…daß ihr wandelt, wie sich’s gebührt eurer Berufung, mit der ihr berufen seid, mit aller Demut und Sanftmut, mit Geduld [μακροθυμίας – makrothymias], und vertraget einer den andern in der Liebe; (Epheser 4, 1b.2)
So zur Not sich schließlich hineinschicken in des andern Sonderart, in seine Wunderlichkeiten und seine Engherzigkeit, das bringt man mit etwas gutem Willen und einem bißchen Gebetsleben schon fertig. Ihn ertragen – das deutet darauf hin, daß er uns schon mehr Last macht, und dann werden wir noch mehr um Kraft und Geduld bitten müssen. Aber vertragen scheint noch mehr zu sein! Das klingt so, als läge Streit und Gegensatz in der Luft, und man soll doch derjenige sein, der für die höhere Einigkeit sorgt.
Das ist nur möglich, wenn Liebe von Jesus vorhanden ist. Nur die Liebe, die darauf aus ist, dem andern zur Erreichung seines wahren Lebenszweckes zu verhelfen, kann es verstehen, daß gerade die täglichen Reibflächen der Punkt sind, wo die Hilfe offenbar werden muß. Wenn der andere auch ein Christ ist und ihm dieselbe Klarheit zuteil geworden ist, dann ist das Schwerste schon überwunden; dann wird man sich im gleichen Liebesstreben eher verstehen und finden. Ist der andere nicht gläubig, so ist es natürlich schwerer, weil von seiner Seite weder Verständnis noch Mithilfe zu erwarten ist. Aber vielleicht ist das die Stelle, wo der andere gewonnen werden kann.
Herr Jesus, nimm dich unser an und fülle uns die Seele mit deiner Liebe. Hast du uns in dem andern eine besondere Aufgabe gestellt, dann hilf uns, sie auch zu lösen in deiner Kraft. Wir schauen auf dich.
Amen.
Portraitfoto: Keller, Samuel, Pfarrer in Düsseldorf; aus Bestand: AEKR Bibliothek BK3005
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Abraham, der Knecht Gottes, sprach einst zu Lot, als das Land nicht mehr ausreichte für die Herden Beider, und alle Tage Streit war zwischen ihren Knechten: „Lieber, laß nicht Zank sein zwischen mir und dir, zwischen meinen Hirten und deinen Hirten, denn wir sind Gebrüder“. Von der ersten Christengemeinde zu Jerusalem, diesem Musterbilde christlicher Eintracht, heißt es: „Die Menge der Gläubigen war Ein Herz und Eine Seele“. Und selbst die Heiden mußten den Christen nachrühmen: Sehet, wie haben sie sich so lieb! Wie stehet es aber bei uns mit dem Frieden und der Eintracht? Ist nicht überall unter den Menschenkindern Neid und Mißgunst, Haß und Feindschaft, Zorn und Rache? Will nicht Jeder in Hoffart allen Raum für sich haben, sich auf Kosten des Andern erhöhen, und Keiner dem Andern weichen? Ist nicht manches Haus eine Wohnung böser Geisler, weil zwischen Mann und Weib, Eltern und Kindern, Brüdern und Schwestern, Herren und Knechten Streit und Unfrieden vom Morgen bis zum Abend herrscht? In solche friedlose Herzen und Häuser ruft der Apostel Paulus: „Vertraget Einer den Andern in der Liebe!“ Wir müssen Einer den Andern vertragen. Es ist Keiner von uns ohne Schwächen und Gebrechen, auch der Allerbeste nicht. Soll uns der Nächste tragen, so müssen wir ihn auch tragen. Hat Gott Geduld mit unsern Sünden, so dürfen wir nicht schon die Geduld verlieren, wo sich der Nächste an uns einmal oder etliche Mal versündigt und uns wohl nur mit seiner Unerfahrenheit beschwerlich fällt. Als Kinder Eines Vaters, als Knechte Eines Herrn, als Erlöste Eines Heilandes, als Erben Eines Himmels wollen wir einander die Hand reichen und Einer den Andern vertragen nach dem Spruch:
„Siehe, wie fein und lieblich ist es, wenn Brüder bei einander wohnen!“
(Christian Wilhelm Spieker)
Quelle: Glaubensstimme – Die Archive der Väter: Epheser, Kapitel 4
Querverweise
Und vertrage einer den andern und vergebet euch untereinander, so jemand Klage hat wider den andern; gleichwie Christus euch vergeben hat, also auch ihr. (Kolosser 3, 13)
Da trat Petrus zu ihm und sprach: HERR, wie oft muß ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Ist’s genug siebenmal? Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: Nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal. (Matthäus 18, 21f)
Übersicht: Der Brief des Paulus an die Epheser – Epheser 4
Diese Schriftstelle ist der Tagesvers vom 22. November 2024