Nun freut euch, lieben Christen g’mein (Württ. Gesangbuch 1912 #11)

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Evangelische Kirche Neulußheim
Collegium Aereum Bläserensemble / Gerhard Müller (Orgel)
am Reformationsfest, 10.11.19

1) Nun freut euch, lieben Christen g’mein,
und laßt uns fröhlich springen,
daß wir getrost und all in ein
mit Lust und Liebe singen,
was Gott an uns gewendet hat
und seine süße Wundertat;
gar teur hat er’s erworben.

2) Dem Teufel ich gefangen lag,
im Tod war ich verloren,
mein‘ Sünd mich quälet Nacht und Tag,
darin ich war geboren;
ich fiel auch immer tiefer drein,
es war kein Guts am Leben mein,
die Sünd hatt‘ mich besessen.

3) Mein‘ gute Werk, die galten nicht,
es war mit ihn’n verdorben,
der frei Will haßte Gottes G’richt,
er war zum Gutn erstorben.
Die Angst mich zu verzweifeln trieb,
daß nichts denn Sterben bei mir blieb;
zur Hölle mußt ich sinken.

4) Da jammert‘ Gott in Ewigkeit,
mein Elend über Maßen,
er dacht an sein‘ Barmherzigkeit,
er wollt mir helfen lassen;
er wandt zu mir das Vaterherz,
es war bei ihm fürwahr kein Scherz,
er ließ’s sein Bestes kosten.

5) Er sprach zu seinem lieben Sohn:
„Die Zeit ist, zu erbarmen“;
fahr hin, meins Herzens werte Kron
und sei das Heil dem Armen,
und hilf ihm aus der Sünden Not,
erwürg für ihn den bittern Tod,
und laß ihn mit dir leben.

6) Der Sohn dem Vater ghorsam ward,
er kam zu mir auf Erden,
von einer Jungfrau rein und zart,
er sollt mein Bruder werden.
Gar heimlich führt‘ er sein Gewalt,
er ging in meiner armen G’stalt,
den Teufel wollt er fahen.

7) Er sprach zu mir: „Halt dich an mich,
es soll dir jetzt gelingen“;
ich geb mich selber ganz für dich,
da will ich für dich ringen;
denn ich bin dein, und du bist mein,
und wo ich bleib, da sollst du sein,
uns soll der Feind nicht scheiden.

8) Vergießen wird er mir mein Blut,
dazu mein Leben rauben;
das leid ich Alles dir zu gut,
das halt mit festem Glauben.
Den Tod verschlingt das Leben mein,
mein‘ Unschuld trägt die Sünde dein;
da bist du selig worden.

9) Gen Himmel zu dem Vater mein,
fahr ich aus diesem Leben.
Da will ich sein der Meister dein,
den Geist will ich dir geben,
der dich in Trübnis trösten soll
und lehren mich erkennen wohl
und in der Wahrheit leiten.

10) Was ich getan hab und gelehrt,
das sollst du tun und lehren,
damit werd‘ Gottes Reich gemehrt,
zu seinem Lob und Ehren,
und hüt‘ dich für der Menschen G’satz, [Satzung]
davon verdirbt der edle Schatz.
Das laß ich dir zur Letze.“ [zum Abschied]

Liedtext: 1523, Martin Luther (1483-1546)
Melodie: 15. Jahrh. / Geistlich Nürnberg, 1523

Lied Nr. 11: Gesangbuch für die evangelische Kirche in Württemberg, Schmuckausgabe, S. 20f. (Verlagskontor des evangelischen Gesangbuchs, Stuttgart 1912)

Die erste Blüte im evangelischen Liedergarten. – Als Dr. Martin Luther bei der Nachricht von dem Zeugentode des Heinrich Voes und Johann Esch zu Brüssel den 30. Juni 1523 in die Saiten griff mit dem Gesang „Ein neues Lied wir heben an, Das walt‘ Gott unser Herre“ schloß er in freudigem Geiste sein Lied mit den Worten:

Der Sommer ist hart vor der Thür,
Der Winter ist vergangen.
Die zarten Blümlein gehn herfür;
Der das hat angefangen,
Der wird es wohl vollenden.

