1. Johannes 5, 1: Glaube und Wiedergeburt

„Wer da glaubt, daß Jesus sei der Christus, der ist von Gott geboren, Und wer Den liebt, der Ihn geboren hat, der liebt auch Den, der von Ihm geboren ist.“ (1. Joh. 5, 1)

Es ist für den evangelischen Prediger eine Aufgabe, die viel göttliche Unterweisung erfordert, sein Amt richtig auszuüben. Außer der Sorgfalt, die er auf die Art und Weise und auf den Geist der Predigt zu verwenden hat, bedarf er auch der göttlichen Leitung in der Wahl der Gegenstände seiner Predigt. Ein schwieriger Punkt ist es, die ganze Wahrheit in richtigem Verhältnis zu predigen, niemals eine Lehre zu übertreiben, niemals einen Punkt auf Kosten eines anderen nachdrücklich geltend zu machen, niemals einen Teil zurückzuhalten oder ihn unnötig in den Vordergrund zu stellen. Das Resultat seiner Predigt wird sehr von dem Gleichgewicht und von einem rechten Teilen des Wortes abhängen.

In einem Fall gewinnt diese Sache unermeßliche Wichtigkeit, weil sie wesentliche Wahrheiten berührt und es zu sehr ernsten Folgen führen kann, wenn sie nicht richtig behandelt wird; ich meine die Grundtatsachen, die mit dem Werk Christi für uns und mit den Wirkungen des Heiligen Geistes in uns verknüpft sind. Die Rechtfertigung durch den Glauben ist eine Sache, bei der keine Dunkelheit, viel weniger Zweideutigkeit stattfinden darf; und zu gleicher Zeit müssen wir deutlich zeigen und bestimmt darauf bestehen, daß die Wiedergeburt jeder Seele nötig ist, die in den Himmel eingehen soll.

,Ihr müßt von neuem geboren werden‛ ist genauso eine Wahrheit, wie jener klare, evangelische Ausspruch: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden“.

Es ist zu befürchten, daß einige eifrige Brüder die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben nicht nur so kühn und deutlich, sondern auch so kahl und so ohne alle Verbindung mit anderer Wahrheit gepredigt haben, daß sie die Menschen dadurch in vermessene Zuversicht hineinführten, und es schien, als wenn sie einer sehr zu fürchtenden Art von Antinomianismus [d.h. die Ansicht, Christen seien vom moralischen Gesetz befreit] ihre Unterstützung liehen. Eben wegen dieses toten, unfruchtbaren, wirkungslosen Glaubens mögen wir ernstlich beten: „Behüt‘ uns, lieber Herre Gott“, dennoch mögen wir ihn unbewußterweise fördern. Mehr noch, aufstehen und rufen: „Glaubt, glaubt, glaubt“, ohne zu erklären, was geglaubt werden soll; das ganze Gewicht bei der Errettung auf den Glauben legen, ohne zu erklären, was Errettung ist, und ohne zu zeigen, daß sie Befreiung von der Macht der Schuld der Sünde bedeutet, das mag einem eifrigen Erweckungsprediger das Richtige erscheinen, aber die, die das Resultat solchen Lehrens beobachten, haben ernste Ursache, zu fragen, ob nicht mehr Schaden als Gutes dadurch getan wird.

Es ist unsere aufrichtigste Überzeugung, daß ebensoviel Gefahr in dem anderen Extrem ist. Wir sind ganz gewiß, daß ein Mensch zu einer neuen Kreatur gemacht werden muß, sonst ist er nicht errettet; aber einige haben so klar die Wichtigkeit dieser Wahrheit eingesehen, daß sie immer bei der großen Veränderung der Bekehrung, ihren Früchten und ihren Folgen verweilen und sich kaum der frohen Botschaft zu erinnern scheinen, daß der, der an Christus Jesus glaubt, das ewige Leben hat. Solche Lehrer neigen dazu, einen zu hohen Maßstab der Erfahrung aufzustellen und so viele Zeichen und Merkmale eines echten Gotteskindes zu fordern, daß sie aufrichtig Suchende sehr entmutigen und in eine Art Gesetzlichkeit verfallen, von der wir wiederum sagen können: ,Behüt‘ uns, lieber Herre Gott.“

Laßt uns nie vergessen, sehr deutlich die unzweifelhafte Wahrheit zu bezeugen, daß wahrer Glaube an Jesus Christus die Seele errettet, denn wenn wir das nicht tun, so werden wir viele in gesetzlicher Knechtschaft halten, die schon längst Frieden genießen und in die Freiheit der Kinder Gottes eingehen sollen. Es mag nicht leicht sein, diese zwei Dinge an ihrem richtigen Platz zu halten, aber wir müssen danach streben, wenn wir weise Baumeister sein wollen. Johannes tat dies bei seinem Lehren. Wenn ihr das dritte Kapitel seines Evangeliums lest, so werdet ihr es sehr bedeutsam finden, daß er, während er ausführlich die Auslegung des Herrn über die neue Geburt berichtet, uns in demselben Kapitel auch das gibt, was vielleicht das deutlichste Stück des Evangeliums in der ganzen Heiligen Schrift ist: ,Und wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöht hat, also muß des Menschen Sohn erhöht werden, auf daß alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben‘. So besteht er auch in dem uns vorliegenden Kapitel darauf, daß ein Mensch von Gott geboren werden muß; er bringt das immer wieder vor, aber stets schreibt er dem Glauben wunderbare Wirksamkeit zu; er nennt den Glauben als das Kennzeichen der Wiedergeburt, den Glauben als das, was die Welt überwindet, den Glauben als das, was das innere Zeugnis besitzt, den Glauben als das, was das ewige Leben hat – in der Tat, es scheint, als könne er nicht Ehre genug auf den Glauben häufen, während er zu gleicher Zeit die große Wichtigkeit der mit der neuen Geburt verbundenen inneren Erfahrung hervorhebt.

