Und ich hörte eine Stimme vom Himmel zu mir sagen: Schreibe:
Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben, von nun an. Ja der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit, denn ihre Werke folgen ihnen nach.
(Offb. 14, 13)
O, wie mag es einer Seele sein, die sich durch viele Leiden für den Himmel zubereiten und demütigen ließ, wenn ihr nun die Erlösungsstunde schlägt! Es mag ihr sein wie einem Vogel, der aus seinem Gefängnisse ausfliegt und auf den ersten Baum sich setzt, um ein Loblied anzustimmen. So wird es der Seele des armen Lazarus ergangen sein; sie wird dem Herrn Lob und Anbetung dargebracht haben, daß sie nun von allem Übel und Leiden befreit war. Ein Glaubiger stirbt nicht, sein Elend stirbt nur. Da kommt auf das Kreuz Freude, auf die Unruhe Ruhe, auf die Thränensaat Freudenernte, auf die Trübsal dieser Tage eine ewige Wonne, auf die kurze Nacht ein ewiger Morgen, auf die kurze Gefangenschaft eine ewige Freiheit; das ist eine große, herrliche Veränderung. Lazarus durfte ausruhen in Abrahams Schooß; so war es im Alten Testament. Im Neuen Testament ist es eine Friedensfahrt zu Christo, unserm HErrn; da lebt man bei ihm und in seiner Gemeinschaft. Er hat sich dies ja erbeten von seinem himmlischen Vater. »Vater, ich will« – sagte er – »daß, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast.« O ihr Lieben! Wenn der Himmel noch so schön, noch so herrlich wäre, und es wäre nicht Jesus darinnen, was hätte eine Seele davon, die ihn liebt? Ich will nicht sagen, daß es eine Hölle wäre; aber es wäre doch auch kein Himmel. Aber das ist das Größeste, daß eine Seele, die ihn in diesem Leben nicht gesehen und doch geliebt hat, ihn nun fortlieben und sehen darf, so wie er ist. Das geht über alles, zu Jesu zu kommen, von ihm gnädig angesehen zu werden und ihn zu schauen, den ewigen Liebesmagnet einer glaubigen Seele, die Sonne der Gerechtigkeit, den guten, treuen Hirten, und ihm zu dienen in seinem Reiche in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit. Wann wir werden in den Himmel eingehen, so werden wir freilich auch nach den alten Vätern fragen, nach einem Abraham, Moses, Elias und den andern Propheten, und auch nach den Aposteln; aber die Hauptfrage wird sein nach dem, den die ganze Seele liebt, nach Jesu Christo.
Nicht nach Welt, nach Himmel nicht,
Meine Seele wünscht und sehnet;
Jesum wünscht sie und sein Licht,
Der mich hat mit Gott versöhnet,
Der mich frei macht vom Gericht,
Meinen Jesum laß ich nicht.
Quellen:
Andacht: Erbauungs- und Gebetsbuch für alle Tage, nebst einem Anhang von besonderen Gebeten – Aus den hinterlassenen Handschriften und aus den Predigten des sel. Verfassers von Ludwig Hofacker † Pfarrer in Rielingshausen. Aus den hinterlassenen Handschriften des seligen Verfasssers. Herausgegeben von G. Klett, Pfarrer in Barmen. Dritter Abdruck. Stuttgart 1879, S. 469ff. Druck und Verlag von J. F. Steinkopf. [Digitalisat bei Google Buchsuche]
Liedvers: Christian Keimann, „Meinen Jesus laß ich nicht„
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Unser Text gibt uns auf drei Fragen eine Antwort.
1. Wer gehört zu den selig Vollendeten?
Viele Menschen sind mit dieser Frage schnell fertig. Jeder Verstorbene ist bei ihnen ohne weiteres „selig“. Die Bibel spricht aber anders. Sie preist nicht jeden, der aus dem Leben scheidet, selig, sondern nur diejenigen, „die in dem Herrn sterben“.
Längst nicht alle Menschen sterben „in dem Herrn“, d. h. in echter, wahrer Gemeinschaft mit Gott. Viele wollen seine Gemeinschaft nicht. Ja, sie fliehen vor ihr. Wer aber wirklich „in dem Herrn“ stirbt, der gehört zu den selig Vollendeten. Darum sei dies unsere wichtigste Sorge, dass wir „in dem Herrn“ erfunden werden.
