Offenbarung 17, 12-18: Die Vasallen des Antichrists. Die Vernichtung Babylons.

Einundzwanzigste Bibelstunde

12 Und die zehn Hörner, die du gesehen hast, das sind zehn Könige, die das Reich noch nicht empfangen haben; aber wie Könige werden sie eine Zeit Macht empfangen mit dem Tier. (Offenbarung 13.1) 13 Die haben eine Meinung und werden ihre Kraft und Macht geben dem Tier. 14 Diese werden streiten mit dem Lamm, und das Lamm wird sie überwinden (denn es ist der HERR aller Herren und der König aller Könige) und mit ihm die Berufenen und Auserwählten und Gläubigen. (Offenbarung 19.14) (Offenbarung 19.16)
15 Und er sprach zu mir: Die Wasser, die du gesehen hast, da die Hure sitzt, sind Völker und Scharen und Heiden und Sprachen. (Jesaja 8.7) (Jeremia 47.2)
16 Und die zehn Hörner, die du gesehen hast, und das Tier, die werden die Hure hassen und werden sie einsam machen und bloß und werden ihr Fleisch essen und werden sie mit Feuer verbrennen.
17 Denn Gott hat’s ihnen gegeben in ihr Herz, zu tun seine Meinung und zu tun einerlei Meinung und zu geben ihr Reich dem Tier, bis daß vollendet werden die Worte Gottes.
18 Und das Weib, das du gesehen hast, ist die große Stadt, die das Reich hat über die Könige auf Erden. (Offenbarung 18.10)

Die 10 Vasallenreiche

1. Wir sind in die Zeit des achten, d.h. des letzten, die ganze Welt umspannenden Reichs des Antichrists versetzt. Johannes hat es in der Gestalt eines Tiers mit 7 Köpfen und 10 Hörnern versinnbildlicht gesehen. Die 7 Köpfe deuteten auf 7 selbständige Gestaltungen der Weltmacht, die aufeinander folgten; „Hörner“ sind nicht wie „Häupter“ Sitz selbständigen Wollens, und so sind die 10 Königreiche, die unter den 10 Hörnern abgebildet sind, nicht selbständige Mächte, sondern ihre Kraft und Macht ist dem Tiere völlig dienstbar. Diese Reiche sind vor dem Aufkommen des Antichrists „noch nicht“ dagewesen; sie kommen allem nach auf in den Umwälzungen, die auch zum Wiederaufleben des Reiches führen, das gewesen ist, verging und wieder ersteht, d. h. zur Errichtung des antichristlichen Reichs.

Der Geist, der diese Reiche und ihre Herrscher beseelt, ist bei allen derselbe: der Geist der Gottlosigkeit und Gottfeindschaft, wie er ausgeprägt sich darstellt und übermächtig sich auswirkt im „Tier“. Freiwillig treten sie zu einem Staatenbund zusammen und stellen sich völlig unter das antichristliche Reich als die beherrschende Vormacht, und damit hat das Tier die ganze Welt in seiner Gewalt. Die Herrlichkeit dieser Herrschaft des Tiers, dem sich die 10 Könige zur Verfügung stellen, wird groß sein, aber kurz dauern: „eine Stunde“, d. h. eine ihnen kurz zugemessene Zeit. Wir kennen diese Zeitdauer: es sind die 3½ Jahre der antichristlichen Übermacht. Wir wissen auch, daß sie den Kampf aufnehmen wird gegen die Gemeinde Christi (13, 7; 16, 1216). „Und das Lamm wird sie besiegen“. Wie wird das geschehen? Von Waffen und von Kämpfen hören wir nichts, wir werden nur daran erinnert, daß Christus eben als das Lamm, das sich für die Welt dahingegeben und sich seine Gemeinde durch sein Blut erworben hat, alle Gewalt hat auch über die Herren und Könige der Erde; und die, die mit ihm sind, sind Berufene und Auserwählte, und können darum von dem Herrn, der sie aus der Welt herausgerufen und zu seinem Eigentum erwählt hat, nicht der widergöttlichen Macht der Welt preisgegeben werden, wenn sie nur in der Treue als Gläubige verharren. In Kap. 19 werden wir von diesem Streit und Sieg des Lammes mehr erfahren.

