Verachtest du den Reichtum der göttlichen Güte, Geduld und Langmütigkeit? Weißt du nicht, daß dich Gottes Güte zur Buße leitet?
(Römer 2, 4)
Es liegt in allen Begegnungen und Offenbarungen Gottes etwas, das auf Buße hinleitet. Wenn etwas von der Größe und Kraft Gottes offenbar wird im Herzen, so liegt sehr nahe dabei das Gefühl unserer Kleinheit und Nichtigkeit, und die Güte Gottes führt natürlich und geschwinde auf unsere Unwürdigkeit; wenn er aber seine Heiligkeit im Gewissen offenbart, so wird ja eben dadurch unsere Schuld und Strafwürdigkeit entdeckt. Gehet hinaus auf das Feld, ist nicht jeder Baum und jede Pflanze ein beschämender und verdammender Zeuge gegen uns? Ein Baum ist das, wozu ihn Gott bestimmt hat, ein unverfälschtes Meisterstück Gottes: wer bin aber ich? Zu einem heiligen und seligen Gottesmenschen bin ich bestimmt, Früchte soll ich tragen, die da bleiben ins ewige Leben, und nun, wo sind die Früchte und wo ist der heilige Gottesmensch? Ja, eine verkrüppelte, vergiftete, faule Sündenpflanze ist er geworden. Und wenn Gott unsere Felder und Weinberge segnet, muß uns das nicht auf das Tiefste demüthigen?
Jeder Tropfen, jeder Bissen,
Den mir deine Hand beschert,
Rufet mir in mein Gewissen:
Bist du auch des Einen werth?
So liegt in allen Begegnungen und Offenbarungen Gottes an unserem Herzen etwas,
das zur Buße treibt; ja daran magst du eben unterscheiden, ob ein Zug, der an dein
Herz kommt, göttlich ist, oder ob er etwas Selbstgemachtes, durch die Kräfte deiner
Natur Bewirktes ist. Wenn du die herrlichsten Empfindungen von Gott und göttlichen
Dingen in deinem Herzen hast und deine eigene Nichtigkeit, deine Jämmerlichkeit wird
dir dabei nicht klar und offenbar, so sind jene Empfindungen gewiß nicht göttlicher
Natur. Denn zu Anerkennung unseres Elendes, unserer Sünde, d. h. zur Wahrheit will
uns Gott allenthalben leiten. Dieß sehen wir an der ganzen Bibel; sie predigt von vorne
bis hinten die Sünde, das Elend der Menschen, d.h. sie predigt Buße. Buße predigt
das Gesetz; Buße predigt das Evangelium; es ist kein Blatt in der Bibel, das nicht auf
irgendeine Weise Buße predigte, d. h. die Sünde, die Strafwürdigkeit, die Vergänglichkeit, Kleinheit und Hilflosigkeit des Menschen vor Augen stellte. Alle Züge Gottes an den Herzen der Menschen zielen auf ihre Demütigung.
Wer sich nun dieses gefallen lässt, wer dem Zuge Gottes folgt und läßt sich seine
Sünde und Hilflosigkeit, die ihm Gott allenthalben offenbaren will, in das Licht stellen,
ein solcher Mensch wird Christum, den Heiland der Sünder, den Bürgen, der genug
gethan hat für uns, den Arzt, der alle Gebrechen heilen kann, suchen, und wenn er ihn
ernstlich sucht, so wird er ihn auch finden.
Gottes liebste Kinder
Gehn als arme Sünder
In den Himmel ein;
Und die blinde Menge
Kann im Weltgedränge
Doch so sorglos sein!
Ach, die Welt!
Welch Totenfeld!
Wieviel trägt, HErr,
Dein Erbarmen!
Trag auch mich,
Den Armen!
Quelle:
Ludwig Hofacker
† Pfarrer in Rielingshausen:
Erbauungs- und Gebetbuch für alle Tage, nebst einem Anhang von besonderen Gebeten –
Aus den hinterlassenen Handschriften und aus den Predigten des sel. Verfassers.
Herausgegeben von G. K., Stuttgart 1869.
Druck und Verlag von J. F. Steinkopf.
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