Saget den verzagten Herzen: Seid getrost, fürchtet euch nicht! (Jesaja 35, 4a)
Ich habe einmal in den Brüdergemeinde-Sammlungen gelesen, daß Zinzendorf gefragt wurde, was zur wahren Buße gehöre oder wann eine Menschenseele so sei, daß sie der Heiland ergreifen könne? Seine Antwort war: „Wenn sie angefangen hat, an sich selbst zu verzagen.“ ─
Glaubet ihr das nicht auch für andere, ihr Verzagten? Aber nicht wahr, in Absicht auf euch selbst steigt euch sogleich folgendes „Aber“ auf: „Aber ich verzage ja nicht an mir selbst, ich bin ja noch nicht wahrhaftig arm und ausgezogen; ich sehe wohl, daß alle meine Sache nichts ist, aber mein Herz will es nicht recht glauben, und wenn es auch öfters mit Gewalt darauf hingezogen wird, so fällt es bald wieder in seinen vorigen Hochmut zurück.“ ─
Wie lange können wir uns mit solchen Gedanken plagen, bis wir uns aufdecken lassen, daß wir ja eben in dem Arm- und Ausgezogensein unsere eigene Gerechtigkeit suchen. O was ist das für eine Tücke vom Satan, womit er die Seelen von ihrem Erbarmer zurückhält; ein um so feinerer Schlich, weil er sich hier in das Gewand der Demut hüllt. Laß aber dein Herz noch so selbstgerecht und hochmütig sein: du machst dasselbe wahrlich nicht anders, und wenn du es auch Jahrtausende hindurch zum Armsein zwingen wolltest. Laß das alles stehen, der Heiland hat schon seine Mittel dazu.
Denn es ist doch ein großer Unterschied dazwischen, ob man die guten Hoffnungen von sich aufgibt oder ob man ein ganz ausgezogener Sünder ist. Hat ein Mensch nur die Erkenntnis von seinem Elend und von der Unentbehrlichkeit seines Heilands, dann mag das Herz sagen, was es will: siehe, ein solcher Mensch ist fähig zum Reich Gottes. Christus ist uns zuerst gemacht zur Weisheit und zur Gerechtigkeit, danach zur Heiligung; Beugung des Herzens aber gehört ja zur Heiligung. Und wie seltsam wäre doch das, wenn jemand sagen wollte: Ich kann mir die Last (die drückende Last des Hochmuts und der Selbstgerechtigkeit des eigenen Herzens) nicht abnehmen lassen, sie drückt mich noch nicht genug?!
O Gottes Lamm! Mein Element
Ist einzig dein Erbarmen,
Dein Herz, das zu mir wallt und brennt,
Mit off’nen Liebesarmen;
Dein Blut, wie es am Kreuze floß
Und alle Welt mit Heil begoß.