Matthäus 25, 25

Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wußte, das du ein harter Mann bist: du schneidest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht gestreut hast, und fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in die Erde. Siehe, da hast du das Deine. (Matth. 25, 24.25)

Weil Jesus die Liebe kannte, kannte er auch die Lieblosigkeit und war imstande, uns ihr schreckliches Bild zu zeigen, so daß es uns in seiner Furchtbarkeit sichtbar wird. Was dieser Knecht sagt, ist eisig kalt und zeigt alle Merkmale des Todes. „Du bist ein harter Herr“. Warum denn? Für dich soll ich arbeiten, für dich leben. Ich soll säen, damit du erntest. Was ich tun soll, dient dir, macht deine Größe offenbar und deine Herrschaft wirksam. Für dich leben, für dich wirken, das ist unerträgliche Härte. Nimm das Deine! Und doch hat der, der so redet, das empfangen, was ihm Jesus gab, den Schatz des Himmelreichs. Warum heißt er es dennoch hart, für den Herrn zu leben?

Weil er auch das, was ihm Jesus gab, nur für sich begehrte. Er wollte seine Seligkeit, sein ewiges Leben, sonst nichts. Darum warf er sein Talent nicht weg, sondern vergrub es und brachte es dem Herrn unverkürzt zurück. Denn auch er will in die Freude des Herrn eingehen, er, nur er; was gehen ihn die anderen an? Wir wollen Jesus von Herzen dankbar sein, daß er uns dieses Wort geschenkt hat, diese scharfe Waffe gegen alle religiöse Eigensucht, gegen unsere fälschlich evangelisch genannte Selbstliebe, die Jesus nur für die eigene Not zum Heiland haben will und Gott nur deshalb sucht, damit unser eigenes Leben gedeihe. Mit Absicht zeigt uns Jesus die Lieblosigkeit an demjenigen Knecht, dem er nur ein einziges Talent gegeben hat. Denn wenn wir weniger empfingen und weniger vermögen als andere, faßt uns der versuchliche Gedanke leicht mit großer Stärke: Was soll ich mit meiner kleinen Kraft anfangen? Ich kann nichts anderes als für mich selber sorgen. Allein die Kleinheit meines Vermögens entschuldigt meine Eigensucht nie. Ich soll nicht das tun, was andere können, wohl aber das, was ich kann. Ob es wenig sei oder viel, was ich von Jesus habe, er gab es mir dazu, damit sein Wille geschehe und seine Gnade wirksam sei.

Du bist der Retter vom Tod; denn Du bist der Retter von der Lieblosigkeit. Du schenktest mir Deine Gnade, damit ich liebe, und ich liebe nur, wenn ich Dir diene. Das ist Dein heilendes Gebot und Dein königlicher Wille. Weil ich mich von meiner Eigensucht nur in Deiner Gemeinschaft lösen kann, nimm mich in Deine uns heiligende Pflege und führe mich.

Amen.

(Adolf Schlatter)

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Eingestellt am 13. August 2022