2. Damit hat der Engel, der zu Johannes redet, das unerträglich Schreckhafte der Gestalt des Tieres hinweggenommen. Aber er hatte ja in erster Linie ihm Aufklärung über Wesen und Schicksal der großen Hure, der Weltstadt Babylon in Aussicht gestellt. Ihr Schicksal wird über sie kommen eben durch das Tier, durch die Entwicklung, die das Weltreich nimmt. Jetzt erst, wo das Tier uns eingehend gezeigt und gedeutet ist, läßt sich das Endgeschick der Hure in kurzen, wuchtigen Worten aussprechen. Darum hebt (V. 15) der Engel neu an.  Das alte Wort aus Jeremia 51 von Babylon, daß sie an großen Wassern sitze, gewinnt für die Stadt der Zukunft besondere sinnbildliche Bedeutung: „Es sind Völker und Menschenmassen und Nationen und Sprachen“. So weit die Macht des Antichrists, so weit erstreckt sich die auf ihren Künsten der Verführung ruhende Gewalt der Weltstadt, die der Mittelpunkt seines Reiches ist. Beide, Reich und Stadt, sind eines Geistes und eines Sinnes; eines stützt das andere und nützt es für seine Zwecke. Dennoch wird sich ereignen, was niemand erwarten sollte: das Weltreich wird sich gegen die Weltstadt wenden, die doch von ihm bis dahin getragen, gehegt und groß gemacht wurde und die ihm hinwiederum in aller Welt Vorschub geleistet hatte. Wie wird es hierzu kommen? Die Könige, die sich dem Weltreich zur Verfügung gestellt haben, geraten in Widerstreit mit dieser einen, alles verschlingenden Zentrale, und das Tier selbst, der Weltherrscher mit seinen Weltmachtinteressen, kann sich mit dem übermächtig gewordenen Weltzentrum nicht mehr vertragen: Das ist der Fluch, der dem auf Sünde gegründeten, von Sünde lebenden Bunde innewohnt; das ist das göttliche Verhängnis, welchem die Weltstadt zum Opfer fällt. In blinder Wut, ohne die Folgen, die aufs ganze Reich zurückfallen müssen, richtig vorauszusehen, werden die Könige und das Tier über Babylon herfallen, die in Wahrheit wie eine Königin über den Königen getrohnt und also tatsächlich die Welt ihrem Willen und Nutzen dienstbar gemacht hat (Vers 18). Nun wird sie Ihres Glanzes und Schmuckes entkleidet und nackt ausgezogen und hingeschlachtet.

Niemand nimmt sich der vorher von jedermann Umworbenen an; verlassen und zertreten sitzt sie nun einsam in der Wüste (V. 3), ja ist selbst zur Wüste geworden. Ihr Fleisch essen ihre Feinde, sie plündern und rauben, was Sie finden, und was sie nicht fortschleppen können, verbrennen Sie, so daß von aller ihrer Herrlichkeit nichts bleibt als ein schauriger Schutthaufen.

Welch ein Walten Gottes! Was sich die Menschen nicht hätten träumen lassen, daß die Weltstadt so schauerlich, so völlig vernichtet werden solle durch die, mit denen ihr ganzes Dasein zu unlösbarer Einheit verwachsen schien: Das tut Gott eben durch diese ihre Freunde. Sie ahnen es nicht, daß sie von Gott, dem gerechten und wunderbaren Richter, den sie lästern, geblendet sind, und daß er sich ihrer als der Schergen seines Gerichts bedient. Haben sie an Babel das Gericht Gottes durchgeführt, so wird bald auch an ihnen sein Urteil vollstreckt werden. So lange sollen sie beisammen bleiben (es wird nicht lange mehr dauern), damit sie gemeinsam untergehen und Christi Reich auf Erden aufgerichtet werde in einer Bälde.


„Das Geheimnis von dem Weibe und von dem Tier, das sie trägt, und von den 7 Häuptern und 10 Hörnern des Tiers“: so hieß die Überschrift (V. 7) über das, was wir über die Weltstadt und über das Weltreich vernommen haben. Aber haben wir es auch richtig gedeutet? Von rechts und links wird man einstimmig, aber freilich in sehr verschiedener Meinung uns zurufen: des Engels Worte reden deutlich von Rom und vom Römischen Reich. Man ist sich darüber so einig, daß auch wir, obgleich wir den Gelehrtenstreit nicht in Bibelstunden erörtern wollen, dazu nicht schweigen dürfen. Und dies umso weniger, weil für die eine Seite dieser Abschnitt zum Tummelplatz für allerlei selbst erdichtete Vermutungen über den Gang der Weltgeschichte rückwärts und vorwärts geworden ist und weiter zu werden droht.