Hendrik Voes und Jan van Essen auf dem Scheiterhaufen

Damit hatte er der evangelischen Kirche auch einen Liederfrühling geweissagt, welcher prächtig ins Land zog. Im nächsten und innersten Zusammenhang mit jenem Liede folgte sofort dieses Kirchenlied, welches der evangelischen Freudigkeit jener beiden Märtyrer einen volltönenden allgemein gültigen Ausdruck gibt. Von Luther gedichtet 1523, erscheint es im ersten Gesangbüchlein der Reformationszeit, dem Achtliederbuch oder Kleinen Nürnberger Enchiridion 1524 als das erste von acht und führt den Titel

„Ein christenlichs Lied Doktoris M. Luthers, die unaussprechliche Gnaden Gottes und des rechten Glaubens begreyffendt“.

In dem Erfurter Enchiridion vom Jahr 1524 heißt es ganz kurz: „folget ein Hübsch evangelisch Lied, welches man singt vor der Predigt“. Luther selbst überschrieb es in seinen G. G.: „Ein Danklied für die höchsten Wohlthaten, so uns Gott in Christo erzeigt hat“. Mit Recht kann man von ihm sagen: Hier ist der ganze evangelische Glaubensgrund enthalten. Schamelius gibt ihm daher den Titel „Von der Ordnung des Heils und dem Werk der Erlösung“, und G. Wimmer gibt den Inhalt kurz und gut mit den Worten an: „Magnalia redemtionis Christi“.

Das ganze Lied ist, wie alle Lieder Luthers, dem Boden der heiligen Schrift entsprungen, und jeder Gedanke hat seine biblische Begründung. – „Daß wyr auch vns möchten rhümen wie Moses ynn seym gesang thut: Exod. 15“, so sagt Luther in seiner Vorrede zum Enchiridion, und in der That macht unser ganzes Lied den Eindruck desselben Jubels wie dort am rothen Meere, nur daß es hier den Triumph über den höllischen Pharao gilt.

Dieser Jubelton erfüllt besonders V. 1. „Fröhlich soll mein Herze springen!“ Das ist ein Echo vom Reigen Mirjams, welches Paul Gerhardt gerne weiter klingen ließ, und welches in unsern Herzen nachklingen soll, so oft wir mit Luther in diesem Lied dem Heldengang des Erlösers nachdenken dürfen. V. 2. 3. schaut der Sänger in seiner eigenen Lebenserfahrung im Kloster den Zustand des Menschen ohne Christo überhaupt, wobei die Erfahrung Pauli Röm. 7 mitklingt, und die Welt vor Christo im Judenthum und Heidenthum angedeutet wird. V. 4. 5. tritt ihm nun in wundervoller Weise der Rathschluß der Erlösung vor das geistige Auge. Aus dem Jammer der Zeit blickt er in die Tiefe der Ewigkeit, und sieht mit Lust, wie die Liebe der Ewigkeit sich ergießen soll in die Fülle der Zeit. V. 6 ist der Mittelpunkt des Liedes, die Thatsache des Heils kurz und zart in ihrem Eintritt beschrieben. Die Gemeinde wird hineingezogen in seinen Gang. V. 7. 8. 9. sehen wir den Sohn sich gürten zur Hingabe, im Tode das Leben ergreifen und von der himmlischen Triumpheshöhe die Siegesbeute des Geistes geben. Es ist der Erlösungsgang zu unsrem Heil. Endlich klingt V. 10 das Lied aus in einen Ton der Ermahnung: „Lehret sie halten was ich euch befohlen habe!“

Liedbeschreibung aus: Geschichte des Kirchenlieds und Kirchengesangs der christlichen, insbesondere der deutschen evangelischen Kirche, von Eduard Emil Koch, Dekan, ordentlichen Mitglied der Historisch-theologisđen Gesellschaft zu Leipzig. Achter Band, Zweiter Haupttheil. Die Lieder und Weisen. Stuttgart, 1876

Links und Verweise:

Liedvortrag bei Lieder vom Glauben (Vocifer, Ev. Stift Tübingen)

Liedeintrag bei evangeliums.net

Liedeintrag bei Hymnary.org

Liedeintrag und Audiofile (mp3) bei sermon-online.de