Nun, wenn sich eine solche Schwierigkeit dem Prediger in den Weg legt, so brauchen wir uns nicht zu wundern, daß sie sich auch bei dem Hörer findet und er viele Fragen stellt. Wir haben viele gekannt, die dadurch, daß sie beständig die teure Lehre hörten, daß der Glaube an Christus Jesus errettet, andere Wahrheiten vergessen und den Schluß gezogen haben, daß sie errettet seien, wenn sie es nicht waren, und sich eingebildet haben, zu glauben, wenn ihnen die Erfahrung, die immer den wahren Glauben begleitet, völlig fremd war. Sie haben sich vorgestellt, Glaube sei gleichbedeutend mit einem Vertrauen auf Sicherheit in Christus, das weder auf das richtig verstandene göttliche Wort gegründet, noch durch irgendwelche Tatsachen in ihrer eigenen Seele bewiesen war. Wenn sie zur Selbsterforschung aufgefordert wurden, so haben sie diese als einen Angriff auf ihre Zuversicht vermieden, und wenn man sie gedrängt hat, sich an dem evangelischen Prüfstein zu prüfen, dann haben sie ihren falschen Frieden durch die Meinung verteidigt, daß es Unglaube sein würde, eine Frage über die Gewißheit ihrer Seligkeit aufzuwerfen.

So, fürchte ich, hat der Dünkel ihres vorausgesetzten Glaubens an Christus sie in einen fast hoffnungslosen Zustand gebracht, da sie die Warnungen und Mahnungen des Evangeliums beiseite geschoben haben in der verhängnisvollen Überzeugung, daß es nutzlos sei, darauf zu achten, und nur notwendig, den Glauben zu haben, daß alles schon lange für uns durch Christus getan sei und daß eine göttliche Furcht und ein sorgfältiger Wandel überflüssig seien, wenn nicht sogar eine Beleidigung gegen das Evangelium. Andererseits haben wir auch solche gekannt, die die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben als einen Teil ihres Glaubensbekenntnisses aufgenommen hatten, aber es doch nicht als eine wirkliche Tatsache annehmen, daß der Gläubige errettet sei. Sie fühlen so sehr, daß sie im Geist ihres Gemüts erneuert werden müssen, daß sie stets in ihrem Inneren nach Zeugnissen suchen und beständigen Zweifeln unterworfen sind. Sehr natürlich und häufig singen sie:

„Eines wüßte ich so gern,
Eines trübt der Seele Licht:
Lieb‘ ich wirklich meinen Herrn?
Bin ich sein? Bin ich es nicht?“

Das ist eine Klasse von Leuten, die weit mehr zu bemitleiden als zu verurteilen sind. Obwohl ich der letzte sein möchte im Verbreiten von Unglauben, möchte ich der erste sein im Einschärfen heiliger Sorge. Es ist eine Sache, wenn jemand Sorge trägt, zu wissen, daß er wirklich in Christus ist, und eine ganz andere Sache, wenn er an den Verheißungen Christi zweifelt, vorausgesetzt, daß sie wirklich für ihn gegeben sind. Es ist in einigen Herzen ein Hang, zu viel nach innen zu blicken, und mehr Zeit damit zu verbringen, die äußeren Zeugnisse und inneren Gefühle zu prüfen, als die Fülle und Freiheit der Gnade Gottes in Christus zu lernen. Sie verdunkeln zu sehr die große evangelische Wahrheit, daß der Gläubige vor Gott nicht um seiner selbst willen, sondern um Christus Jesus willen angenommen wird, daß wir durch das Blut Jesu gereinigt sind, daß wir in die Gerechtigkeit Jesu gekleidet und – mit einem Wort – „angenommen sind in dem Geliebten“.

Ich wünsche ernstlich, daß sich diese zwei Wahrheiten in euren Seelen im rechten Gleichgewicht befinden. Nur der Heilige Geist kann euch dies lehren. Dies ist ein schmaler Pfad, den „des Adlers Auge nicht gesehen und der Löwin Jungen nicht betreten“. Der, den der Heilige Geist unterweist, wird weder der Vermessenheit Raum geben und des Heiligen Geistes Werk im Inneren verachten, noch vergessen, daß die Errettung von dem Herrn Jesus Christus kommt, der „uns von Gott gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung“.

Unser Text scheint mir diese beiden Wahrheiten in schöner Harmonie zu verbinden, und wir wollen mit Gottes Hilfe versuchen, davon zu reden. „Wer da glaubt, daß Jesus sei der Christus, der ist von Gott geboren“. Wir werden heute morgen zuerst betrachten, was hier unter Glauben gemeint ist; und dann zweitens, wie er ein sicherer Beweis der Wiedergeburt ist; und drittens, indem wir etwas bei dem letzten Teil des Verses verweilen, wollen wir zeigen, wie das ein Grund zu christlicher Liebe wird. „Und wer da den liebt, der Ihn geboren hat, der liebt auch Den, der von Ihm geboren ist.“

I.

Worin besteht der im Text gemeinte Glauben? Wir sind zuerst überzeugt, daß das hier gemeinte „Glauben“ das ist, wozu unser Herr und seine Apostel die Menschen ermahnen und mit dem immer wieder im Wort Gottes die Verheißung des Heils verknüpft ist; wie z. B. der Glaube, den Petrus einschärfte, als er zu Kornelius sprach: „Von diesem zeugen alle Propheten, daß durch seinen Namen alle, die an Ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen“; und den unser Herr befahl, als Er nach Galiläa kam und den Menschen predigte und sprach: „Tut Buße und glaubt an das Evangelium.“ (Mk. 1, 15.)

Gewisse Leute haben zugeben müssen, daß die Apostel den Menschen befahlen und sie ermahnten und baten, zu glauben, aber sie sagen uns, daß die Art von Glauben, die die Apostel den Menschen befahlen, kein errettender Glaube war. Nun, Gott verhüte, daß wir je in unserem Eifer, einen Lieblingssatz zu verteidigen, zu einer so ungeheuerlichen Behauptung getrieben werden sollten. Können wir uns auch nur einen Augenblick die Apostel vorstellen, die mit brennendem Eifer, von dem in ihnen lebenden Geist Gottes inspiriert, in der Welt umhergehen und die Menschen zu einem Glauben ermahnen, der sie doch nicht errettet? Zu welchem Zweck wären sie mit einer so fruchtlosen, für die menschliche Bedürftigkeit so quälenden und so resultatlosen Botschaft ausgegangen? Als unser Herr seine Jünger in alle Welt zu gehen und das Evangelium aller Kreatur zu predigen befahl, und hinzufügte: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden“, da war der Glaube, der gepredigt werden sollte, offensichtlich kein anderer, als ein seligmachender Glaube, und es ist leichtfertig, etwas anderes zu sagen. Ich muß bekennen, daß es mir neulich sehr anstößig war, in einer Predigt die Bemerkung zu lesen, daß die Worte des Paulus an den Kerkermeister in einer Unterhaltung gesprochen seien, die um Mitternacht unter eigentümlichen Umständen stattfand, und daß der Evangelist, der sie schrieb, nicht dabei anwesend war“.

