Offenbarung 10, 2

Und er hatte in seiner Hand ein Büchlein aufgetan. Und er setzte seinen rechten Fuß auf das Meer und den linken auf die Erde; (Offenbarung 10, 2)

Was ist mit dem „Büchlein“ gemeint?

Ganz grundsätzlich steht ein Buch für eine Botschaft. Ein geöffnetes Büchlein ist eine Botschaft, die bekannt ist. In Kapitel 5 beginnt das Gericht damit, dass eine Buchrolle geöffnet wird. Das geöffnete Büchlein illustriert also, was der Engel in Offenbarung 10, 6 sagt: „Es wird keine Frist mehr sein“. Die Vollendung des „Geheimnisses Gottes“, d.h. die Vollendung des Evangeliums, zu dem auch ein abschließendes Gericht über alles Böse und ein Neuanfang in Herrlichkeit gehört, steht vor der Tür. Dass Johannes das Büchlein isst, steht für die Verinnerlichung der Botschaft (vgl. Jeremia 15, 16). Dabei macht er die Erfahrung, dass die Botschaft zuerst süß schmeckt und dann bitter. Dahinter steckt m.E. eine Erfahrung, die jeder Christ macht, der sich mit dem Gericht Gottes beschäftigt.

Es macht Freude sich über den neuen Himmel und die neue Erde Gedanken zu machen, es ist eine schöne Vorstellung, über den Auferstehungsleib nachzudenken, der keinen Schmerz kennt und in dem keine Sünde wohnt. Eine solche Botschaft „schmeckt“ gut. Aber mit ihr kommt ein bitterer Beigeschmack, weil wir Gottes Neuanfang nicht denken können, ohne an die Menschen zu denken, die ihn verpasst haben. Die gute Nachricht vom ewigen Leben für alle Gläubigen, ist immer auch die schlechte Nachricht der ewigen Verlorenheit aller Ungläubigen. Und der Weg zu Gottes Herrlichkeit ist immer auch ein bitterer Weg des zunehmenden Bösen und des Gerichts über dieses Böse.

Quelle dieser Betrachtung: FROGWORDS


Das offene Büchlein

Des Engels weltdurchdröhnenden Schall und das Echo der Donner haben wir gehört; was aber bedeutet das Büchlein, das er in der Linken hält, während er die rechte Hand zum Schwur gen Himmel erhebt? Es ist nur ein kleines Büchlein; es ist auch nicht versiegelt, wie das große, den Weltenplan Gottes umfassende Buch, das das Lamm aus Gottes Hand genommen hat. Klein ist das Büchlein, denn es enthält nur, was für die letzte Zeit, ehe die siebente Posaune alles vollenden soll, von Gott beschlossen ist; und offen ist es, denn es gibt Aufschluß über das, was dieser Vollendung vorausgehen soll. Sein Inhalt drängt sich nahe zusammen; denn es soll kein Aufschub mehr kommen zwischen der sechsten und siebten Posaune. „Es wird hinfort keine Frist mehr sein“, so schwört der Engel; d. h. es eilt nunmehr den Ereignissen der letzten Posaune zu. Wie lang dann diese „Tage“ der letzten, alles vollendenden Posaune selbst dauern und was sie in sich schließen werden, darüber ist uns damit noch nichts enthüllt.

Das Büchlein ist für Johannes da. Er soll und darf es aus der Hand des Engels nehmen und essen. Das Bild ist für die im Alten Testament heimischen Leser – und solche setzt Johannes durchweg voraus – nicht fremdartig (vergl. Hesekiel 2, 8-3, 4), und auch uns in unserer farblos nüchternen Redeweise ist der Vergleich der Aufnahme von Worten mit der Aufnahme von Nahrung gang und gäbe, nicht nur durch Jesu Reden, sondern in allerlei Wendungen des gemeinen Lebens, und andere Sprachen reden darin zum Teil weit unmittelbarer und anschaulicher. Der Inhalt des Büchleins, wenn er ihn in sich aufnimmt, soll ihm zunächst süß sein und wohl eingehen; aber wenn  er ihn nun in sich aufgenommen und durch reichliches Nachdenken verarbeitet hat, wird er schwer daran tragen und ihn bitter empfinden. Er muß auf Grund des Büchleins abermals von den Greueln und dem Jammer weissagen, der die große weite Welt erfüllt und in der Völkergeschichte der letzten Tage unaussprechlich schrecklich erfüllen wird. Er wird mitten hineingeführt in die Zeit der großen Trübsal, von der Kapitel 7 geredet hat, und wenn auch der Umkreis, den sein Weissagen umschließt, nämlich die Endgemeinde aus Israel, äußerlich engbegrenzt sich ansieht, so wird hier doch der Schauplatz sein für völkergeschichtliche und weltgeschichtliche Ereignisse und Entscheidungen.

