Mesmerismus („Animalischer Magnetismus“)

Diese esoterische Heilmethode ist benannt nach dem deutschen Arzt Franz Anton Mesmer (1734-1815) und bezeichnet die Heilkraft des von Mesmer beschriebenen, so genannten „animalischen Magnetismus“. Es handelt sich dabei um die Heilkraft eines angeblich allgegenwärtigen, den ganzen Kosmos erfüllenden „physikalischen Fluidums“, das auch den Menschen durchziehen soll.

Daher kann der Mesmerismus als Vorläufer der zahlreichen energetischen Heilmethoden bezeichnet werden, die immer mehr die zeitgenössische Alternativmedizin durchdringen (wie z.B. Reiki, Prana Healing, Orgontherapie, Geistheilung). Nach Mesmers Annahme lassen sich die Krankheitszustände auf eine ungleiche Verteilung dieses „Fluidums“ im menschlichen Organismus zurückführen, welche wieder zurechtgebracht werden muß. Diese Hypothese ähnelt sehr den fernöstlichen Vorstellungen einer Lebensenergie Qi  oder Wilhelm Reichs Vorstellung einer „Orgonstrahlung“, welchen ähnliche Eigenschaften zugeschrieben werden.

Mesmers „Fluidum“ soll durch Magneten verstärkt und zielgerichtet auf Menschen übertragen werden können. Allerdings funktioniert die Methode auch ohne magnetischen Einfluß, was den Geistheilungscharakter der Mesmerisierung unterstreicht. Selbst mit heutigen physikalischen Methoden ist weder „Qi“ noch das Mesmer-Fluidum oder die Orgonstrahlung nachweisbar. Der Magier und Okkultist Eliphas Levi Zahed (1810-1875, wie Mesmer Anhänger der Freimaurerei) nannte die Sache beim Namen: „Der Magnetismus ist magische Kraft in Vollendung“. 

Schopenhauer, der sich mit Mesmers Methoden beschäftigt hatte, schrieb dazu:

„Magnetismus, zweites Gesicht, Magie, Geistersehen (…) sind verwandte Erscheinungen, Zweige eines Stammes (…) Der animalische Magnetismus ist (…) wirklich die praktische Metaphysik…“ (zitiert nach R. Brehm [2])

Mesmer, dessen Dissertation das Thema „Über den Einfluß der Planeten auf den Menschen“ hatte, meinte, daß zwischen den Planeten und der Erde ein gegenseitiger
Einfluß bestehe, in den auch Tiere und Menschen einbezogen sind. Diesen Einfluß nannte Mesmer „animalischen Magnetismus“, weil seiner Meinung nach die Tiere am meisten
für diese wechselseitigen Einwirkungen empfänglich seien. Diese Hypothese Mesmers entspricht einer Grundposition vieler okkult-magischer Systeme: Der Kosmos sei durchweht von einem „Uräther“, einem „Fluidum“ (das bis heute physikalisch nicht nachzuweisen ist). Es ist das im New Age wiederbelebte Postulat einer „Weltbeseelung“, einer „kosmischen Kraft“, einer „feinstofflichen elektromagnetischen Energie“ oder, wie sie Brunner nennt, einer „biokosmischen Energie“ [nach Koch, 3a].

Es handelt sich also in allen diesen Fällen um die Inanspruchnahme verborgener (d.h. okkulter*) Kräfte bzw. Mächte.

(* lat. occultus = versteckt, verborgen. Okkultismus ist die Lehre von verborgenen, geheimen Kräften, die normalerweise den gewöhnlichen Menschen nicht bekannt oder zugänglich sind. Es ist das Gebiet der hinter der Magie agierenden finsteren Geistesmächte).

Es war den Therapeuten der damaligen Zeit klar, daß hier äußere Kräfte am Werke sind (und nicht eine „innere Kraft“ des Patienten, wie heute vielfach behauptet).

Die Mesmersche Technik arbeitet mit Streichungen, wobei der Behandler (Hypnotiseur) mit den Händen in geringem Abstand zum Körper des Erkrankten an bestimmten „Leitbahnen“, heute auch Meridiane genannt, entlangstreicht. Der Behandelte wird dabei nicht berührt; in der Folge tritt zunächst ein Entspannungszustand und dann die Ausbildung einer hypnotischen Trance ein. Es handelt sich also um eine manuelle Technik der Hypnose-Induktion; es wird auf diese Weise ein veränderter Bewußtseinszustand ohne den Gebrauch verbaler Suggestionen (das sind hypnotische Eingebungen durch Worte) erreicht.

