Zu derselben Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, HERR, daß du zornig bist gewesen über mich und dein Zorn sich gewendet hat und tröstest mich. (Jesaja 12, 1)
Es ist dieses eine Weissagung, die alsdann erfüllt werden wird, wenn das Volk Israel ein begnadigtes und mit den Gaben des Heiligen Geistes reichlich gesegnetes Christenvolk sein, und den Heiden selbst mit seinem Licht vorleuchten wird. Vor diesem gesegneten Zustand geht ein anderer her, bei welchem Israel den Zorn Gottes empfindlich spüren wird. Die Beschreibung dieses Zustandes findet man in andern Weissagungen, die auf eben diese Zeit zu deuten sind. Jes. 54, 7.8. spricht der HErr: Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen; Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen; und V. 11: Du Elende, über die alle Wetter gehen, und du Trostlose. Jes. 51, 17.19.20. aber wird von Jerusalem gesagt:
Du hast von der Hand des HErrn den Kelch Seines Grimms getrunken, die Hefen des Taumelkelchs hast du ausgetrunken, und die Tropfen geleckt; diese zwei sind dir begegnet, wer trug Leid mit dir? Da war Verstörung, Schaden, Hunger und Schwert, wer sollte dich trösten? Deine Kinder waren verschmachtet; sie lagen auf allen Gassen, wie ein verstrickter Waldochse, voll des Zorns vom HErrn und des Scheltens von deinem Gott.
Diese und andere Beschreibungen stellen die Not Israels als sehr groß vor, wenn aber der HErr demselben wird Gnade und Licht und auch eine Errettung von der leiblichen Not haben widerfahren lassen, so wird es zur selbigen Zeit sagen:
Ich danke Dir, HErr, daß Du zornig gewesen bist über mich, und dein Zorn sich gewendet hat, und tröstest mich. Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher, und fürchte mich nicht; denn Gott, der HErr ist meine Stärke, und mein Psalm, und ist mein Heil, u.s.w.
Ein jeder Mensch erlebt eine Zeit oder auch Zeiten, da er sagen muß: Ich will des HErrn Zorn tragen, denn ich habe wider Ihn gesündigt, Mich. 7, 9.; oder: Deine Pfeile, o Gott, stecken in mir, und Deine Hand drückt mich, Ps. 38, 3.; oder: Du hast mich in die Grube hinuntergelegt, in die Finsternis und in die Tiefe; Dein Grimm drückt mich, und drängest mich mit allen Deinen Fluten, Ps. 88, 7.8. Doch verstößt der HErr nicht ewiglich, sondern Er betrübt wohl, und erbarmt Sich wieder nach Seiner großen Güte, Kl. Jer. 3, 31.32. Auch unter der Empfindung Seines gerechten und väterlichen Zorns darf man hoffend sagen: Er wird mich an’s Licht bringen, daß ich meine Lust an Seiner Gnade sehe, Mich. 7, 9. Wenn aber dieses geschieht, so soll man danken. Das göttliche Licht, welches nun aufgeht, entdeckt dem Menschen, daß der Zorn Gottes wie eine bittere Arznei heilsam sei, und die Gnade, an welcher man nun seine Lust sieht, läßt keine mürrische Klage, über das was man davon erfahren hat, aufkommen. Man dankt nur für Seine gute Führung, die vom Zorn zur Gnade und von der Finsternis in’s Licht leitet.
HErr, laß noch über mich kommen, was mir nötig und heilsam ist: verlaß mich nur nicht, verwirf mich nicht von Deinem Angesicht, und führe ein jedes Gericht bei mir zum Sieg aus. Billig sollen Deine Wege immer meinen Augen wohlgefallen; wenn sich aber in mir Schwachen Ungeduld und Mißtrauen reget, so habe Geduld mit mir, vergib mir, und fahre fort, Deinen ganzen Willen an mir zu erfüllen, bis ich nach demselben als gerechtfertigt und bewährt in Deine Ruhe eingehen kann.
Mel.: Meine Armut macht mich schreien. Dölker 78.
1. Gott, auch nach erlitt’ner Strafe,
Die scharf trafe,
Dankt Dir ein bekehrter Sinn,
Und da sieht der erste Glaube
Aus dem Staube
Nur auf die Versöhnung hin.
2. Da erkennt man im Erdulden
Seine Schulden,
Und der Sünder gibt Gott Recht;
Gott erbarmt Sich, schenkt die Sünde,
Macht zum Kinde
Den im Zorn gepeitschten Knecht.
3. HErr, heißt’s HErr, ich muß mich beugen
Und bezeugen:
Deinen Zorn verdiente ich;
Doch dein Zorn hat sich gewendet,
Und geendet,
Diese Gnade tröstet mich.
4. Also dient, HErr, das Bekehren
Dir zu Ehren,
Weil das Lob Dir wohl gefällt.
Wenn die Sünder sich ergeben,
Daß sie leben,
Und Dein Wort sein Recht behält.
5. Herr, tu Du auf diese Weise
Dir zum Preise
Noch viel Tausende hinzu,
Daß sie Dir die Ehre bringen
Und Dir singen:
Nach dem Zürnen tröstest Du.
Liedtext: Philipp Friedrich Hiller
Quellenangaben:
Morgen=Andacht zum 8. September, in: M. Magnus Friedrich Roos, württ. Prälaten zu Anhausen
Christliches Hausbuch, welches Morgen= und Abend=Andachten auf jeden Tag des ganzen Jahres nebst beigefügten (Hiller’schen) Liedern enthält.
Nebst einem Anhange von weiteren Gebeten für zwei Wochen und für einige besondere Fälle. Mit dem Lebensabriß des sel. Verfassers, eingeleitet von seinem Urenkel Repetent Fr. Roos. Mit einem Stahlstich. Stuttgart, 1860.
Druck und Verlag von J. F. Steinkopf.
Lied zum 8. September, in: Geistliches Liederkästlein zum Lobe Gottes, bestehend aus 732 kleinen Oden über so viel biblische Sprüche. Kindern Gottes zum Dienst aufgesetzt von M. Ph. Friedr. Hiller, Pfarrer in Steinheim bei Heidenheim. In zwei Theilen. Neue, sorgfältig durchgesehene Auflage. Vermehrt mit dem Lebenslauf, sowie Bildniß des Verfassers und einem Register über sämmtliche Liederverse. Reutlingen, Druck und Verlag der D.G. Kurtz’schen Buchhandlung, 1864. [Digitalisat]
Weblinks und Verweise
Liedeintrag „Meine Armut macht mich schreien zu dem Treuen“ bei Hymnary.org