Im Glauben an Jesus gewinnen wir solche Gottesgemeinschaft. In ihr sind wir im Leben und im Sterben, in Zeit und Ewigkeit völlig bewahrt und geborgen. Dann werden wir bei unserm Tode nicht etwa nur von falschen Lobrednern selig gepriesen, sondern vom Herrn selbst.
2. Welches Los haben die selig Vollendeten?
In unserer Zeit gibt es Leute, die zu Zauberern und Wahrsagern, zu Spiritisten und Schwärmern laufen, um etwas über das Los ihrer Abgeschiedenen zu erfahren. Welche Torheit! „Soll nicht ein Volk seinen Gott fragen?“ (Jes. 8, 19). Gottes Wort gibt uns die beste und sicherste Auskunft.
Auch unser Text schenkt uns einen köstlichen Lichtblick. Er spricht von einem „Ruhen“ der im Herrn Entschlafenen: „Ja, der Geist spricht, dass sie ruhen von ihrer Arbeit.“ Wie köstlich ist der Ausdruck „ruhen“ für einen treuen Arbeiter!
Als die Kinder Israel das Land Kanaan unter Josua eingenommen hatten, „gab der Herr ihnen Ruhe von allen umher“ (Jos. 21, 44). Von David heißt es nach kampfesreichem Leben, daß „der Herr ihm Ruhe gegeben hatte von allen seinen Feinden umher“ (2. Sam. 7, 1). Wie köstlich muß diese Ruhe für Israel und David gewesen sein! Aber was ist Israels und Davids Ruhe gegen jene Ruhe, die „noch vorhanden ist dem Volke Gottes“ (Hebr. 4, 9)!
Die Seligen haben hienieden oft unter Kampf und mit viel Mühe ihr Tagewerk ausgeführt. Nun ist es vollendet! Ein Mose braucht dort kein murrendes Volk mehr durch die Wüste zu führen, ein Elia keinen gottlosen Ahab zurechtzuweisen. Ein Paulus braucht nicht mehr Tag und Nacht unter Tränen zu ermahnen (Apg. 20, 31). Ein Johannes wird nicht mehr von Diotrephes verleumdet (3. Joh. 9f.). Sicherlich wartet manch seliger Dienst dort auf die Knechte des Herrn. Aber von all ihren Mühen und Kämpfen werden sie ausruhen und wie ein Lazarus in Abrahams Schoss getröstet werden (Lk. 16, 23).
3. Was nehmen die selig Vollendeten von ihrem Erdenleben mit?
Tausend Dinge werden sie zurücklassen. Weder Reichtum noch Häuser, weder Ehre noch sonstiger Besitz werden mitgehen. Aber doch gibt es Dinge, die wir drüben wiederfinden werden: „Ihre Werke folgen ihnen nach!“
Alles, was die Seligen in göttlichem Auftrag ausrichteten, der ganze Ertrag ihrer Arbeit soll drüben offenbar werden. Jeder Segen, den sie zurückließen, jedes Wort und jede Tat, die aus der Gemeinschaft mit Gott herausflossen, wird sich dort als Samenkorn zeigen, das eine herrliche, nie aufhörende Ernte zeitigt (Gal. 6, 9).
Gewiß werden dort viele Taten und Werke, die nur aus Eitelkeit und mit allerlei selbstsüchtigen Hintergedanken vollbracht wurden, als nichts erscheinen. Aber die Werke, die in Gott geschehen sind, werden wie Edelsteine glänzen. Paulus wird seine Gemeinden, um die er heiß im Gebet und in treuer Arbeit kämpfte, wiederfinden. Die Mutter Augustins, die jahrelang anhaltend um ihren verlorenen Sohn flehte, wird die Frucht ihrer Gebete dort schauen. Alle Geduldsarbeit, aus der man hier unten nicht viel Wesens machte, wird dort in ihrer Schönheit offenbar werden. Mancher verborgene Dienst, den Menschen nicht beachteten und rühmten, wird dort mehr gelten als große Leistungen berühmter Redner.
So gewiß es die biblische Wahrheit ist, daß alle diese Werke nicht vorausgehen werden, um die Himmelstüre zu öffnen, ebenso gewiß ist es nach der Schrift, dass dieselben wie ein herrliches Geleit nachfolgen werden. Wohl allen, die an solcher Freude teilhaben!