Wie? Wäre es am hohen Mittag gewesen und wäre die ganze Welt dabei anwesend gewesen, so hätte der Apostel keine passendere Antwort auf die Frage: „Was soll ich tun, damit ich selig werde?“ geben können, als die, die er gab: „Glaube an den Herrn Jesus Christus, so wirst du selig“. Es ist, ich wiederhole es, eine große Leichtfertigkeit oder etwas Schlimmeres, zu sagen, daß der von den Aposteln eingeschärfte Glaube ein bloß menschlicher war, der nicht errettet, und daß keine Gewißheit da ist, daß solcher Glaube die Seele rettet. Die Sache muß verzweifelt sein, die eine solche Verteidigung nötig hat.

Weiter: Der hier gemeinte Glaube ist die Pflicht aller Menschen. Lest den Text noch einmal: „Wer da glaubt, daß Jesus der Christus ist, der ist von Gott geboren“. Es kann niemals weniger sein als die Pflicht des Menschen, die Wahrheit zu glauben; daß Jesus der Christus ist, das ist die Wahrheit, und es ist die Pflicht jedes Menschen, daran zu glauben. Ich verstehe hier unter „glauben“ vertrauen auf Christus, und es ist sicherlich die Pflicht der Menschen, dem zu vertrauen, der des Vertrauens würdig ist, und daß Jesus Christus des Vertrauens aller Menschen würdig ist, das ist sicher, deshalb ist es Pflicht, Ihm zu vertrauen. Da die Forderung des Evangeliums „Glaube an den Herrn Jesus Christus, so wirst du selig werden“, mit göttlicher Autorität an alle Kreatur gerichtet ist, so ist es die Pflicht jedes Menschen, dies zu tun. Was sagt Johannes: „Das ist sein Gebot, daß wir an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben“, und unser Herr selber versichert uns: „Wer an Ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.“

Ich weiß, es gibt einige, die dies leugnen und es aus dem Grund leugnen, daß der Mensch nicht die geistliche Fähigkeit habe, an Jesus zu glauben. Ich erwidere darauf, daß es ganz und gar ein Irrtum ist, sich einzubilden, daß das Maß der sittlichen Fähigkeit des Sünders das Maß seiner Pflicht sei. Es gibt viele Dinge, die die Menschen tun sollten, zu denen sie jetzt die sittliche und geistliche, obwohl nicht die leibliche, Kraft verloren haben. Ein Mensch sollte keusch sein, aber wenn er so lange unsittlich gewesen ist, daß er seine Leidenschaften nicht zügeln kann, so ist er darum nicht frei von der Verpflichtung. Es ist die Pflicht eines Schuldners, seine Schulden zu bezahlen, aber wenn er ein solcher Verschwender gewesen ist, daß er sich in hoffnungslose Armut gebracht hat, so ist er damit nicht seiner Schulden entledigt. Jeder Mensch sollte das glauben, was wahr ist, aber wenn seine Seele so verdorben wurde, daß er die Lüge liebt und die Wahrheit nicht annehmen will, ist er deshalb entschuldigt? Wenn das Gesetz Gottes niedriger gemacht werden müßte, dem sittlichen Zustand der Sünder angepaßt, so würdet ihr ein Gesetz haben, das wie eine Stufenleiter abgeteilt wäre, um den verschiedenen Stufen menschlicher Sündhaftigkeit zu passen; in der Tat würde dann der schlechteste Mensch unter dem geringsten Gesetz sein und folglich am wenigsten schuldig. Gottes Forderungen würden von veränderlicher Größe sein und in Wahrheit wären wir unter gar keiner Regel. Das Gebot Christi gilt, wie schlecht auch die Menschen sein mögen, und wenn Er allen Menschen an allen Enden gebietet, Buße zu tun, so sind sie verpflichtet, Buße zu tun, ob ihre Sündigkeit es unmöglich für sie macht, dies zu wollen oder nicht. In jedem Fall ist es des Menschen Pflicht, das zu tun, was Gott ihm befiehlt.

Zu gleicher Zeit ist dieser Glaube, wo er existiert, in jedem Fall, ohne Ausnahme, die Gabe Gottes und das Werk des Heiligen Geistes. Niemals hat ein Mensch mit dem hier gemeinten Glauben an Jesus geglaubt, wenn nicht der Heilige Geist ihn dahin geführt hat, es zu tun. Er hat all unsere Werke in uns gewirkt, auch unseren Glauben. Der Glaube ist eine zu himmlische Gnade, um in der menschlichen Natur aufzusprießen, ehe sie erneuert ist: Der Glaube ist in jedem Gläubigen die Gabe Gottes“. Ihr werdet zu mir sagen: „Stimmen diese zwei Dinge miteinander überein?“ Ich erwidere: „Gewiß, denn sie sind beide wahr“. – „Wie stimmen sie überein?“ fragt ihr. „Stimmen sie nicht überein?“ frage ich, und ihr werdet ebenso viele Schwierigkeit haben, zu beweisen, daß sie nicht übereinstimmen, wie ich, zu beweisen, daß sie übereinstimmen. Die Erfahrung macht sie übereinstimmend, wenn die Theorie es nicht tut.

Die Menschen werden durch den Heiligen Geist von der Sünde überzeugt – „von der Sünde,“ sagt Christus, „daß sie nicht an mich glauben“; hier ist eine der Wahrheiten; aber dieselben Herzen werden von demselben Geist gelehrt, daß der Glaube die Wirkung Gottes ist (Kol. 2, 12). Brüder, seid bereit, beide Seiten des Schildes der Wahrheit zu sehen. Erhebt euch über den Kindheitsstand, der nicht zwei Lehren glauben kann, bis er das verbindende Glied sieht. Hast du nicht zwei Augen, Mann? Mußt du unbedingt eins ausstechen, um klar zu sehen? Ist es unmöglich für dich, ein geistliches Stereoskop zu gebrauchen und auf zwei Ansichten der Wahrheit zu blicken, bis sie in eine zusammenschmelzen, und diese eine wirklicher und wahrhafter wird, weil sie aus zweien zusammengesetzt ist?