Von der anderen Seite dagegen wird durch diesen Abschnitt, so wie man ihn sich zurechtlegt und »wissenschaftlich« auslegt, der Beweis für erbracht erachtet, daß das Buch der Offenbarung nur die schriftstellerische Form heiliger Prophetie wähle, um selbst ersonnene und aus Phantasie und Sage erwachsene Gedankengebilde in zündender und blendender Weise der Christengemeinde bedeutsam und zuverlässig, als vom Himmel stammend erscheinen zu lassen.

Die Meinung Bengels, Babylon bedeutet das päpstliche Rom und die entartete Kirche, dürfen wir beiseite lassen. Sie läßt sich nicht aufrechterhalten. Aber, so sagt man uns von der Seite, welche sich der biblischen Prophetie als göttlich zuverlässiger Wahrheit unterordnen will: Die Deutung des Tiers in der Offenbarung des Johannes muß doch die Weissagungen Daniel’s zugrundlegen. Hiergegen möchten wir grundsätzlich einwenden:

Die alttestamentliche Weissagung, einschließlich der des Täufers Johannes (Matth. 11, 13) zielt auf das Kommen des Messias, niemals über dieses hinüber auf seine Wiederkunft. Auch Dan. 9, 26f. greift weder beim Propheten selbst noch in Jesu Rede Matth. 24, 15 über das Schicksal des serubabelschen Tempels hinaus. Da die alttestamentliche Weissagung Anerbietung des messianischen Heils an Israel ist, so enthüllt sie eben darum nichts über den Weg, den Gott gehen wird, wenn Israel den Messias ablehnt. Nun hat aber Israel seinen Messias abgelehnt, und damit ist der derjenige Weg, auf den Gott das Volk durch die Propheten weisen und locken wollte, fortan abgebrochen. Und darum greift auch keine alttestamentliche Zeitrechnung über das Kommen des Messias hinüber auf sein zweites Kommen. Vollends die Zeitberechnungen bei Daniel haben lediglich nichts zu bedeuten, seit Christus die ganze Geschichte auf einen neuen Boden gestellt hat. Das kann nach Matth. 24, 36; Apg. 1, 7 gar nicht anders sein; übrigens geht es schon aus dem Wortlaut des Danielbuches klar hervor.

Ebendamit ist auch klar, daß die Offenbarung des Johannes über die einen völlig neuen Boden schaffende Erfüllung der Verheißung durch Christum hinüber nicht wieder rückwärts an die „4 Danielischen Reiche“ anknüpfen und ihnen noch 3 weitere hinzufügen will. Wenn sie die Bildersprache des Alten Testaments und so auch Daniels entlehnt, so repariert sie damit nicht inhaltlich, was dort ehedem geweissagt war, sondern benutzt die gegebene prophetische Ausdrucksweise und Versinnbildlichung für ihre eigenen neuen und selbständigen Gedanken. Es ist Verirrrung, zu meinen, der Seher der Offenbarung wolle zu den Danielischen Reichen weitere hinzufügen und so die Zeit bis ans Ende der Welt umspannen. Wie unglücklich das ist, geht neben den Schwierigkeiten, die für die Erklärung des Danielbuches sich rückwirkend ergeben, daraus hervor, daß alle Erklärer, die in diesem Geleise gehen, nach dem römischen Weltreich höchstens noch das „römisch-germanische“ einzusetzen Raum haben, und die ganze weltgeschichtliche Entwicklung von da an nur Entfaltung entweder des römischen oder des römisch-germanischen Reichs sein lassen. Nun geht das doch wahrhaftig angesichts der Weltgeschichte, die wir erlebt haben und erleben, schlechterdings nicht an. Englands Weltreich, mit dem sich kein anderes der Geschichte an Weltbedeutung auch nur entfernt messen kann, und das in gar keinem Sinn des Worts aus dem europäischen Kontinentalreich der Vergangenheit heraus gewachsen ist, schrumpft hier bei so einem „Horn“ an dem Haupt „römisches“ oder „römisch-germanisches Reich“ zusammen! Für die geschichtlich gewaltigen Staatengebilde der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Osmanisches Reich, Rußland, Vereinigte Staaten Nordamerikas, Japan usw. ist bei dieser Weltbetrachtung überhaupt kein Raum; denn sie bleibt mit ihrem Gesichtskreis geschichtlich immer im Altertum, geographisch am mittelländischen Meer als sanieren maßgebenden Mittel Mittelpunkt hangen. Nachdem das römische Weltreich zusammengebrochen ist, baut man mit Karl dem Großen usf. weiter und sieht nicht, wie die Wirklichkeit der Geschichte derlei Kartengebäuden fort und fort Ihr Urteil spricht. ─ Alle Versuche, nach dieser Schablone dem Text der Offenbarung und vollends dem geschichtlichen Gang der Weltgeschichte gerecht zu werden, führen in verwirrende Vermutungen hinein und haben eine fast unübersehbare Menge kunstvoller Erklärungsversuche gezeitigt, deren einer den anderen aufhebt.