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Am heutigen Festtag bekennt die streitende Kirche ihren Zusammenhang mit der triumphierenden Kirche. Die ganze Gemeinde ist Ein Leib, und es ist von großer Wichtigkeit, daß wir uns darüber ganz klar sind. Alle im Herrn Entschlafenen sind selig, sie ruhen von ihrer Arbeit, denn sie sind daheim beim Herrn. Ihre Werke folgen ihnen nach; alles, was sie im Glauben und in Liebe zum Herrn hienieden getan haben, begleitet sie in die Ewigkeit, der Herr lohnt es ihnen. Allein dieser ihr seliger Zustand ist noch nicht der Stand der Vollendung. Dieser tritt erst ein bei der Zukunft unseres Herrn Jesu Christi, wenn alle, die im Herrn entschlafen sind, auferstehen werden. Mit der Auferstehung des Leibes und der Entrückung in die Herrlichkeit tritt die Vollendung der im Herrn Entschlafenen ein. – Wir sollen aber mit ihnen vollendet werden, Hebr. 11, 40. Es ist daher klar, daß die selig Heimgegangenen auf uns warten müssen. Je untreuer die streitende Gemeinde ist, je weniger sie sich zubereitet auf die Zukunft unseres Herrn Jesu Christi, desto länger muß der Herr verziehen mit Seiner Zukunft, und desto länger müssen die Heimgegangenen auf ihre Vollendung warten.
Wollen wir den heutigen Festtag dem Herrn wohlgefällig feiern, so müssen wir uns vergegenwärtigen, daß wir die Liebe zu den in Christo Entschlafenen am besten dadurch beweisen, daß wir uns zubereiten auf die Zukunft unseres Herrn Jesu Christi, und mit der ganzen Brautgemeinde, der hienieden und der drüben, rufen: Komm bald, Herr Jesu! Wann der Herr kommt, dürfen die in Ihm Entschlafenen auferstehen, und wir, die wir Seine Zukunft im Leibe erleben, werden verwandelt werden, und mit den Auferstandenen hingerückt werden dem Herrn entgegen, um bei Ihm zu sein allezeit, 1. Thess. 4, 16.17. Also die selig Heimgegangenen warten auf uns; sind wir träge, so verlängern wir ihren Wartezustand; sind wir treu, so verkürzen wir ihn. Aber nicht nur sie warten; auch die ganze seufzende Kreatur wartet auf die Vollendung der Kinder Gottes. Erst dann, wenn die Brautgemeinde Jesu Christi mit Christo regieren wird, wird die Hilfe für die ganze, unter dem Fluch der Sünde seufzende Kreatur anbrechen, Röm. 8, 19 – 21.
Haupt Deiner Gemeinde! Habe Dank! daß wir in Dir mit allen selig Entschlafenen Gemeinschaft haben. Bereite uns zu durch Deinen Geist und vereinige uns bald mit Deiner oberen Gemeinde. Amen.
Quelle: Suchet in der Schrift. Tägliche Betrachtungen für das ganze Jahr mit Anhang, S. 384. Von E. Schrenk. 2. Auflage, 32. bis 36. Tausend. Kassel. Druck und Verlag von Ernst Röttger, 1892.
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Das ist ein wunderbar starkes Wort, das uns Mut machen will, den Willen Gottes zu tun.
Zwei Tatsachen nennt uns in dem Wort der Geist Gottes, durch die Er uns ermuntern will, unser Leben in den Dienst des Herrn zu stellen. Die erste ist dies: Es folgt ja die große, herrliche Ruhe. Wir haben es sicher alle schon erlebt, wie der Gedanke an Feiertage den Tagen vorher neue Kraft gab. „Ach, bald sind ja die Feiertage; dann kann man ausruhen!“ sagt manche müde Hausfrau oder Verkäuferin vor Weihnachten. Und dann strömt ihr aus dieser Hoffnung neue Kraft zu.
So geht es den Jüngern Jesu. „Wir werden ruhen von unserer Arbeit“, sagen sie, „darum laßt uns jetzt unser Leben nicht lieb haben, sondern es einsetzen im Dienst am Reiche Gottes und am Nächsten.“
Und eine zweite Tatsache soll uns Mut machen, unser Leben für den Herrn einzusetzen: Es geht nichts verloren! Mag ein Werk noch so im Verborgenen geschehen, – Gottes Augen haben es erschaut. „Ihre Werke folgen ihnen nach.“ Sie folgen nach! Ein alter Christ hat gesagt: „Die Werke gehen einmal nicht vor uns her als Herolde, um uns das Tor des Himmels zu öffnen. Das kann nur das teure Blut Jesu. Aber sie folgen nach, sie sind nicht verloren.“ So laßt uns eifrig sein, daß unser Leben ein Dienst werde! Amen.
(Pastor Wilhelm Busch)