Viele Leute weigern sich, mehr als eine Seite einer Lehre zu sehen, und kämpfen beharrlich gegen alles, was nicht schon auf der Oberfläche mit ihrer eigenen Vorstellung vereinbar ist. In dem vorliegenden Fall finde ich es nicht schwierig, anzunehmen, daß der Glaube zu gleicher Zeit die Pflicht des Menschen und die Gabe Gottes ist; und wenn andere nicht die zwei Wahrheiten annehmen können, so bin ich nicht verantwortlich für ihre Ablehnung der einen; meine Pflicht ist getan, wenn ich sie bezeugt habe. Bis jetzt haben wir nur den Weg geklärt. Laßt uns fortfahren. Der im Text angezeigte Glaube ruht offensichtlich auf einer Person – auf Jesus. ,Wer da glaubt, daß Jesus der Christus ist, der ist von Gott geboren.„ Es ist nicht Glaube an eine Lehre oder eine Meinung oder eine Formel, sondern Glaube an eine Person. Übersetzt die Worte: ,Wer da glaubt, daß Jesus der Christus ist,“ und sie lauten: ,Wer da glaubt, daß der Heiland der Gesalbte ist, der ist von Gott geboren.„ Damit ist sicherlich nicht gemeint, wer da behauptet, zu glauben, daß Er dies sei, denn viele tun das, deren Leben beweist, daß sie nicht wiedergeboren sind; sondern: wer dies so glaubt, daß er wahrhaft und wirklich Jesus annimmt, wie Gott Ihn dargestellt und gesalbt hat, der ist ein Wiedergeborener.

Was ist darunter zu verstehen, daß ,Jesus der Christus“ oder der Gesalbte ist? Zuerst, daß Er der Prophet ist; zweitens, daß Er der Priester ist; drittens, daß Er der König seiner Gemeinde ist, denn in diesem dreifachen Sinn ist Er der Gesalbte. Nun kann ich mir diese Frage vorlegen. Glaube ich jetzt, daß Jesus der große, von Gott gesalbte Prophet ist, der mir den Weg des Heils offenbaren soll? Nehme ich Ihn als meinen Lehrer an und gebe zu, daß Er Worte des ewigen Lebens hat? Wenn ich das glaube, werde ich seinem Evangelium gehorsam sein und das ewige Leben besitzen. Nehme ich Ihn als den an, der meiner Seele Gott offenbaren soll, als den Engel des Bundes, den gesalbten Propheten des Höchsten?

Aber Er ist auch ein Priester. Nun, ein Priester ist dazu da, Opfer darzubringen; glaube ich fest, daß Jesu Aufgabe war, das eine Opfer für die Sünden der Menschheit zu bringen, durch das Er ein für allemal die Versöhnung vollendet und eine vollständige Versöhnung dargebracht hat? Nehme ich seine Versöhnung als eine Versöhnung für mich an und seinen Tod als eine Wiedergutmachung, auf die ich meine Hoffnung der Vergebung aller meiner Sünden gründe? Glaube ich in Wahrheit, daß Jesus der einzige und alleinige versöhnende Priester ist und nehme Ihn als den an, der für mich als Priester handelt? Wenn ja, so habe ich teilweise geglaubt, daß Jesus der Gesalbte ist. Aber Er ist auch König, und wenn ich zu wissen wünsche, ob ich den rechten Glauben besitze, muß ich fragen: ,Ist Jesus, der jetzt erhöht im Himmel ist, der einst am Kreuz blutete, ist Er mein König? Ist sein Gesetz mein Gesetz? Wünsche ich, mich ganz seiner Herrschaft zu unterwerfen? Hasse ich, was Er haßt, und liebe ich, was Er liebt? Lebe ich, um Ihn zu preisen? Wünsche ich als loyaler Untertan zu sehen, daß ,sein Reich komme und sein Wille auf Erden geschehe wie im Himmel?„ Mein lieber Freund, wenn du von Herzen und im Ernst sagen kannst: ,Ich nehme Jesus Christus von Nazareth als Prophet, Priester und König für mich an, weil Gott Ihn gesalbt hat, diese drei Ämter zu verwalten; und in jedem von diesen dreien vertraue ich Ihm aufrichtig,“ dann, lieber Freund, hast du den Glauben der Erwählten Gottes, denn es steht geschrieben: ,Wer da glaubt, daß Jesus der Christus ist, der ist von Gott geboren.„

Nun wollen wir ein wenig weitergehen. Wahrer Glaube ist ein Sich-Verlassen. Schlagt jedes euch beliebige griechische Lexikon auf, und ihr werdet finden, daß das Wort ,pisteuein“ nicht bloß glauben bedeutet, sondern vertrauen, Zuversicht haben, anbefehlen, anvertrauen usw. und der Kern von dem, was Glauben bedeutet, ist Zuversicht auf, sich verlassen auf jemanden. Laßt mich also jeden hier Anwesenden fragen, der behauptet, Glauben zu haben: Ist dein Glaube der Glaube des Sich-Verlassens? Du schenkst gewissen Aussagen Glauben, setzt du auch Vertrauen auf die eine glorreiche Person, die allein erlösen kann? Hast du Zuversicht und Führwahrhalten? Ein Glaubensbekenntnis wird dich niemals erretten, aber dich auf den gesalbten Heiland verlassen, das ist der Weg des Heils.

Denkt daran, ich bitte euch, wenn ihr eine vom Irrtum nicht verfälschte Orthodoxie gelehrt werden könntet, und ein Glaubensbekenntnis auswendig lernen, das von der Feder des ewigen Gottes selber geschrieben wäre, so würde doch ein solcher bloß begriffsmäßiger Glaube, wie der, wenn man an die Existenz von Menschen im Mond oder an das Dasein von Nebelflecken im Raume glaubt, eure Seele nicht erretten können. Dies wissen wir sicher, weil wir viele um uns her sehen, die einen solchen Glauben haben und doch offensichtlich nicht Kinder Gottes sind.

