1. Johannes 3, 24

Und wer seine Gebote hält, der bleibt in ihm und er in ihm. Und daran erkennen wir, daß er in uns bleibt, an dem Geist, den er uns gegeben hat.
(1. Johannes 3, 24)

Die Merkmale unserer Kindheit vor Gott

Köstliches Wort: „Daran erkennen wir, daß wir aus der Wahrheit sind, und können unser Herz vor Ihm stillen, daß, so uns unser Herz verdammt, Gott größer ist, denn unser Herz und erkennt alle Dinge!“ (1. Johannes 3, 19+20)

Die wichtigste Lebensfrage ist unstreitig die: Bin ich aus der Wahrheit? d.h. ist Leben in mir? Gehöre ich zu Christi Schafen? Sind lauter meine Gottesdienste, aufrichtig meine Bekenntnisse und Gebete, ohne Lug mein gottseliger Wandel, gerad und einfältig und ungefärbt mein ganzes Wesen? Und kann ich mein Herz und Gewissen vor Gott stillen, so daß es mich nicht verdammt, den Richterstab bei Seite legt und der Ruhe, dem Frieden und einer stillen, ungetrübten Heiterkeit in den Gründen meines Wesens Raum gibt?

Der Apostel spricht drei Worte, und in den drei Worten die genügendste und herrlichste Lösung beider Fragen. Der Mensch ist aus der Wahrheit, wenn ihn

1) sein Herz verdammt und mit inniger Beugung und Beschämung ihm das Bekenntnis abnötigt: Ja, ich bin ein Sünder und nach Gottes Recht des höllischen Feuers schuldig;

2) wenn er glaubt, daß Gott größer ist als sein Herz; kann dieses nur verdammen, Gott kann auch lossprechen und vergeben; das Opfer und die Genugtuung seines Sohnes hat Ihn in den Stand gesetzt, unbeschadet seiner Gerechtigkeit die größten und schwersten Schulden zu streichen;

3) wenn er festhält, daß Gott Alles wisse und erkenne, und darum Gott nichts verhehlt, sondern sich ehrlich und aufrichtig vor Ihm gibt, wie er ist.

Diese drei Stücke sind die Merkmale unserer Kindheit vor Gott, und die gewissen Mittel, unser Herz vor Gott zu stillen, sowohl in der ersten Buße als bei jedem weiteren Fehltritt unseres Lebens, wenn das Gericht in den innern Kammern wieder angeht und das von Gott schon längst gestillte Gewissen wieder in große Unruhe gerät. Sie setzen das Herz in jene Sabbathfeier, die ein Vorschmack derjenigen ist, welche unser droben harret vor Seinem ewigen Thron.

Amen.

(Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


Hier wird uns im Anfang von Johannes eine sehr große Wohltat und überaus hohe Ehre vorgestellt, deren uns Gott gewürdigt hat, nämlich Seine unaussprechliche Liebe, Gnade und Barmherzigkeit, die Er uns in Christo Jesu erzeigt, daß wir durch denselben Gottes Kinder worden sind. Darüber ruft selbst Gott der heilige Geist voll Verwunderung aus: „Sehet doch!“ – gleichsam als wollte Er sagen: „Um Gottes willen, was ist das für eine Liebe und Gnade, daß uns der himmlische Vater um Christi willen zu Seinen Kindern auf- und annimmt!“

Diese Kindschaft bei Gott begreift alle andern hohen Guttaten in sich, die wir von GOtt und dem HErrn Christo haben, sonderlich die Erbschaft des Himmels und der ewigen Seligkeit. Denn Gott läßt es damit nicht genug sein, daß wir schon hier auf Erden Seine Kinder heißen, sondern nach unserm seligen Tod sollen wir noch zu weit höheren Ehren kommen und gelangen, indem wir Gott recht vollkommen erkennen – und Ihn von Angesicht zu Angesicht sehen werden.

Solche hohe und unaussprechliche Gnade und Ehre sollen wir, wie billig, auch mit hohem und herzlichem Dank erkennen – und mögen diesen Dank Gott nicht besser beweisen, als wenn wir uns von ganzem Herzen bemühen, Ihn als unserm lieben himmlischen Vater nachzuahmen, und deswegen uns vordersamt von Sünden reinigen, „gleichwie Er auch rein ist“ (1. Johannes 3, 3)

Zu solchem Ende ist ja Christus erschienen und in die Welt gekommen, daß Er durch Sein Blut und Verdienst die Sünde von uns wegnehme; und darum ist es allerdings unmöglich, daß der an Christo teilhaben und Gottes Kind sein kann, welcher sich mit mutwilligen und vorsätzlichen Sünden besudelt und befleckt.