Quelle dieser Betrachtung:

Römer, Christian, weil. Prälat und Stiftsprediger zu Stuttgart: Die Offenbarung des Johannes, in Bibelstunden erläutert, S. 106f. (Verlag von D. Gundert, Stuttgart 1916)


Von einem versiegelten Buch ist der Inhalt noch unbekannt, von einem geöffneten ist der Inhalt geoffenbart, aber er muß vielleicht noch gegessen, das heißt in das Herz aufgenommen werden, wie das hier geschieht, indem Johannes, der Seher, das Büchlein nachher essen muß (Verse 9 und 10).

Das erste oder versiegelte Buch (Kapitel 5, 1) war ein Buch der Gerichte, die zwar im alten Testamente schon angezeigt waren, deren Reihenfolge und Ausführung aber unter dem Aufbrechen der Siegel und Ertönen der Posaunen (Kapitel 6f.) eine neue Offenbarung war. Dieses zweite Büchlein ist jetzt ein geöffnetes Buch der Weissagung, die der Seher nur noch in sich aufnehmen und verstehen soll.

Im alten Bunde lesen wir, „daß die Erde Jehovas ist und ihre Fülle, der Erdkreis und die darauf wohnen“ (Psalm 24, 1), und daß Gott seinem Gesalbten, also Christo, „die Nationen zum Erbteil geben will und zum Besitztum die Enden der Erde“ (Psalm 2, 8). In Übereinstimmung mit dieser und vielen anderen Weissagungen hören wir nun von dem starken Engel, dem Gesalbten Gottes: „Er stellte seinen rechten Fuß auf das Meer“ (Bild der Völker im Aufruhr oder ohne geordnete Zustände), „den Linken aber auf die Erde“ (die Völker unter geordneten Zuständen). Hiermit nimmt er Besitz von der ganzen Erde oder dem Erdkreis und allen, die darauf wohnen.

Aber das Erste; was der Herr tut, wenn er „die Nationen zum Erbteil empfängt“, ist das Gericht: „Du wirst sie zerschmettern mit eisernem Szepter“ (Psalm 2, 9).  So hören wir denn gleich von Seinem, das ist des „Königs“ Zorn, der „wie das Brüllen eines jungen Löwen“ ist (Sprüche 19, 12): „Und er rief mit lauter Stimme, wie ein Löwe brüllt. Und als er rief redeten die 7 sieben Donner ihre Stimmen“ (Kapitel 10, Vers 3).

Quelle dieser Betrachtung:

Dönges, Emil: Was bald geschehen muß. Betrachtung über die Offenbarung, S. 153f. Erschienen bei Geschw. Dönges, Dillenburg (2. Auflage, 1921)

Weitere Quellen:

Steinwender, Fritz: Die kommende neue Welt. Das letzte Buch der Bibel neu gehört. Lahr-Dinglingen, Verlag der St.-Johannis-Druckerei, Dr. Schweickhardt 1991; TELOS-Paperback Nr. 72 345 (ISBN 3-501-00982-8)

Schriftstellen

Dein Wort ward mir Speise, da ich’s empfing; und dein Wort ist meines Herzens Freude und Trost; denn ich bin ja nach deinem Namen genannt; HERR, Gott Zebaoth. (Jeremia 15, 16)

Die Ungnade des Königs ist wie das Brüllen eines jungen Löwen; aber seine Gnade ist wie der Tau auf dem Grase. (Sprüche 19, 12)


Eingestellt am 11. Mai 2024