Darüber hinaus ist der wahre Glaube nicht eine sich selbst schmeichelnde Anmaßung, bei der ein Mann sagt: ,Ich glaube, daß ich errettet bin, denn ich habe solche schöne Gefühle, ich habe einen wunderbaren Traum gehabt, ich habe wundervolle Empfindungen gehegt;„ denn alle solche Zuversicht mag nichts als bloße Voraussetzung sein. Anmaßung ist nicht Glaube, sondern das Gegenteil von Glauben; statt eine Zuversicht dessen zu sein, das man hofft, ist sie eine bloße Vorspiegelung. Der Glaube ist ebenso korrekt wie die Vernunft, und wenn seine Beweisgründe erwogen werden, ist er so sicher in seinen Schlüssen, als wenn er sie aus mathematischen Regeln gezogen hätte. Hütet euch, ich bitte euch darum, vor einem Glauben, der keine Grundlage hat als eure eigene Einbildung.

Der Glaube ist auch nicht die Überzeugung, daß Christus für mich starb. Ich fühle mich zuweilen ein wenig im Widerspruch mit dem Vers:

„Grad wie ich bin, ohn‘ andern Grund,
Als daß Dein Blut für mich vergossen.“

Er ist ungemein passend für ein Kind Gottes, aber ich bin nicht so sicher, daß es die richtige Weise ist, die Sache dem Sünder darzustellen. Ich glaube nicht an Jesus, weil ich überzeugt bin, daß sein Blut für mich vergossen wurde; vielmehr entnehme ich daraus, daß ich zum Glauben an Ihn geführt bin, daß Er sein Blut speziell für mich vergossen hat.

Ich fürchte, es gibt Tausende, die glauben, daß Jesus für sie starb, die aber nicht von Gott geboren sind, sondern vielmehr in ihren Sünden durch ihre grundlose Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit hart wurden. Es ist keine besondere Wirksamkeit in der Voraussetzung eines Menschen, daß Christus für ihn gestorben ist, denn das ist nur eine selbstverständliche Wahrheit, falls es wahr ist, was einige lehren, daß Jesus für jedermann starb. Nach einer solchen Theorie würde jeder, der an eine allgemeine Versöhnung glaubt, notwendig von Gott geboren sein, was aber auf keinem Fall so ist. Wenn der Heilige Geist uns dahin bringt, daß wir uns auf den Herrn Jesus verlassen, dann wird die Wahrheit, daß Gott seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an Ihn glauben, errettet werden, unserer Seele aufgeschlossen, und wir sehen, daß Jesus für uns, die wir Gläubige sind, in der speziellen Absicht starb, daß wir errettet werden sollten. Es ist etwas anderes, wenn der Heilige Geist uns versichert, daß Jesus für uns im besonderen sein Blut vergoß, als wenn wir bloß vermuten, daß Jesus für uns gestorben sei, und der Gedanke, daß Er für jedermann gestorben sei, ist, so weit wie der Morgen vom Abend, von wahrem Glauben an Jesus Christus entfernt.

Ebensowenig ist es Glaube, wenn ich die Zuversicht habe, daß ich errettet bin, denn es könnte der Fall sein, daß ich nicht errettet wäre, und es kann niemals Glaube sein, eine Lüge zu glauben. Viele haben voreilig geschlossen, daß sie errettet wären, während sie noch in der Galle der Bitterkeit waren. Das war kein Vertrauen auf Christus, das sie zeigten, sondern eine schlechte, im höchsten Grade verderbliche Vermessenheit.

Um auf das zurückzukommen, wovon wir ausgingen, der Glaube ist mit einem Wort ein Sich-verlassen auf Jesus Christus. Ob der Erlöser für mich im besonderen und speziellen starb oder nicht, ist nicht die Frage, die zuerst erhoben werden muß; ich finde, daß Er in die Welt kam, Sünder zu erretten, unter dieser allgemeinen Beschreibung komme ich zu Ihm, und finde, daß alle, die Ihm vertrauen, gerettet werden sollen, deshalb vertraue ich Ihm, und nachdem ich das tat, lerne ich aus seinem Wort, daß ich der Gegenstand seiner besonderen Liebe bin und daß ich von Gott geboren bin. Bei meinem ersten Kommen zu Jesus kann ich keine Kenntnis von einem persönlichen und speziellen Anteil an dem Blut Jesu haben; aber weil geschrieben steht: ,Er ist die Versöhnung für unsere Sünden; nicht allein aber für unsere, sondern auch für die der ganzen Welt,“ so komme ich und vertraue mich dieser Versöhnung an; ob ich sinke oder schwimme, ich werfe mich auf den Heiland. Großer Sohn Gottes, Du hast gelebt und bist gestorben, Du hast geblutet und gelitten und die Sünde aller versöhnt, die Dir vertrauen, und ich vertraue Dir, ich lehne mich an Dich, ich werfe mich auf Dich. Nun, wer solchen Glauben hat, wie diesen, der ist von Gott geboren, er hat wahren Glauben, der ein sicherer Beweis der neuen Geburt ist. Richtet deshalb, ob ihr diesen Glauben habt oder nicht.

Laßt mich noch eine Minute länger dabei verweilen. Der wahre Glaube wird in der Schrift durch Sinnbilder dargestellt, und ein paar davon wollen wir erwähnen. Es war ein ausgezeichnetes Vorbild des Glaubens, als der hebräische Vater in Ägypten das Lamm schlachtete und das warme Blut in einem Becken auffing, dann ein Büschel Ysop nahm, es in das Blut tauchte, beide Pfosten der Tür damit bestrich und dann ein rotes Zeichen an der obersten Schwelle machte. Dieses Bestreichen mit Blut zeigte den Glauben an. Die Befreiung wurde durch Blut bewirkt; und das Blut half dadurch, daß der Hausvater persönlich es über seine Tür strich. Der Glaube tat das; er nimmt von dem, was Christus gehört, macht es zu seinem eigenen, besprengt die Seele sozusagen mit dem teuren Blut, nimmt die Weise der Barmherzigkeit an, nach der der Herr an uns vorübergeht und sein Volk vor dem Verderben verschont.

