Rosenmüller, Johannes, aus Chursachsen ; über seine frühern Schicksale ist nichts bekannt. Zuerst erscheint er im Jahr 1647 zu Leipzig als Collaborator an der St. Thomasschule und 1648 als Musikdirector und Vorsteher eines eigenen Chors neben dem Cantor Tobias Michaelis, dem Nachfolger J. H. Scheins. Wahrscheinlich würde er nach dessen Tod im J. 1657 bei seinem Geschick und seinen vorzüglichen Gaben dessen Nachfolger geworden seyn, wenn ihn nicht im J. 1655 eine schwere Anklage als Verführer seiner Schüler zu unzüchtigem Treiben in peinliche Haft und Untersuchung gebracht hätte. Er wußte Mittel zu finden, nach Hamburg zu entfliehen, von wo aus er, wiewohl fruchtlos, den Churfürsten Johann Georg schriftlich angefleht und seiner Bittschrift das für ihn von dem Rector Joh. Georg Albinus in Naumburg, seinem frühern Leipziger Freund, dazu verfaßte Lied „Straf mich nicht in deinem Zorn“ mit einer von ihm selbst dazu gefertigten Melodie beigefügt haben soll.
Von Hamburg begab er sich nach Italien, wo er sich meist in Venedig aufhielt und sich im Sinne der dortigen Tonschule bei einem Rovetta, Legrenzi, Ziani weiter ausbildete. Von dort berief ihn dann der Herzog von Braunschweig=Wolfenbüttel als Capellmeister nach Wolfenbüttel. Hier machte er durch ein unsträfliches Leben seinen frühern Fehltritt vergessen, so daß er sich bis an seinen Tod im J. 1686 vollends der allgemeinsten Hochachtung zu erfreuen hatte. An seiner Kunst hat er sich über die ihn treffenden schweren Geschicke ausgerichtet und ernstlich nach stets größerer Läuterung seines zuvor der Weltlust zugewandten Sinnes gestrebt. Solchen Geist athmet ein trefflicher Satz von ihm über lateinische Worte, in denen das Gebrechliche der menschlichen Natur beseufzt der vielfache Kummer in dieser Welt in sanften Klagetönen beweint, dann aber der verblendete Sterbliche zu den himmlischen Freuden hingewiesen wird.
Es sind hauptsächlich drei jetzt noch allgemein gebräuchliche, auf Lieder des mit ihm während seiner Studienzeit in Leipzig 1645─1653 befreundet gewordenen Dichters Joh. Georg Albinus, nachmaligen Rectors und zuletzt Pastors in Naumburg (Bd. III, 392 ff.) gefertigte Melodien, welche ihm mit mehr oder weniger Sicherheit zugeschrieben werden:
„Alle Menschen müssen sterben“ ─ kurzer Abriß der Seligkeit, verfaßt von Albinus für das Begräbniß des Kaufmanns Paul v. Henßberg 1. Juni 1652.
_ _ _ a d a h a g fis fis ─ hievon der älteste Druck in der 19. Ausg. der Praxis piet. mel. Berl. 1678. **)
„Straf mich nicht in deinem Zorn“ ─ Bußpsalm 6. s. S. 131.
später angewandt auf:
„Mache dich, mein Geist, bereit“ ─ über die Worte „Wachet und betet“ von Freystein.
Zuerst im Geistreichen G., Darmstadt 1698., mit Verweisung auf die Mel. „Straf mich nicht“.
_ _ _ fis _fis _g _a _a _d _e _fis ─ hievon ältester Druck in „Hundert anmuthig und sonderbahr geistl. Arien“, dem neuen G. als ein Anhang beigeleget, Dresden 1694. ─ mit der Ueberschrift: Incerti Melodia propria.
„Welt ade, ich bin dein müde“ ─ die himmlische Ruhestätte, verfaßt für das Begräbniß eines Töchterleins des Archidiac. Abr. Teller an St. Nicolai in Leipzig, 27. Febr 1649.
_ _ _ h h d h c a h a.
