Lukas 13, 23-30: Die enge Pforte

Es sprach aber einer zu ihm: HERR, meinst du, daß wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen: Ringet darnach, daß ihr durch die enge Pforte eingehet; denn viele werden, das sage ich euch, darnach trachten, wie sie hineinkommen, und werden’s nicht tun können.
Von dem an, wenn der Hauswirt aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat, da werdet ihr dann anfangen draußen zu stehen und an die Tür klopfen und sagen: HERR, HERR, tu uns auf! Und er wird antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht, wo ihr her seid? So werdet ihr dann anfangen zu sagen:
Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf den Gassen hast du uns gelehrt. Und er wird sagen: Ich sage euch: Ich kenne euch nicht, wo ihr her seid; weichet alle von mir, ihr Übeltäter. Da wird sein Heulen und Zähneklappen, wenn ihr sehen werdet Abraham und Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes, euch aber hinausgestoßen.

Und es werden kommen vom Morgen und vom Abend, von Mitternacht und vom Mittage, die zu Tische sitzen werden im Reich Gottes. Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.

„Ringet darnach, daß ihr durch die enge Pforte eingehet.“ (V. 24)

Welches ist wohl das letzte Ziel für all unsere geistlichen Bestrebungen, für unser Forschen und Lesen? Ist es nicht dieses, daß wir selig werden, daß wir hier in einem guten Verhältnis zu Gott stehen und im Tod zu Ihm heimgehen und allezeit bei Ihm sein werden? Müßten wir darum nicht stillhalten und untersuchen, ob unsere geistlichen Bemühungen auch von der Beschaffenheit sind, daß sie uns wirklich zu diesem seligen Ziele führen, damit wir weder „als aufs Ungewisse laufen, noch fechten, als die in die Luft streichen“?

Es ist notwendig, erst zu untersuchen, ob auch alle geistlichen Bestrebungen ans Ziel führen, und ob ein jeder, der in irgendeiner Weise nach dem Reiche Gottes trachtet, auch wirklich hineinkommen wird, oder ob es im Gegenteil nur einen Weg zum Leben gibt. Dann bleibt zu untersuchen, ob wir uns auf diesem allein selig machenden Weg befinden, so daß wir mit Freuden die Jahre zu Ende eilen sehen können, oder ob wir zuvor noch zu einem anderen Leben kommen müssen, bevor wir selig sterben können. – Traurig, schrecklich, wenn man nicht Gnade zu einer solchen Besinnung erhält! Traurig, schrecklich, wenn man die Sache mit dem Leichtsinn seiner fleischlichen Sicherheit abmachen kann, ohne Prüfung vor dem Herrn! Wer aber Gnade zur Besinnung erhält und wer gegen seine Seele aufrichtig sein will, der hüte sich davor, die Antwort auf seine Fragen aus der Luft zu holen oder sich niederzusetzen, um nur zu denken oder nachzusinnen und unmittelbare Antwort im Herzen zu erwarten. In so wichtigen Fragen darfst du auch nicht nach den Meinungen eines Menschen fragen, sondern mußt nur auf das Wort des Herrn achten, der am Jüngsten Tag richten wird. Deshalb führen wir einige bedenkenswerte Worte aus dem Mund Jesu an. Gott gebe uns Gnade, sie recht zu beachten!

Jesus sagt:

„Ringet danach, daß ihr durch die enge Pforte eingeht; denn viele werden, das sage Ich euch, danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden es nicht tun können.“

Hier wird die wichtigste Frage diese sein: Was bedeutet dies? Wie geschieht es, daß auch solche, die danach trachten, durch die enge Pforte einzugehen, es nicht werden tun können? Glücklicherweise hat der Herr auch dies erklärt. Und die Erklärung der Schrift darüber ist eine zweifache.

Die erste lautet so: Viele trachten nach dem Reiche Gottes, tun es aber nicht mit genügendem Ernst, um durch die enge Pforte eingehen zu können. Sie sind erweckt, aber nicht ganz wach; sie wollen Gott und Seine Gnade, aber auch die Welt und ihre Freundschaft haben. Sie wollen zwei Herren dienen und nicht alle Sünden fahren lassen.