Auf völlig anderen Bahnen bewegen sich die in der Gegenwart weithin herrschenden Auslegungsversuche, welche in Babylon die Welthauptstadt zur Zeit des Johannes, nämlich Rom, und in den 7 Häuptern 7 aufeinanderfolgende Kaiser des Römischen Reiches sehen.

[…]

Man glaubt von rechts und von links mit derlei Vermutungen Licht nicht nur in unseren Abschnitt, sondern in das ganze Buch hineinzutragen, und endet hier wie dort in beklemmenden Unklarheiten. Ist nicht alle Schwierigkeit dadurch erst entstanden, daß man annimmt, [V.] 17, 7 wolle ankündigen, das, was vorher geheimnisvoll angedeutet sei, werde jetzt von V. 8 an so ausgelegt, daß der Leser erraten könne, welche geschichtlich bereits vorhandenen Gestalten, Reiche, Fürsten, Könige er darunter zu verstehen habe.

In Wirklichkeit aber steht V. 7 nicht, daß der Engel unverständlich geheimnisvolle Bilder nun auslegen wolle, sondern daß er dem sehr vom Geheimnis der Hure und des Tiers, das ihn (V. 6) erschüttert hat, noch mehr mitteilen wolle, das ihm noch mehr zu staunen geben wird, ihn aber auch das Ende, das der Herr macht, wird ahnen lassen.

Die Offenbarung ist ein Buch für die Gemeinde Christi. Wir müssen uns hüten, so viel drein hineinzugeheimnissen, daß der Leser eigentlich in aller möglichen Gelehrsamkeit zu Hause sein müßte, um, was das Buch sagen will, aus ihm heraushören zu können. Daheim müssen wir vor allem werden in der Bibel des Alten und des Neuen Testaments; dadurch werden wir am besten daheim in diesem geheimnisvollen letzten Buch der Heiligen Schrift.

zurück zu Offenbarung 17, 1-11  —  weiter zu Offenbarung 18, 1-24

Quellenverzeichnis:

Auslegung: Christian Römer, weil. Prälat und Stiftsprediger zu Stuttgart: Die Offenbarung des Johannes, in Bibelstunden erläutert, S. 172-180 (Verlag von D. Gundert, Stuttgart 1916)

Bibeltext: Luther 1912 (bibel-online.de)

Siehe dazu auch:

Bender, Leopold – Die siebzig Jahrwochen. Betrachtung über Daniel 9, V. 24-27.

Hunt, Dave: Globaler Friede und Aufstieg des Antichristen

Pache, Rene: Die Wiederkunft Jesu Christi, Kapitel 6 – Die große Babylon (externer Link zu horst-koch.de)

Rothgerber, Jean-Jacques: Offenbarung 17, 1-18. Endzeitlehre, Audiodatei (mp3) bei DWG Load

Weblinks und Verweise

Aufbau und Gliederung der Offenbarung
PDF-Übersicht von Siegfried F. Weber (im Web Archive)

Einführung in das Prophetenbuch Daniel
PDF-Übersicht von Siegfried F. Weber (im Web Archive)

Symbolik in der Offenbarung des Johannes:
Microsoft-Powerpoint-Präsentation von Siegfried F. Weber

Kauffmann, Karl-Hermann: Hure Babylon und die Braut – Der grundsätzliche Kampf der Gläubigen in der Endzeit. Audiovortrag vom 12.02.23 im mp3-Format und Manuskript im pdf-Format (jeweils externe Links zu predigten-und-vortraege.ch)

Brügmann, Jürgen: Die Hure Babylon 1. Aus der ERF-Reihe Bibel heute, vom 3.11.2022.
Müller, Peter: Die Hure Babylon 2. Aus der ERF-Reihe Bibel heute, vom 4.11.2022.
Reinhardt, Andreas: Die Hure Babylon 3. Aus der ERF-Reihe Bibel heute, vom 5.11.2022.

(Materialien ausschließlich zur nichtkommerziellen Nutzung)


Eingestellt am 5. April 2022 – Letzte Überarbeitung am 23. April 2025