Christian Gottlob Pregizer (1751-1824)

Biographie

Pregizer, Christian Gottlob, geb. am 18. März 1751 in Stuttgart, † am 30. October 1824 in Haiterbach, Oberamt Nagold in Württemberg, ist bekannt als Haupt einer pietistischen Gemeinschaft seines Vaterlandes. Sein Vater Johann Philipp P. war Regierungsrathssecretär in Stuttgart, die Mutter hieß Anna Elisabeth geb. Düring; er widmete sich dem geistlichen Stande, welchem zahlreiche ältere Mitglieder der Familie angehören, durchlief das höhere und niedere Seminar, magistrirte 1770 und wurde 1783 Pfarrer in Grafenberg, Oberamt Nürtingen. Von seinen Studien und seiner theologischen Richtung aus jener Zeit ist nur bekannt, daß er die Schriften Jakob Böhme’s und Oetinger’s mit Vorliebe studirte; die theologischen Aphorismen, welche er in einem handschriftlich noch vorhandenen Tagebuch aus dem Jahre 1788 niederlegte, sind unbedeutend und klingen mit ihren Ausdrücken von Tinctur, Eingeistung, Universalsamen etc. sehr an die beiden genannten Theosophen an. Auch mit Michael Hahn (s. A. D. B. X, 364ff.) stand er in Verbindung, theilte dessen Ansichten, besonders über die Wiederbringungslehre. Später zerfiel er mit diesem, warum und wann ist nicht mehr klar zu stellen. P. wurde erst mit seiner Beförderung nach Haiterbach (1795) und durch seine Verbindung mit dort wohnenden Pietisten in weiteren Kreisen bekannt. Dort traf er eine „Gemeinschaft“ an, über deren Entstehung nichts sicheres nachzuweisen ist, welche aber in dem religiös damals sehr erregten Württemberg (ein neues rationalistisch gefärbtes Gesangbuch wurde z. Th. mit militärischer Gewalt eingeführt) eine Gegenströmung gegen das stark hervortretende Heiligungsstreben der Pietisten, besonders der Michelianer bildet; die Partei auf dem Schwarzwald, den Fildern, in der Steinlach und sonst ziemlich verbreitet, legte das Hauptgewicht auf das Bewußtsein der Bekehrung, sie nannten sich die „Seligen“ und „Gerechten“ im Gegensatz gegen die „Werkler“. Ihrer Freude über den Besitz des Gnadenstandes gaben sie besonders in den weltlichen Melodien Ausdruck, welche sie den kirchlichen Liedern zu Grunde legten; sie arbeiteten am Sonntag, glaubten einer ernsten Buße nicht mehr zu bedürfen, nahmen am Abendmahl Theil ohne Beichte und Vorbereitung etc. Seit 1806 trat P. mit ihnen in Verbindung, nahm sich der Gemeinschaften, welche in seinem Pfarrorte bestanden, an und trug viel dazu bei, die Leute von Separation von der Kirche, von Unbotmäßigkeit gegen die Obrigkeit, überhaupt von Ausschreitungen zurückzuhalten. Seine originellen, sehr populären Predigten mit gereimten Themen, hie und da im Dialekt gehalten, mit Feuer vorgetragen und auf echter Frömmigkeit ruhend, wobei der selige Gnadenstand der Kinder Gottes, auch die zukünftige Seligkeit mit starken, oft krassen Farben ausgemalt wurde, zogen sehr viele Zuhörer an, besonders aus den ungebildeten Ständen. 1808 wurde ihm von Seiten des Consistoriums sein Glaubensbekenntniß abverlangt, man fand zwar in demselben keine eigentlichen Irrlehren, wohl aber viel Unklares und Mystisches, während seine sonstige treue Amtsführung, seine Sorge für die Schule, sein unbescholtener Wandel anerkannt werden mußten.

In diesem Ruf erhielt er sich auch bis zu seinem Ende. Seit December 1822 war er von Schlaganfällen heimgesucht, 30. October 1824 starb er in seinem Pfarrorte. Ueber seine Familienverhältnisse ist nichts bekannt, als daß er verheirathet war und einen Sohn hatte. Seine Anhänger finden sich noch gegenwärtig in verschiedenen Gegenden Württembergs, haben ihre heiteren Singweisen, überhaupt ihre Auffassung von der Rechtfertigung beibehalten; in der Liedersammlung für gläubige Kinder Gottes, 2. Aufl. Backnang 1849 finden sich einige religiöse Lieder von P., die zum Theil schwunghaft sind, aber auch|theilweise sehr einfach und geschmacklos; eines derselben von 53 Versen zeigt mit den Anfangsbuchstaben das Akrostich: Eleonora Elisabetha Pregizerin Stadtpfarrerin in Haiterbach!

Literatur

Haug, Die Sekte der Michelianer, in: Studien der evangel. Geistlichkeit Würtemb., Bd. 11.
Grüneisen, Abriß einer Geschichte der religiösen Gemeinschaften in Würtemberg, in: Zeitschrift für die historische Theologie. Jahrg. 1841. —
Palmer, Die Gemeinschaften und Sekten Würtembergs, 1877. —
Ritschl, Geschichte des Pietismus. Bd. 3.

Autor/in: Theodor Schott.

Quelle:

Schott, Theodor, Eintrag Pregizer, Christian Gottlob„, in: Allgemeine Deutsche Biographie 26 (1888), S. 548-549 [Online-Version]

CC-BY-NC-SA

Verweise

Die Gemeinschaften und Sekten Württembergs. Von Dr. Christian Palmer, weil. Professor an der Universität Tübingen. Aus dessen Nachlaß herausgegeben von Prof. Dr. Jetter. Verlag der H. Laupp’schen Buchhandlung, Tübingen 1877. [Digitalisat]


Eingestellt am 17. November 2023