Christus sprach: „Wer zu Mir kommt und haßt nicht sein eigenes Leben“, wer nicht um Meinetwillen alles fahren lassen kann – „Vater, Mutter, Bruder, ja, sein eigenes Leben -, der kann nicht Mein Jünger sein“ (Lukas 14, 26). – „Er ist gleich einem Menschen, der einen Turm baute, aber nicht hatte, es hinauszuführen“ (Lukas 14, 28). Er hat dann gewiß Mühe und Kosten daran gewandt, hat aber nichts davon. Es war ein reicher Jüngling, der Jesus nachfolgen wollte, es ließ sich aber nicht tun mit Beibehalten des Reichtums; und als er hörte, daß er diesen fahren lassen müßte, ging er betrübt von dannen.

So geht es vielen. Welch herzzerreißender Umstand, daß sie dann betrübt von dannen gehen! Sie waren der Pforte des Himmels so nahe. Sie sahen den Herrn und liebten Ihn in gewisser Weise, waren aber gezwungen, von Ihm wegzugehen, denn sie konnten nicht alles um Seinetwillen verlassen. Sie trachteten also danach, hineinzugehen, konnten es aber nicht tun. – Andere gehen unwissend, in falschem Troste fern vom Herrn; sie meinen, daß sie Ihm angehören, obwohl ihnen die Kennzeichen der Neugeburt und der neuen Kreatur fehlen. – Noch andere wollen wohl um alles in der Welt das Suchen nicht aufgeben, meinen auch nicht, daß mit ihnen alles schon gut stehe; das eigentliche Eingehen durch die Pforte aber schieben sie fortwährend auf. Sie denken an die Bekehrung und den Glauben, ihre eigene Bekehrung aber vorzunehmen, oder jetzt Gnade und Versöhnung mit Gott zu suchen und die Gabe des Glaubens, das Leben und den Frieden des Glaubens zu suchen, daraus wird nichts, weil sie zögern und warten, bis es zu spät ist. Sie zögern ein Jahr nach dem anderen und meinen, daß der Herr immer auf sie warten und ihnen die Tür nicht zuschließen würde, bevor sie hineingegangen sind; so werden sie betrogen, daß sie schließlich nicht hineingehen können.

Die andere Ursache ist viel schwerer zu fassen, sie ist „der eigentliche Stein des Anstoßes und der Fels des Ärgernisses“. Viele werden so ernstlich danach trachten, durch die enge Pforte einzugehen, daß sie deshalb Vater, Mutter, Brüder verlassen, ja, daß sie ihr eigenes Leben drangeben können, sie werden aber nur deshalb nicht eingehen können, weil sie nicht einer Sache entsagen wollen, an der sie noch mehr als an ihrem Leben hängen, nämlich an ihrer eigenen Meinung und dem Ansehen ihrer eigenen Bekehrung und Entsagung. Mit anderen Worten: Sie trachten danach, durch die enge Pforte einzugehen, lassen sich aber nicht sagen, wo diese ist, sondern gehen darauf los und stoßen mit dem Kopf gegen die Mauer, wo keine Pforte ist. Das sind die Leute, die Jesus mit dem Manne auf der Hochzeit beschreibt, der kein hochzeitliches Kleid anhatte, und mit den Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und dem Bräutigam entgegengingen, aber kein Öl in ihren Gefäßen mit sich nahmen. Sie haben Christus und den Glauben zwar in der Lehre, im Verstand und im Mund, im Herzen aber ist etwas anderes ihr Weg, etwas anderes ihnen wichtiger – nämlich das, was sie selbst „durch Gottes Hilfe“ sein und tun sollen.

Geht drum hin und fallet nieder,
Bittet: Herr, erforsche mich;
Sucht das Wort, durchsucht es wieder,
Prüft euch doch ganz ernstiglich,
Laßt euch sagen und zerschlagen,
Wenn euch Gott im Worte lehret,
Daß ihr Ihm nicht angehöret.

(Carl Olof Rosenius)

Weitere Quellen zum Vers:

Betrachtung zum Schriftwort von Winrich Scheffbuch aus dem Andachtsbuch „Wer Jesus hat, hat das Leben“ [Download als pdf von sermon-online.de]

Predigt zum Schriftwort von Franz Heinrich Härter: Gehet ein zu der engen Pforte

Ringe recht, wenn Gottes Gnade
dich nun ziehet und bekehrt,
daß dein Geist sich recht entlade
von der Last, die ihn beschwert.

Ringe, denn die Pfort ist enge,
und der Lebensweg ist schmal;
hier bleibet Alles im Gedränge,
was nicht zielt zum Himmelssaal.

Kämpfe bis aufs Blut und Leben,
dring hinein in Gottes Reich:
will der Satan widerstreben,
werde weder matt noch weich.

(Johann Joseph Winckler)

Eingestellt am 17. März 2021