Wienholt, Gmelin, Wolfart, Hufeland, Passavant, Ennemoser, E.T.A. Hoffmann u. v. a. haben sich eingehend mit dem animalischen Magnetismus beschäftigt. Bei Anwendung dieser Kraft versetzt der Magnetiseur die zu behandelnde Person durch Streichen in einen Schlafzustand, während dessen der Behandelte mit ihm in einem seelischen Rapport stehen soll [5]. Die zeitgenössischen Debatten über die Manipulationsgefahren während eines magnetischen Rapports veranlassten E.T.A. Hoffmann dazu, sich in seinem Werk
mit der Nachtseite des Magnetismus auseinanderzusetzen [Lit. 9, zu den Gefahren des hypnotischen Zustands siehe auch das Buch von M. und D. Bobgan].

Die Mesmerisierung wurde damals so bekannt, daß der Begriff sogar in den allgemeinen englischen  Sprachschatz einging. Das englische Zeitwort „to mesmerize“ bedeutet „fesseln, faszinieren, verzaubern, in den Bann ziehen“, was den okkult-magischen Charakter dieser Praktik gut wiedergibt. Im März 1780 setzte der französische König Louis XVI. sogar eine Kommission ein, die Mesmers Heilmethoden untersuchen sollte. Diese kam zum Schluß, daß die Phänomene auf Einbildung beruhten, mußte jedoch gewisse Heilerfolge anerkennen.

Die Lehren des Franz Anton Mesmer hatten auf verschiedene Bereiche der Psychologie große Auswirkungen. Somnambulismus (Armand Marie Jacques de Chastenet de Puységur), Psychoanalyse (Sigmund Freud), Suggestionstherapie (Émile Coué) und Hypnose, aber auch parapsychologische Therapien oder die aus dem Chinesischen übernommene Theorie des „Lebensmagnetismus“ Qi (Chi) enthalten Elemente seiner Werke.

Im Zusammenhang mit dem Mesmerismus traten häufig sogenannte „magnetische Krisen“ auf, das sind Schock-artige Erscheinungen, verbunden mit lautem Schreien und dramatischen Schüttelkrämpfen. Dies zeigt, wie tief diese Methode in die menschliche Psyche eingreift.

Immer wieder gab es Berichte über spirituelle und mystische „Erlebnisse“ als Begleiterscheinungen des animalischen Magnetismus. Justinus Kerner (1786-1862), Arzt und Dichter, der in seiner Jugend selbst von dem damaligen Heilbronner Stadtphysikus  Eberhard Gmelin mesmerisiert wurde, nahm sich dieser Thematik an. Er wurde später bekannt durch die aufsehenerregende Behandlung der „Seherin von Prevorst“, Friederike Haufe [7]. Dies ist auch nicht verwunderlich, denn die Einübung von Trancezuständen führt zu einer Medialität, der Ausbildung hellseherischer und anderer okkulter Fähigkeiten. Kerner entwickelte eine förmliche, aber völlig unbiblische „Geistertheorie“: “

„Der ‚Nervengeist‘ verläßt beim Tod samt der Seele den Leib und bildet dann eine ätherische Hülle um sie. Dadurch können die Geister des Zwischenreichs Töne hervorbringen, die Schwerkraft in den Körpern aufheben, so daß sie sich bewegen oder schweben und sich dem Menschen fühlbar machen.“ (zit. nach Hutten [8])

Der Schriftsteller Clemens Brentano (1778-1842) notierte 1832: „Merkwürdig ist das allgemeine Hervortreten der Geister- und Wunderwelt und besonders der Gewalt des Satans in unserer Zeit… Die Frommen in der Schweiz und in Württemberg haben schier keine andere Unterhaltung als Geister, Besessene, Doppelgänger usw.“ [ebd.]

Die Einflüsse dieser esoterischen Praktik reichen noch weiter: Der Heilpraktiker und Geistheiler Phineas Parkhurst Quimby kam vom Mesmerismus her und verwendete Heilkräfte suggestiver und magnetischer Art. Quimby nahm an, daß „unsichtbare magnetische Strömungen von Seele zu Seele gehen“, deshalb könne der Heiler den eigenen „Glauben“ auf den Kranken übertragen. Dieser Glaube wirke Wunder. An ihm hänge es auch, ob eine Arznei helfen oder wirkungslos bleiben würde. Diese Denkweise hatte erhebliche Einflüsse auf die „Prophetin“ Mary Baker Eddy (1821-1910), Begründerin der Sekte „Christliche Wissenschaft“ [nach Koch, 3b].