Der Glaube wurde den Juden noch auf andere Weise gezeigt. Wenn ein Tier zum Sündopfer dargebracht wurde, so legten die Priester und die Vertreter der Stämme oder der Opfernde selber die Hände auf das Opfer zum Zeichen dafür, daß sie wünschten, ihre Sünde auf es zu übertragen, damit es für sie, als Vorbild des großen Stellvertreters, leiden möchte. Der Glaube legt seine Hand auf Jesus mit dem Wunsch, daß sein stellvertretender Tod Ihm zugute kommen möge.

Eine noch merkwürdigere Darstellung des Glaubens war die des heilenden Blickes der von der Schlange gebissenen Israeliten. An einer hohen Stange inmitten des Lagers befestigte Moses eine eherne Schlange; hoch über allen Zelten glänzte diese Schlange in der Sonne, und wer von der sterbenden Menge sie nur ansehen wollte, der blieb leben. Ansehen war eine sehr einfache Handlung, aber sie zeigte an, daß der Mann dem Befehl Gottes gehorsam war. Er sah an, wie ihm befohlen war, und die Heilkraft kam von der ehernen Schlange durch einen Blick.

So ist der Glaube. Er ist die einfachste Sache in der Welt, aber er zeigt sehr viel mehr an, als auf der Oberfläche zu sehen ist: ,In einem Blick auf Den am Kreuz ist Leben.„ An Jesus glauben ist nur ein Blick des Glaubensauges auf Ihn, Ihm die Seele anvertrauen.

Jene arme Frau, die in dem Gedränge von hinten zu unserm Heiland trat, bietet uns ein anderes Bild vom Glauben. Sie sprach: ,Wenn ich nur sein Kleid anrührte, so würde ich gesund.“ Sie nahm keine Arzneien, legte kein Bekenntnis ab, vollzog keine Zeremonie, sondern rührte nur den Saum des Kleides Jesu an und wurde sofort geheilt. O Seele, wenn du in Berührung mit Christus kommen kannst durch ein einfaches Vertrauen auf Ihn, wenn es auch noch so schwach ist, so hast du den Glauben der Auserwählten Gottes; du hast den Glauben, der in jedem Falle das Zeichen der neuen Geburt ist.

II.

Wir müssen nun weiter gehen, um zu zeigen, daß der Glaube, wo immer er existiert, der Beweis der Wiedergeburt ist. Es war niemals ein Körnchen solchen Glaubens in der Welt, ausgenommen in einer wiedergeborenen Seele, und wird niemals anderswo sein, solange die Welt steht. Es verhält sich so nach unsrem Texte, und wenn wir kein anderes Zeugnis hätten, so wäre diese eine Stelle genug, es zu beweisen. „Wer da glaubt, daß Jesus der Christus ist, der ist von Gott geboren“.

„Ach!“ höre ich dich sagen, arme Seele, „die neue Geburt ist ein großes Geheimnis; ich verstehe es nicht; ich fürchte, ich habe keinen Anteil daran“. Du bist wiedergeboren, wenn du glaubst, daß Jesus der Christus ist, wenn du dich auf einen gekreuzigten Heiland verläßt, so bist du sicher „wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung“. Geheimnis oder nicht, die neue Geburt ist dein, wenn du ein Gläubiger bist. Habt ihr je beachtet, daß die größten Geheimnisse sich durch die einfachsten Anzeichen offenbaren? Die Einfachheit und scheinbare Leichtigkeit des Glaubens ist kein Grund, warum ich seine Existenz nicht als ein unfehlbares Anzeichen der neuen Geburt ansehen sollte. Wie wissen wir, daß das neugeborene Kind lebt, ausgenommen durch sein Schreien? Doch eines Kindes Schrei – was für ein einfacher Ton ist er! wie leicht könnte er nachgeahmt werden! Ein geschickter Arbeiter könnte uns mit Röhren und Fäden leicht täuschen; dennoch gab es nie eines Kindes Schrei in der Welt, der nicht die Geheimnisse des Atmens, des Herzschlages, des Blutumlaufes und all der anderen Wunder, die mit dem Leben selbst kommen, angezeigt hätte. Seht ihr jene Person, die eben aus dem Fluß gezogen wird? Lebt sie? Ja, Leben ist da. Warum? Weil die Lungen sich noch heben. Aber scheint es nicht eine leichte Sache zu sein, zu machen, daß die Lungen sich heben? Ein Blasebalg, der hineinbläst, könnte der nicht die Bewegung erzeugen? O ja, die Sache ist leicht nachgeahmt in einer gewissen Art; aber keine Lungen heben sich, wo kein Leben ist, kein Blut wird aus und zu dem Herzen gepumpt, wo kein Leben ist. Nehmt eine andere Illustration. Geht in ein Telegraphenbüro, so werdet ihr Nadeln sehen, die in unaufhörlichem Ticktack sich nach rechts und links bewegen. Elektrizität ist ein großes Wunder, und ihr könnt sie nicht sehen oder fühlen; aber der Telegraphist sagt euch, daß der elektrische Strom sich durch den Draht bewegt. „Woher wissen Sie das?“ – „Ich weiß es durch die Nadel. „Wieso? Ich könnte die Nadeln leicht bewegen.“ – „Ja, aber seht ihr nicht, daß die Nadel zwei Bewegungen nach rechts, eine nach links und dann wieder zwei nach rechts gemacht hat. Ich lese eine Botschaft“. – ,Aber,“ sagt ihr, „ich kann nichts darin sehen; ich könnte diesen Ticktack und diese Bewegung leicht nachahmen“. Doch der, der die Kunst gelernt hat, sieht in diesen Nadeln nicht nur elektrische Tätigkeit, sondern ein noch tieferes Geheimnis vor sich; er bemerkt, daß jemand diese unsichtbare Kraft leitet und durch sie spricht.

Nicht allen, sondern den Eingeweihten ist es gegeben, das in der einfachen Sache verborgene Geheimnis zu sehen. Der Gläubige sieht in dem Glauben, der einfach wie die Bewegung der Nadel ist, ein Anzeichen, daß Gott auf den menschlichen Geist wirkt, und der geistliche Mensch nimmt wahr, daß dadurch ein Geheimnis angedeutet wird, das das fleischliche Auge nicht entziffern kann. An Jesus glauben ist ein besseres Anzeichen der Wiedergeburt als irgend etwas anderes und hat niemals jemanden in die Irre geleitet. Der Glaube an den lebendigen Gott und seinen Sohn Jesus Christus ist stets das Ergebnis der Neugeburt und kann nirgends anders existieren als in Wiedergeborenen. Wer da Glauben hat, ist ein Erretteter.

