Römer 1, 21-23

Dieweil sie wußten, daß ein Gott ist, und haben ihn nicht gepriesen als einen Gott noch ihm gedankt, sondern sind in ihrem Dichten eitel geworden, und ihr unverständiges Herz ist verfinstert. (Römer 1, 21)

Da sie sich für Weise hielten, sind sie zu Narren geworden und haben verwandelt die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in ein Bild gleich dem vergänglichen Menschen und der Vögel und der vierfüßigen und der kriechenden Tiere. (Römer 1, 22+23)

Mit der Entehrung Gottes und dem Undank gegen ihn beginnt im Menschen ein unsäglich tiefer Fall. Wie erbärmlich ist’s nun mit seinen Gedanken bestellt, nachdem sie von der erleuchtenden und weisenden Wahrheit verlassen sind! Alles wird nichtig und leer, Traum, Schaum und Geschwätz. Das Herz ist finster geworden und die Narrheit entsteht gerade durch die Einbildung, Weisheit zu besitzen. Und wie tief sinkt jetzt sein Gottesdienst! Das Menschen- und Tierbild tritt an die Stelle der Herrlichkeit und Wahrheit Gottes, und der Mensch, der Gott die Anbetung verweigert hat, gießt, weil er das Beten doch nicht lassen kann, seine Andacht vor dem Bilde eines Wurmes aus, Verse 21-23, vgl. 25.

Die Strafe folgt solcher Gottlosigkeit auf dem Fuße nach. Die Unfrömmigkeit setzt sich um in Unsittlichkeit. Mit der Geringschätzung Gottes weicht die natürliche Ordnung aus den sinnlichen Trieben, und dieselben entzünden sich zu bösem Brand. Die Unfrömmigkeit macht dem Menschen nicht viel Sorge, weil sie den natürlichen Bestand seines Wesens noch nicht antastet. Darum hat ihr Gott einen Begleiter geordnet, vor dem es dem Menschen graut, die Zerrüttung seiner Naturtriebe. Wenn Mann mit Mann, Weib mit Weib treibt, woran niemand denken und was niemand sagen darf, so ist die Offenbarung des göttlichen Zorns nicht mehr eine bloße Drohung, die erst mit dem künftigen Gericht zur Erfüllung käme, sondern da erlebt der Mensch, daß er Gott wider sich hat, und von ihm dahingegeben ist. Gottes Zorn, hat Paulus gesagt, bleibt nicht verborgen, sondern offenbart sich vom Himmel her. Wo denn? fragt der trotzige Mensch. Paulus erinnert ihn an seine Lasterhaftigkeit. Sie zeigt ihm, daß er von Gott verlassen ist, weil er Gott verlassen hat.

Wär’s nicht besser gewesen, Paulus hätte nicht so offen von der Schamlosigkeit der Menschen geredet? Das gehört mit zu seinem Beruf, und er hat das nicht vermeiden können. Die Verkehrung der geschlechtlichen Triebe war das Unglück der Völker, unter denen er das Evangelium predigte, der Orientalen, wie der Griechen. Und zwar stand dieselbe in enger Verbindung mit ihrer Religion. Heillose Unzucht begleitete die Feste und wohnte in den Tempeln. Wie er im persönlichen Verkehr mit den Gemeinden immer wieder von solchen Dingen reden musste, so hat er´s auch in seinen Briefen getan. Darin steht gerade die Kraft des Evangeliums, daß es volle, helle Wahrheit in unser Leben bringt. Da müssen auch diese Dinge heraus ans Licht. Dadurch sterben sie ab. Nicht zur Beschimpfung der Heiden redet Paulus so. Er spricht deutlich und ernst, aber nicht roh. An der Unnatur dieser Dinge kommt sodann das Schreckliche an der Sünde besonders sichtbar an den Tag. Durch diese Laster entehrt der Mensch sich selbst und schändet seinen Leib. Er untergräbt mit eigener Hand die Grundlagen seiner natürlichen Existenz selbstmörderisch. Seine verirrten Triebe reißen ihn mit tyrannischer Macht fort, obgleich er weiß, daß sie ihm nichts als Elend bereiten. Er hat in der Sünde einen Zwingherrn gefunden und seinen Willen an sie verloren. Solchen Brand entzündet der Mensch durch seine Verachtung Gottes in sich selbst, und Gott löscht ihn nicht. Nun kommt aber zur sinnlichen Verderbnis noch ein ganzes Heer von allerlei Bosheit, die den Verkehr der Menschen untereinander durchzieht und in alles ihren giftigen Stachel senkt. Der Mensch wird ein unbrauchbares, nichtsnutziges Geschöpf, das die andern nur quälen kann. Das ist die Strafe, von der seine Sünde begleitet ist, Verse 2831.

Adolf Schlatter: Römerbrief, Kap. 1, 18-32Wie uns die Sünde verdirbt.

Quelle: Glaubensstimme – Die Archive der Väter

Weblinks und Verweise

Tholuck, August: Kommentar zum Briefe Pauli an die Römer, 1842. (1. Bd.: Bibelkommentar mit Bezug auf Päderastie in Griechenland, Rom und speziell bei Petronius, S. 93-100).‘
Utley, Bob, Professor der Hermeneutik: Das Evangelium nach Paulus – Der Brief des Paulus an die Römer. Mehrteiliger Kommentar als Arbeitshilfe, Neues Testament, Band 5, Kapitel 1, S. 31f. Bible Lessons Int., Marshall, Texas, 1998 (überarbeitet 2010). [Download als pdf]
Einleitung zu Römer 1, 18 – 2, 16 (Powerpoint Präsentation, externer Link zu EFG Berlin Hohenstaufenstraße, Lizenzierung für private und kirchliche Zwecke)

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Eingestellt am 24. September 2023