Laurentius Laurenti (1660-1722)

Laurentius Laurenti, geboren zu Husum in Schleswig den 8. Juni 1660. Dort war sein Vater ein angesehener Bürger, der als großer Freund der edlen Musica viel auf die musikalische Bildung seines Sohnes verwandte und ihn auch zu Kiel studieren ließ. Im Jahr 1684 wurde er Cantor und Musikdirector an der Domkirche zu Bremen. Nachdem er als solcher 38 Jahre lang Dienst geleistet zur Ehre Gottes und Erbauung der Gemeinde und nur kurz vorher wegen Kränklichkeit seine Stelle niedergelegt hatte, starb er in Bremen 62 Jahre alt 29. Mai 1722.

Er ist der bedeutendste Dichter des Spener’schen Kreises, sowohl nach der Zahl als nach dem Charakter der Lieder, die er gedichtet hat. Die Zahl seiner gedruckten Lieder ist 150, und unter diesen in edler Einfalt und in durchaus biblischem Sprachgewand dargebotenen Gesängen finden sich manche durch besondere Salbung und ächt poetischen Gehalt ausgezeichnete Kirchenlieder. Sie erschienen unter folgendem Titel:

„Evangelia Melodica“, das ist Geistliche Lieder und Lobgesänge nach dem Sinn der ordentlichen Sonn- und Festtags=Evangelien zur Uebung und Beförderung der Gottseligkeit nach bekannten Melodien mit Fleiß eingerichtet; auch daneben zu einigen Musicalischen Jahrgängen nach neuern Melodien gewidmet aufgesetzet und herausgegeben von Laurentio Laurenti, Directore der Music an der Königl. Dom= und Hauptkirchen in Bremen. Bremen, bei Joh. Wessel. 1700.

Mit einer poetischen Widmung an Barthold Clemens von der Kuhle, Königl. Schwedischen Kanzler in den Herzogthümern Bremen und Verden, und an Christoph Heinrich v. Weißenfels, K. Schwedischen Estatsrath und Ministern in dem Westphälischen Kreis und der Stadt Bremen.

In der Vorrede an den „christlich gesinnten Leser“ sagt er:

„Ich habe gegenwärtige geistliche Lieder und Lobgesänge über die Sonn= und Festtags=Evangelien (weil dergleichen Arbeit wenig an’s Licht gekommen, auch vielleicht verlangten Zweck nicht erreichen können, weil die Lieder nicht nach bekannten Melodien neu gerichtet gewesen) nach der Methode gemacht, daß alle Lieder auf schon bekannte und eingeführte Melodien zur Privatübung und Andacht von Gott lobenden Herzen können gesungen werden. – Ich lege dieses geringe Werk theils als einen neuen musicalischen Kirchen=Jahrgang, theils als ein Privat und Hauß=Liederbuch durch öffentlichen Druck vor Augen“.

Weiter sagt er noch:

„Ich habe mich in allen Stücken und mit Fleiß der Einfalt sonder Wortgepränge, welches sonst in der Dichtkunst von Ruhmbegierigen pfleget gesuchet zu werden, bedienet und mit der Schrift, so viel in einer gebundnen Rede geschehen können, geredet und geschrieben. Weil aber das Christenthum nicht in bloßen Worten, sondern in der Kraft bestehet, so habe alles gern auf den inwendigen Menschen und auf das Herz mit Fleiß gerichtet und nach dem Sinn des Geistes die so nothwendige Application und Zueignung mit Bedacht wahrgenommen, damit das Herz gerühret und geändert und auch hiedurch einigermaßen das Reich Gottes in uns möge befördert werden und Kinder Gottes nach der Vermahnung Pauli dem Herrn in ihrem Herzen singen und spielen mögen.“

Am Schluß dieser Vorrede versprach er noch:

„Es kann in kurzem, falls Gott Leben und Gesundheit vergönnet, über die Episteln dergleichen und daneben eine andere Arbeit, bestehend in allerley geistlichen Liedern, theils auf gewisse Sprüche h. Schrift, theils auf allerley Fälle im menschlichen Leben, alle aber auf das wahre Christenthum und nach der Lehre der Wahrheit, die da ist nach der Gottseligkeit mit Fleiß gerichtet folgen.“

Dabei hat er, um die noch leeren Blätter des die Vorrede enthaltenden Bogens auszufüllen, als eine Probe der in der Vorrede gepromittirten Lieder auf allerley Fälle ein Lied einrücken lassen des Anfangs:

„Sollt ich meinen Jesum lassen? nein! ach nein, ich halt ihn fest“ – mit der Ueberschrift: „Jesus mein A und O, Jesus mein alles in allen“. Es scheint aber nicht zum Druck dieser damals wohl größtentheils schon gedichteten Epistel= und Casual=Lieder gekommen zu seyn. Wenigstens findet sich keine Spur mehr davon vor.