Ich bitte euch, mir ein wenig in dieser Beweisführung zu folgen. Ein gewisser Theologe hat kürzlich gesagt: ,Der Akt des Glaubens ist nicht dasselbe wie die Errettung des Menschen; er ist nur in der Richtung darauf hin.“ Dies heißt soviel wie leugnen, daß jeder, der an Christus glaubt, sofort errettet ist; und die Folgerung ist, daß ein Mensch nicht schließen dürfe, daß er errettet sei, weil er an Jesus glaubt. Nun beachtet, wie sehr dies der Schrift widerspricht. Es ist nach dem Wort Gottes sicher, daß der, der an Jesus glaubt, nicht gerichtet wird. Lest Joh. 3, 18 und viele andere Stellen. ,Wer an Ihn glaubt, wird nicht gerichtet.„ Nun, wird nicht jeder Unwiedergeborene gerichtet? Ist nicht ein Mensch, der nicht gerichtet wird, ein Erretteter? Wenn ihr auf göttliche Autorität hin sicher seid, daß der Gläubige nicht gerichtet wird, wie im Namen alles dessen, was vernünftig ist, könnt ihr denn leugnen, daß der Gläubige errettet sei? Wer nicht gerichtet wird, was hat der zu fürchten? Kann er nicht mit Recht davon ausgehen, daß er Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus hat, da er durch den Glauben gerecht geworden ist?

Beachtet zweitens, daß von dem Glauben in dem vierten Vers des vorliegenden Kapitels gesagt wird, daß er die Welt überwindet. ,Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ Wie überwindet denn der Glaube die Welt in Menschen, die nicht errettet sind? Wie kann das möglich sein, wenn der Apostel sagt, daß das, was die Welt überwindet, von Gott geboren ist? Lest den vierten Vers: ,Alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt„: aber der Glaube überwindet die Welt; und deshalb ist der Mensch, der Glauben hat, wiedergeboren; und was bedeutet das, als daß er errettet ist, und daß sein Glaube das Werkzeug ist, durch das er den Sieg erlangt? Doch weiter: Der Glaube nimmt das Zeugnis Gottes an, und mehr noch, wer Glauben hat, der hat das Zeugnis für die Wahrheit Gottes in sich selbst. Lest den zehnten Vers desselben Kapitels: ,Wer da an den Sohn Gottes glaubt, der hat dieses Zeugnis bei ihm.“ Es heißt nicht: ,Wer da dies oder jenes fühlt,„ sondern: ,Wer da glaubt, der hat dieses Zeugnis bei ihm,“ sein Herz legt Zeugnis ab von der Wahrheit Gottes.

Hat irgendein Unerretteter ein erfahrungsmäßiges Zeugnis in sich? Wollt ihr mir sagen, daß die innere Erfahrung eines Menschen Zeugnis von dem Evangelium Gottes ablegt, und daß der Mensch doch in einem verlorenen Zustand ist oder nur Hoffnung hat, schließlich errettet zu werden? Nein, das ist unmöglich. Wer glaubt, in dem ist jene Veränderung gewirkt, die ihn in den Stand setzt, durch sein eigenes Bewußtsein das Zeugnis Gottes zu bestätigen, und ein solcher Mann muß ein Erretteter sein. Es ist nicht möglich, zu sagen, daß er ein Nicht-Erretteter sei.

Beachtet auch im dreizehnten Vers dieses Kapitels, daß der Glaube auch das ewige Leben ist; die Worte lauten: ,Dies habe ich euch geschrieben, die ihr an den Namen des Sohnes Gottes glaubt, damit ihr wißt, daß ihr das ewige Leben habt.„ Unser Herr selber und seine Apostel haben an verschiedenen Stellen erklärt: ,Wer an Ihn glaubt, der hat das ewige Leben.“ Sagt mir nicht, daß ein Sünder, der an Jesus glaubt, einen Fortschritt machen muß, ehe er sagen kann, daß er errettet sei; daß ein Mensch, der Christus vertraut, nur auf dem Weg der Errettung sei und warten muß, bis er die befohlenen Handlungen vorgenommen und in der Gnade gewachsen sei, ehe er wissen kann, daß er errettet ist. Nein, in dem Augenblick, wo der Sünder sein Vertrauen auf das vollbrachte Werk Jesu setzt, ist er errettet. Himmel und Erde mögen vergehen, aber dieser Mann wird nie umkommen. Wenn ich nur vor einer Sekunde dem Heiland vertraut habe, bin ich sicher; ganz so sicher wie der Mann, der schon fünfzig Jahre an Jesus geglaubt und die ganze Zeit über rechtschaffen gewandelt hat.

Ich sage nicht, daß der Neubekehrte so glücklich ist oder so nützlich oder so heilig oder so reif für den Himmel, aber ich sage, daß das Wort: ,Wer an Ihn glaubt, der hat das ewige Leben,„ eine Wahrheit ist, die allgemein gilt, ebensosehr von dem Kind im Glauben wie von dem Mann, der ,das Maß des vollkommenen Alters Christi“ erreicht hat. Es ist, wie wenn das Kapitel in der Absicht geschrieben wäre, dem groben Irrtum zu widersprechen, daß der Glaube keine augenblickliche Errettung bringe. Darum erhebt es den Glauben wieder und immer wieder; ja, und ich kann hinzufügen, unser Herr selbst krönt den Glauben, weil der Glaube nie die Krone trägt, sondern alle Ehre dem teuren Erlöser bringt.