So wird denn auch dieses als das zweifache vornehmste Kennzeichen wahrer und rechtschaffener Kinder Gottes im gegenwärtigen Kapitel angegeben: sich vor wissentlichen, vorsätzlichen Sünden hüten, und dagegen in den Geboten Gottes wandeln – und eines heiligen und unsträflichen Lebens sich befleißigen.

Daraus erhellt auch der Unterschied derer, die Kinder Gottes sind, und derer, die Kinder des Teufels sind. Wer Sünde tut, der ist vom Teufel – und schändet, so viel an ihm ist, das Verdienst Christi, der doch in dieser Absicht in die Welt gekommen ist – und ein so schweres Leiden um unsertwillen erduldet und ausgestanden hat, daß Er die Werke des Teufels zerstöre, während die Gottlosen dieselben mit ihrem bösen Leben und Wandel wieder aufrichten.

Und das heißt eben Sünde tun oder der Sünde den Zaum lassen: nach Gottes Wort nichts fragen, mutwillig und ohne alle Furcht Gottes in den Tag hineinleben, den bösen Lüsten des Fleisches nachhängen – und sich aller Schande und allen Lastern ergeben. Dies ist des Satans Art und sein Same. Denn wie sollte der ein Kind Gottes sein, der seinem Vater also entgegen wandelt und zuwider tut, der auch des Satans Macht und Gewalt in sich verrät durch die Lieblosigkeit gegen den Nächsten und die Brüder – und durch den beständigen Haß, mit welchem er die Frommen und Gläubigen verfolgt, wie der gottlose Kain den frommen und gerechten Abel?

Wer dagegen aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde, sondern gedenkt immerdar, wie er Gottes Gebot halte – und durch den Glauben gerecht erfunden werde. Obwohl nämlich die Kinder Gottes aus Schwachheit sündigen, so gehen sie doch gar bald in sich, zumal wenn sie aus Gottes Wort erinnert werden; sind auch nicht sicher, sondern erkennen und bekennen ihre Sünden, bitten durch Christum um Gnade und Vergebung – und trachten ohne Heuchelei mit Hilfe des heiligen Geistes so viel als möglich, wie sie sich wieder aufhelfen. Denn sie wissen, daß man sich außer dem der Kindschaft bei Gott nicht rühmen – noch irgend eine Hoffnung der Herrlichkeit haben kann, die einstmals an den Kindern Gottes offenbar werden soll.

Gottes Kinder sind also in der heiligen Taufe aus dem guten Samen des göttlichen Worts wiedergeboren; solcher Same aber bleibt jederzeit bei ihnen; und gleichwie aus einem guten Samen keine böse Frucht aufgeht, ebenso werden auch die Kinder Gottes nicht vorsätzlich und mutwillig sündigen, sondern vielmehr allezeit ihre Sorge und vornehmste Angelegenheit sein lassen, vor Gott und den Menschen recht zu tun.

Weil ferner der Sohn Gottes Seine Liebe gegen die Menschen sonderlich damit erwiesen hat, daß Er Sein Leben für sie gelassen, so denken die Kinder Gottes ebenfalls dahin, zumal wenn es die Not erfordert, dergleichen für ihren Bruder und Nächsten auch zu tun, und schließen dabei also: wenn ein Christ für den andern sogar das Leben lassen soll, so wird ja die Liebe gegen den armen dürftigen Nächsten das Herz auch darinnen nicht zuschließen, wenn es etwa mit Speise, Trank und anderer Notdurft demselben zu Hilfe kommen soll.
Wenn nun solchergestalt die Kinder Gottes recht glauben und heilig leben, so wissen sie, daß Gott ihr Vater allezeit ein Wohlgefallen an ihnen hat, können auch ihr Herz vor Ihm stillen, das ist, ein freudiges und fröhliches Gewissen behalten, können ferner mit Freuden vor Ihn treten und beten – und sich endlich gewiß versichern, daß ihnen von ihrem Vater im Himmel Gnade und Erhörung zu rechter Zeit widerfahren werde.

Der HErr unser Gott, der größer ist, als unser Herz, gebe, daß wir allezeit Freudigkeit zu Ihm haben – und an dem Geist, den Er uns gegeben hat, erkennen, Er sei unser Vater, und als Seine lieben Kinder durch den Glauben an und bei Ihm bleiben, auf daß, wann Jesus Christus dermaleinst erscheinen wird, wir Ihm gleich sein – und Ihn sehen mögen, wie Er ist.

Amen.

(Veit Dietrich)


Übersicht 1. Johannesbrief

Eingestellt am 12. März 2024