Der Evangelienlieder sind es im Ganzen 148, je zwei über ein Fest= oder Sonntags= Evangelium. Und am Schluß derselben ist noch ein demüthiges Lob= und Danklied zu Jesu im Glauben gerichtet, des Anfangs „Nun, Herr Jesu, meine Sonne“ angehängt, worin er dem Herrn für das Gelingen und Ausarbeiten seines Liederwerkes dankend also singt:

Du hast mir in’s Herz gegeben,
Durch dein Wort und deinen Geist,
Was vom Glauben und vom Leben
Dieses Liederbuch anweist.
Mein Vermögen war zu schwach,
Auszuführen diese Sach‘,
Aber weil du mich getrieben,
Hat mein‘ Hand mit Lust geschrieben.

und mit den Worten schließt:

Dort, in Himmels Freuden=Saal,
Da die Lieder besser klingen,
Will ich ewig dir lobsingen.

Seine Hoffnung ließ ihn denn auch nicht zu Schanden werden, die er über diese seine Liederarbeit in der Vorrede ausgesprochen hatte. Ob das Werk gleich gering und nur mit Dachs= und Ziegen=Fellen möchte zu vergleichen seyn, so bin ich doch im Glauben zu Gott versichert, daß es dennoch zur Hütten des Stifftes, das ist der Kirchen Gottes nach seiner Art dienlich seyn könne. In reicher Anzahl sind seine Lieder in alle Kirchen=G.G. des 18. Jahrh.’s aufgenommen worden, nachdem Freylinghausen von denselben nicht weniger als 19 in sein Gesangbuch 1704, und dann noch 15 in den 2. Theil desselben 1714, im Ganzen also 34 eingereiht hatte. Und 6-8 derselben fehlen auch in keinem der neuesten G.G. (das 1853 neu aufgelegte Pommer’sche G. von Bollhagen hat 16).

Die verbreitetsten sind:

„Ach Gott, es hat mich ganz verderbt“ – am 3. Sonntag nach Epiphan.
„Ach Gott, mich drückt ein schwerer Stein“ – am 1. Oster=Feyertage. II.
„Die Engel, die im Himmelslicht“ – am Festtag Michaelis.
„Du bist ein guter Hirt“ – am 2. Sonntag nach Ostern. Misericordias Dom.
„Du wesentliches Wort“ – am 3. Weynachtstage. (Joh. 1, 1. 2.)
Ermuntert euch, ihr Frommen – am 27. Sonntag nach Trin.
Es sind schon die letzten Zeiten – am 2. Adventssonntag.
„Fließt ihr Augen, fließt, ihr Thränen“ – am Sonntag Estomihi.
„Gott sey gelobt mit Freuden“ – am Festtag St. Johannis.
„Ihr armen Sünder, kommt zu Hauf“ – am 3. Sonntag nach Trin.
„Komm, Tröster, komm hernieder“ – am 6 Sonntag nach Ostern. Exaudi.
„Nun ist es alles wohl gemacht“ – am stillen Freytag. (Joh 19, 30.)
„O großer König, Jesu Christ“ – auf Mariä Verkündigung.
„O Mensch, wie ist dein Herz bestellt?“ – am Sonntag Sexagesimä.
Wach auf, mein Herz, die Nacht ist hin – am 1. Oster=Feyertag.
„Warum willt du doch für morgen“ – am 15. Sonntag nach Trin.
„Wenn dort des Allerhöchsten Sohn“ – am 26. Sonntag nach Trin.
Wer im Herzen will erfahren– am Tag der Offenbarung Christi oder h. Dreikönigsfest.
„Wer sich im Geist beschneidet“ – am Neujahrstage.
„Wohl dem, der fest im Glauben steht“ – am 5. Sonntag nach Ostern.
Vocem jucunditatis (Rogate)

Quelle:

Geschichte des des Kirchenlieds und Kirchengesangs der christlichen, insbesondere der deutschen evangelischen Kirche, S. 281-284. Von Eduard Emil Koch, Dekan, ordentlichem Mitglied der historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig. Erster Haupttheil: Die Dichter und Sänger. Vierter Band. Dritte umgearbeitete, durchaus vermehrte Auflage. Stuttgart. Druck und Verlag der Chr. Belser’schen Verlagshandlung. 1868 [Digitalisat]

Eingestellt am 10. April 2023 – Letzte Überarbeitung am 13. April 2023