Nun laßt mich ein paar Worte in Erwiderung auf einige Fragen sagen. Aber muß nicht ein Mensch sowohl Buße tun als auch glauben? Antwort: Niemand hat je geglaubt, ohne daß er zur selben Zeit auch Buße getan hat. Glaube und Buße gehen zusammen. Sie müssen es. Wenn ich Christus vertraue, daß Er mich von der Sünde retten wird, so tue ich zu gleicher Zeit Buße für die Sünde, und mein Sinn ist in Bezug auf die Sünde und auf alles andere, was damit zusammenhängt, geändert. Alle Früchte der Buße sind im Glauben selbst enthalten. Ihr werdet niemals finden, daß ein Mensch, der Christus vertraut, ein Feind Gottes bleibt oder ein Liebhaber der Sünde. Die Tatsache, daß er die angebotene Versöhnung annimmt, ist ein sicherer Beweis dafür, daß die Sünde ihn anwidert und daß sein Herz in Bezug auf Gott ganz verändert ist. Mehr als das, ist nicht alle Gnade, die sich später in dem Christen finden, dem Keim nach schon in dem Glauben enthalten? ,Glaube nur, so .sollst du errettet werden,„ ist der Ruf, über den viele hohnlächeln und den andere mißverstehen; aber wißt ihr, was ,nur glauben“ bedeutet? Wißt ihr, was für ein umfassender Sinn in dem Worte liegt? Lest jenes berühmte Kapitel an die Hebräer, und seht, was der Glaube getan hat und wozu er noch fähig ist, zu tun, und ihr werdet sehen, daß es keine Kleinigkeit ist. Wo immer Glauben in einem Menschen ist, da braucht er sich nur zu entwickeln, dann wird eine Reinigung von der Sünde da sein, eine Absonderung von der Welt, ein Kampf mit dem Bösen und ein Streiten für die Ehre Christi, wie es durch nichts anderes erzeugt werden könnte. Der Glaube ist an sich eine der edelsten Gnaden; er ist der Inbegriff aller Tugenden; und wie manchmal in einer einzigen Ähre genug Samen liegt, einen ganzen Garten fruchtbar zu machen, so liegt in diesem einen Wort ,Glaube„ genug Tugend, um die ganze Erde gesegnet zu machen; Gnade genug, wenn der Geist Gottes ihn wachsen läßt, um den Gefallenen in den Vollkommenen zu wandeln. Der Glaube ist nicht das leichte Ding, für das die Menschen ihn halten. Fern liegt es uns, das Heil dem bloßen Bekenntnis gewisser Lehren zuzuschreiben, der Gedanke ist uns schon zuwider; ebensowenig schreiben wir das Heil demjenigen zu, der sich selbst einredet, daß er es besitzt; aber wir schreiben das Heil Jesus Christus zu, und seine Erlangung jener einfachen kindlichen Zuversicht, die sich voll Liebe in die Arme Dessen wirft, der seine Hände den Nägeln hingab und bis zum Tod für die Sünde seines Volkes litt. Wer so glaubt, ist errettet – darüber seid sicher. ,Wer da glaubt, daß Jesus der Christus ist, der ist von Gott geboren.“

III.

Nun, was folgt aus all dem? Liebe ist die ganz natürliche Folge! Wir müssen, wenn wir von Gott gezeugt sind, alle die lieben, die auch von Gott geboren sind.

Es würde eine Beleidigung für euch sein, wenn ich beweisen würde, daß ein Bruder seinen Bruder lieben sollte. Lehrt uns nicht schon die Natur das? Die also, die von Gott geboren sind, sollten alle Hausgenossen Gottes lieben. Und wer ist das? Nun, alle die, die glauben, daß Jesus der Christus ist und ihre Hoffnung auf den setzen, auf den wir die unsere setzen, nämlich auf Christus, den Gesalbten Gottes. Wir sollen sie alle lieben. Wir sollen dies tun, weil wir von einer Familie sind. Wir glauben, und deshalb sind wir von Gott geboren. Laßt uns handeln als Glieder der göttlichen Familie; laßt uns es für ein Vorrecht halten, daß wir als Hausgenossen aufgenommen sind und uns freuen, die lieblichen Verpflichtungen unserer hohen Stellung zu erfüllen. Wir blicken uns um und sehen viele andere, die an Jesus Christus glauben; laßt uns sie lieben, weil sie zur Verwandtschaft gehören.

„Aber einige sind ungesund in der Lehre, sie sind in groben Irrtümern über die Anordnungen des Herrn befangen“. Wir sollen ihre Fehler nicht lieben und sollen auch nicht erwarten, daß sie die unseren lieben, aber wir sollen ungeachtet dessen ihre Personen lieben, denn „wer da glaubt, daß Jesus der Christus ist, der ist von Gott geboren“, und deshalb gehört er zur Familie, und wie wir den Vater lieben, der uns gezeugt hat, müssen wir alle die lieben, die von Ihm gezeugt sind. Zuerst liebe ich Gott, und deshalb wünsche ich, Gottes Wahrheit zu fördern und Gottes Evangelium frei von Verderbnis zu halten. Aber dann soll ich alle die lieben, die von Gott geboren sind, trotz der Schwächen und Irrtümer, die ich in ihnen sehe, da ich auch mit Schwächen behaftet bin. Das Leben ist der Grund der Liebe, das gemeinsame Leben, das sich durch den gemeinsamen Glauben an den Erlöser darstellt, soll uns zusammenbinden.

Laßt mich die Mitglieder dieser Gemeinde bitten, einander in Liebe zu begegnen. Sind einige Schwache unter euch? Tröstet sie. Sind einige da, die der Unterweisung bedürfen? Bringt eure Kenntnis zu ihrer Hilfe. Sind einige in Not? Steht ihnen bei. Sind sie rückfällig? Helft ihnen wieder, auf den rechten Weg zu kommen. Kindlein, liebt einander“, ist die Regel in Christi Familie; mögen wir sie beobachten. Möge die Liebe, die in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben wurde, ausgegossen ist, sich durch unsere Liebe zu allen Heiligen offenbaren. Und denkt daran: Er hat noch andre Schafe, die nicht aus diesem Stall sind, die muß Er auch herführen. Laßt uns die lieben, die noch hereingeführt werden sollen und sofort in Liebe ausgehen, sie zu suchen; welchen Dienst Gott uns auch zugewiesen haben mag, laßt uns mit liebevollen Augen nach unseren verlorenen Brüdern suchen, und wer weiß, ob wir nicht noch heute einige in die Familie hineinführen, über die Freude vor den Engeln Gottes sein wird, weil die Verlorenen gefunden sind. Gott segne und tröste euch, um Jesus Christus willen. Amen.

(Charles Haddon Spurgeon)

Quelle: Glaubensstimme – Die Archive der Väter