Seine Thätigkeit für den Gemeindegesang ist übrigens hierauf beschränkt; das Hauptwerk nun aber, mit welchem er den italienischen Concertgesang ausgebildet hat, sind seine „Kernsprüche, meistentheils aus heiliger Schrift alten und neuen Testaments“ vom J. 1648 und 1653, biblische Texte nach Concertweise gesetzt. Was die spätern großen Meister des achtzehnten Jahrhunderts besonders ein Joh. Sebast. Bach, Händel etc. im geistlichen Kunstgesang leisteten, haben sie meist ihm zu verdanken. Er behandelt in diesem Werk, wie Schütz, keine der Gemeinde bekannte Kirchenweise, sondern blos irgend ein selbst erlesenes Schriftwort in ungebundener Rede, dem seine Betonung in den neu erfundenen italienischen Satzformen gegeben wird, und wobei natürlich die Liedform und deren kunstgemäße Entwicklung, von welcher Eccard so herrliche Muster geboten hatte, vernachläs sigt und eben damit auch solcher Kunstgesang vom Gemeindegesang losgetrennt ist. Bloß durch Ebenmaß in der Behandlung der einzelnen Sätze oder Verse des ungebundenen Schrifttextes und durch äußerlich hervorgehobene künstlerische Beziehung dieser selbstständig ausgestalteten Theile des Ganzen ließ er einigermaßen eine Art Strophenbau hervortreten, in welchem jene Sätze als Liedzeilen erscheinen konnten, die sich selbst auch als Auf= und Abgesang einander gegenüber ordneten. So zeigt sich zwar einigermaßen der Einfluß, den die Liedform, welche ganz verdrängt werden zu wollen schien, ausübte; leicht faßlich, gleich dem einer Liedweise, war aber dieser Anklang an einen Strophenbau bei Rosenmüller für die Mehrzahl der Gemeindeglieder durchaus nicht, sondern konnte sich bloß dem künstlerischen Sinne vollkommen erschließen.
Quelle:
Geschichte des Kirchenlieds und Kirchengesangs der christlichen, insbesondere der deutschen evangelischen Kirche. Von Eduard Emil Koch, Dekan, ordentlichem Mitglied der historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig. Erster Haupttheil: Die Dichter und Sänger. Vierter Band. Dritte umgearbeitete, durchaus vermehrte Auflage. Stuttgart. Druck und Verlag der Chr. Belser’schen Verlagshandlung. 1868 [Digitalisat]
Grabinschrift
Beigesetzt ist Johann Rosenmüller im Bereich der Wolfenbütteler Kirche St. Johannis. Dort befindet sich ein Epitaph mit folgender Inschrift (in deutscher Übersetzung):
JOHANN ROSENMÜLLER,
der Amphion seines Jahrhunderts,
aus Oelsnitz im Voigtlande,
hat nach 30-jährigem Studium der Italiener,
nachdem er die Anleihe in Deutschland im Dienste des Fürsten
unter den Kunstfreunden als Kapellmeister zurückerstattet hatte,
die Macht des unentrinnbaren Schicksals,
nachdem seine Zeit durch den Ablauf von 13 Lustren* erfüllt war,
hinweggerafft.
Darum weh! wird dürr der durch den Südwind verheerte Rosengarten!
Jene süße, herzrührende und rosige Weise ist verklungen.
Der Mühle ist Ruhe verkündet! Schweiget!
Erloschen ist die Leuchte, die weit über Europa hin strahlte!
Weine! Weine Wanderer!
Doch mit Maß. Nicht ganz ist er der Totengöttin anheim gefallen.
In seinem edleren Teil lebt er ewig, die Krone der Musik.
Es lebt des Rosenduftes heftiges Strömen,
da in dem herzoglichen Heiligtum das Bleibende der Rosen aufbewahrt ist,
das in dem süßen Wohlklang der tönenden Gesänge
bald wieder genossen werden mag.
Geh, Wanderer, sorge [dafür],
dass du einst dem symphonischen Chor der Himmlischen dich gesellst!
Im Jahre Christi 1684.
*) 1 Lustrum: Zeitraum von 5 Jahren, Jahrfünft
Quelle:
Übersetzung aus August Horneffer: Johann Rosenmüller. Zit. auf der Seite „Johann Rosenmüller“ bei Wikipedia (DE).
Weblinks und Verweise
Seite „Johann Rosenmüller“ bei Wikipedia (DE)
Liedeintrag „Welt ade, ich bin dein müde“ und Melodieseite bei Hymnary.org