Schriftstellen aus Gottes Wort:

Ihr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viel falsche Propheten ausgegangen in die Welt (1. Joh. 4, 1)

Du lässest sie dahinfahren wie einen Strom; sie sind wie ein Schlaf, gleichwie ein Gras, das doch bald welk wird. (Psalm 90, 5)

Ihm, dessen Zukunft geschieht nach der Wirkung des Satans mit allerlei lügenhaftigen Kräften und Zeichen und Wundern. (2. Thess. 2, 9)

Und prüfet, was da sei wohlgefällig dem HERRN, und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, strafet sie aber vielmehr. Denn was heimlich von ihnen geschieht, das ist auch zu sagen schändlich… (Eph. 5, 10-12)

Es soll unter dir niemand gefunden werden, …der Wahrsagerei treibt, kein Zauberer oder Beschwörer oder Magier oder Bannsprecher oder Totenbeschwörer oder Wahrsager oder der die Toten befragt. (5. Mose 18, 10-11)

Aus der Erläuterung von W. McDonald:

Gott warnte sein Volk Israel davor, sich irgendwie auf die Welt des Okkulten, des Verborgenen und Übersinnlichen einzulassen. Alle Aktivitäten, die in diesen Versen aufgezählt sind, haben etwas mit Dämonismus zu tun und müssen daher gemieden werden. Diese Warnung gilt für die Gläubigen heute noch ganz genauso wie damals in der Zeit des Alten Testaments….mehr

Quellenverzeichnis, Links und weiterführende Informationen:

[1] Wikipedia: Seite „Franz Anton Mesmer

[2] Dr. R. Brehm © 2008: Alternative Heilverfahren, Religionen und der Affe Gottes. Books on Demand GmbH, Norderstedt.  ISBN: 978-3-8370-6199-4

[3a] Dr. Kurt E. Koch: Okkultes ABC – Kapitel Heilmagnetismus (pdf-Datei, Archivfassung im Web Archive)

[3b] Dr. Kurt E. Koch: Wunderheilungen heute – Außermedizinische Heilmethoden aus der Sicht der Seelsorge (Artikel bei horst-koch.de)

[4] Hans Peter Zimmermann: Geschichte der Hypnose

[5] Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907, S. 341. [Lexikalischer Artikel bei zeno.org]

[6] Justinus Kerner und der Mesmerismus: Der kranke Knabe und das magnetische Leben. Darstellung bei „Justinus-Kerner-Verein und Frauenverein Weinsberg e.V.

[7] Zeller, Albert („Von einem Freunde der Wahrheit“): Das verschleierte Bild zu Sais, oder die Wunder des Magnetismus: Eine Beleuchtung der Kerner’schen Seherin von Prevorst, und ihrer Eröffnungen über das innere Leben des Menschen und über das Hereinragen einer Geisterwelt in die unsere. – Leipzig, in der Weidmann’schen Buchhandlung, 1830; S. 168f.

[8] Hutten, Kurt: Seher, Grübler, Enthusiasten. Das Buch der traditionellen Sekten und religiösen Sonderbewegungen, S. 721 (Quell Verlag Stuttgart, 13. Aufl. 1984) – ISBN 3-7918-2130-X

[9] Popp, Maria: Der unharmonisch berührte Ton. Poetisierung der romantischen Medizin bei E.T.A. Hoffmann, S. 31ff. (Diplomarbeit, pdf-Datei).

[10] Westhoff, Andrea: Franz Anton Mesmer – der Magier vom Bodensee. Deutschlandfunk Archiv, Artikel vom 05.03.2015.

„Animal Magnetism“ (Animalischer Magnetismus) ist aufgeführt im „Alphabetical Listing of Potentially Harmful and/or Dangerous Spiritual Practices“ (= Alphabetische Auflistung potentiell schädlicher und/oder gefährlicher spiritueller Praktiken) des christlichen Spiritual Research Networks (SRN).

Erstellt am 30. August 2013 – Letzte Überarbeitung am 21. April 2023