Empfindungswelt. Also lauter Vorurteile, die wir hier zu bekämpfen haben! Deckt als solche sie euerem Widerpart auf, und er steht entwaffnet; ihr aber zieht mit unversehrtem Glauben von dannen.

III.

Doch noch ist euch nicht Ruhe gegönnt. Ein neuer Freibeuterschwarm wirft sich aus seinen Hinterhalten über euch her. Er ist der gefährlichste von allen. Aus philosophischen Widersachern besteht er. Sie nennen euern Glauben unvernünftig: denn die Vernunft wisse nichts von einem Sohne Gottes, sondern nur von Menschensöhnen. Nach der Vernunft sei deinem Geiste kein Zwang anzutun, weshalb eine unmittelbare und übernatürliche Offenbarung ein Unding sei. Ebenso müsse die Vernunft jedes Wunder, z.B. jede Totenerweckung, unbedingt als ein Unmögliches verwerfen, weil es mit dem unveränderlichen Wesen Gottes sich nicht vertrage, daß Er seine eignen Naturgesetze selbst durchbreche und wieder aufhebe.

Jetzt, Freunde, nicht gewankt! Der Angriff sieht sich sehr bedrohlich an. Aber so bedenklich, wie er auf den ersten Blick sich ausnimmt, ist er nicht. Zuerst entgegnet jenen Leuten einfach, daß grade darum, weil die Vernunft von übersinnlichen Dingen so wenig wisse, der lebendige Gott, der die Liebe selbst, mit einer Offenbarung ihr zu Hülfe gekommen sei, und daß eine solche natürlich und notwendiger Weise Neues, d. h. Solches enthalten mußte, was noch nie in eines Menschen Herz gekommen war. – Sagt ihnen ferner, es fehle an Beispielen nicht, daß selbst ein endlicher Menschengeist unmittelbar auf die Gedanken- und Gefühlswelt eines Andern einwirken könne, und daß es darum Torheit wäre, behaupten zu wollen, Gott, der Schöpfer aller Geister, vermöge nicht ein Gleiches. –

Sagt ihnen zugleich, daß es in keines Menschen Gewalt stehe, kein Gewissen zu haben, und völlig irreligös zu sein; daß der Mensch also hier wirklich geistigen Zwang sich müsse gefallen lassen, welches übrigens bei den göttlichen Mitteilungen, die wir „Offenbarungen“ nennen, gar nicht einmal der Fall gewesen sei, da keiner der Propheten und Apostel wider seinen Willen Apostel und Prophet, d. h. Werkzeug göttlicher Eröffnungen war. Und was die Wunder betrifft, so sagt ihnen zuvörderst, daß Gott von Anfang an die Natur so angelegt und eingerichtet habe, daß Ihm, unbeschadet der ihr eingepflanzten Gesetze, überall für unmittelbare Neuschöpfungen Raum und Anknüpfungspunkte blieben, und daß ja auch die Naturkunde sich genötigt sehe, beim Fortgange vom Pflanzenleben zum Tierleben, und vollends vom Tierleben zum Menschenleben in der Natur solch einen neuen Schöpferakt anzunehmen, weil sich dieser Fortgang aus den Naturgesetzen und einem Entwicklungsprozesse durchaus nicht erklären lasse. Und dann, Freunde, tretet auf die Bastion der biblischen Heilsgeschichten, von denen unser ganzer Christenglaube getragen wird. Und sollten sie auch hier den Sturmlauf gegen euch wagen, so seien Aufforderungen die Waffen, mit denen ihr euch ihnen trotzend entgegenwerft! Fünf Tatsachen haltet ihnen vor, und sprecht: „Stoßt sie um, wenn ihr könnt! Widerlegt sie mit Beweisen! Vermögt ihr’s, so fallen wir euch zu; wo nicht, so brandmarken wir euch, falls ihr bei eurer Verneinung beharrt, als böswillige Menschen, die wider bessres Wissen und Gewissen sich sträuben, zu unsrer Glaubensfahne zu schwören!“ –

Die erste dieser Tatsachen ist die, daß in der Person Jesu wahrhaftig ein vollkommener und makelloser Mensch auf Erden erschienen ist; die andre, daß die jüdischen Feinde, die den Herrn umgaben, an der Wirklichkeit seiner Wunder nie gezweifelt haben; die dritte, daß Christus wirklich starb, und ebenso wirklich von den Toten wieder auferstand; die vierte, daß Er, wie er es verheißen, den Geist gesendet, und eine neue geistige Welt geschaffen hat; und endlich die fünfte, daß die Apostel, diese Augen- und Ohrenzeugen des Lebens Jesu, die in persönlichem Verkehr mit Ihm gestanden hatten, und freudig Gut, Blut und Leben für Ihn und seine Sache ließen, auf’s tiefste und gründlichste überzeugt waren, in Ihm den übermenschlichen Herrn vom Himmel, den Weltheiland gefunden zu haben, welchen Israel, auf den Weissagungen seiner Propheten fußend, zweitausend Jahre hindurch mit Sehnsucht erwartet hatte. Diese geschichtlichen Tatsachen rückt in ihren Gesichtskreis, und ihr werdet sie wie angedonnert vor denselben stehen sehn. Wider sie kann Niemand an. Jedem Widerspruch, jedem Zweifel sind sie enthoben. Tatsache aber übt Zwang im Reiche der Ueberzeugungen. Und wollen sie auch dies Wort nicht haben, und sich der entsetzlichen Gefahr bloßstellen, die unvergebliche Sünde, die Sünde wider den heiligen Geist zu begehen, so sind sie nichtsdestoweniger geschlagen, die Widersacher, und der Sieg ist vollständig auf eurer Seite.

Halte denn, was du hast! Wahre dir die Krone, die nur denen verheißen ist, die einen guten Kampf gekämpft und Glauben behalten haben. Bringe solchen Glauben unversehrt mit zu dem Feste, dem wir entgegengehn, auf daß es mit gleicher Wahrheit und im gleichem Vollsinn, wie einst von den Bethlehemshirten, auch von dir möge heißen können: „Sie kamen und fanden das Kindlein.“ Und fandest du’s, laß es in Ewigkeit dir nicht mehr rauben! In dem einen Krippenschatze liegen alle andern verborgen. Verficht ihn, bis auf’s Blut, und nimm sonderlich auch folgendes Dichter-Mahnwort zu Herzen:

Was, wenn dich der Feind berennt,
Dir den Sieg gewähre? –
Werde selbst zum Argument
Für die Gotteslehre!
Laß in deinem Tun und Sein
Ihn die Wahrheit ahnen;
Denn ihn wirbt das Wort allein,
Nie zu deinen Fahnen.

Laß in deinem Wesen ihn
Christi Wunder schauen,
Und an deiner Liebe Glühn
Sich sein Herz erbauen;
Gib ihm deines Glaubens Macht
In der Tat zu spüren;
Und du wirst ihn sanft und sacht
Bald gefangen führen.

Ja, so verleihe dir’s Gott in Gnaden, und mache dich selbst zu einem Pfeiler in seinem Wahrheitstempel!

Amen.

 Quelle: Glaubensstimme – Christliche Texte aus 2000 Jahren