Der Kranke betrachtet sein Grab und Auferstehung (Starck)

Jesus spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stirbt. Und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. (Johannes 11, 25.26)

Aufmunterung.

Wer als ein Christ sein Grab ansieht, der wird das davor nicht erschrecken, so finster es auch immer sein mag, denn

1. ist es eine Ruhekammer, da wir von allen Schmerzen, Jammer, Kummer und Herzeleid sollen befreit werden. Der Leib soll

2. auch im Grabe nicht bleiben, sondern die Gebeine und matten Glieder, wenn sie nun ausgeruht haben, sollen am jüngsten Tage herrlich wieder auferstehen, leuchten wie die Sonne und mit der Seele wieder vereinigt werden. Wollte man

3. einwenden: Ich muß aber die lieben Meinigen auf Erden verlassen, so soll man denken, daß im Himmel ein allgemeines Wiedersehen sein wird. Werden die Unsrigen im Glauben bleiben und Gott fürchten, so werden sie uns auch nachfolgen, und dann werden wir nimmermehr von ihnen wieder geschieden werden. Was die leiblichen Gaben betrifft, so wird uns Gott dafür himmlische und ewige Güter schenken. Wann dieses alles von einem Kranken erwägt wird, so kann die Betrachtung des Grabes ihm nicht erschrecklich vorkommen.

Gebet.

Gnädiger und barmherziger Gott! Siehe, ich bin bereit, nach deinem heiligen Willen zu leben und zu sterben. Ich fürchte mich nicht vor dem Tode, weil ich weiß, daß er mich wird nach viel Trübsal und Leiden zur Ruhe bringen. Vor dem Grabe fürchte ich mich auch nicht, denn siehe, es wird sein meine Schlafkammer; mein Elend, Krankheit und Leiden kommt nicht mit mir ins Grab, das muß draußen bleiben. O.stiller Ort, o angenehme Ruhestätte! Wann werden meine matten Glieder und mein schwacher Leib in deinen Schoß gelegt werden? Das Grab hat mir Jesus selbst geheiligt, er hat mirs zur Ruhestätte gemacht, als er nach ausgestandnem Leiden dareingelegt wurde, da hörte sein Schmerzen und all sein Jammer auf. So hat der Herr auch meinem Leib eine Ruhekammer bereitet in der Erde, und der Seele einen Erquickungsort im Himmel.

Suchen Menschen weiche Betten zur Ruhe, siehe, so sind sie gegen mein Grab nicht zu vergleichen. Im weichen Bette muß mancher Schmerzen und Ungemach ausstehen, aber in meinem Grabe wird kein Unglück sich zu mir nahen, und kein Schmerz wird mich rühren. So ist das Grab ein von allen Leiden und Schmerzen befreites Bette. Warum sollte ich mich vor dem Grabe fürchten? Ich werde ja nicht darinnen bleiben.

Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und er wird mich hernach aus der Erde wieder erwecken. Wer an mich glaubt, spricht mein Jesus, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage. So soll mein Grab denn nur ein kleiner Aufenthalt sein, darin mein Leib wird schlafen, bis Jesus wird kommen und sprechen: Stehet auf, ihr Toten und kommet vor Gericht. Es kommt die Stunde, in welcher alle die in den Gräbern sind, werden hören die Stimme des Sohnes Gottes und werden hervorgehen. Wann ich nun diese Stimme hören werde, so werde ich auferstehen aus meinem Grabe, mein Leib wird mit meiner Seele wieder vereinigt, mein Leib wird unsterblich gemacht und verherrlicht werden, ich werde leuchten wie die Sonne, ja alle Schwachheit um und an wird von mir sein abgetan. Grünet das Weizenkorn wieder hervor, wann es in der Erde erstorben zu sein scheint, so werden auch meine Gebeine wieder versammelt. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich, es wird gesäet in Schwachbeit und wird auferstehen in Kraft, es wird gesät ein natürlicher Leib und wird aufersteben ein mit geistlichen und himmlischen Eigenschaften begabter Leib. Was hier kränket, seufzt und fleht, wird dort frisch und herrlich gehen.

Weil du vom Tod erstanden bist,
werd ich im Grab nicht bleiben;
mein höchster Trost dein Auffahrt ist,
Tod’sfurcht kann sie vertreiben.
Denn wo du bist, da komm ich hin,
daß ich stets bei dir leb‘ und bin;
drum fahr ich hin mit Freuden.

So fahr‘ ich hin zu Jesu Christ,
Mein‘ Arm tu‘ ich ausstrecken;
So schlaf‘ ich ein und ruhe fein,
Kein Mensch kann mich aufwecken
Denn Jesus Christus, Gottes Sohn,
Der wird die Himmelstür auftun,
Mich führ’n zum ew’gen Leben.

Amen.

Quelle:

Johann Friederich Starck, Evangelischer Prediger und Consistorialis zu Franckfurt am Main: Tägliches Hand-Buch in guten und bösen Tagen, enthaltend Aufmunterungen, Gebete und Gesänge, nebst mehreren Festandachten, S. 370ff. Philadelphia, Verlag von J. Kohler, No. 202, Nord Vierte Straße, 1870

Liedtext aus: Wenn mein Stündlein vorhanden ist


Eingestellt am 27. Oktober 2020