16. Stille (Psalm 62, 2)

Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Ps. 62, 2.

Sie haben Dich, o Jesu, Meister und Herr geheißen und Dein eigener Mund spricht: Ich bin es Auch, Johannes 13, 13. Meister und Herr in der Wahrheit und Kraft! Und wie köstlich bist Du, Herr, denen, die da glauben, weil Du niedrig bist wie der Ysop, der aus der Wand wächst und erhaben, wie die Ceder zu Libanon, 1. Könige 4, 33. Wollest mein Herz und Gemüt erquicken und erfreuen durch Deine milde Niedrigkeit und meinen Geist stärken und meine Seele stillen durch Deine große Stärke und Kraft, Du von Herzen Demütiger und Meister und Herr.

Es ist Deine Meisterschaft, meine Seele zu stillen; diesen Ruhm gibst Du nicht den Götzen und diese Ehre keinem Andern, Jesaja 42, 8.

Nahe Dich meiner Seele, Du Herr und Meister, so wird sie inne werden, daß Du ihr hilfst. Du hast den großen Ruhm, daß Du ein Mann bist, dem Wind und Meer gehorsam sind, Matthäus 8, 26.

O Herr, Dein Ruhm ist noch größer, denn Du stillst meine Seele. Und nicht so ungestüm ist das Meer mitten im Sturme, als es meine Seele ist, wenn sie Dich aus den Augen läßt. Dann kommt immer eine Angst, Furcht, Schrecken, Sorge, Ungeduld über die andere. Wahrlich ja, es ist ein elend jämmerlich Ding um aller Menschen Leben von Mutterleibe an, bis sie in die Erde gegraben werden, die unser Aller Mutter ist. Da ist immer Sorge, Furcht, Hoffnung und zuletzt der Tod, Sirach 40, 1.2.

Herr, hilf uns! Matthäus 8, 25. Stehe auf und beweise Deine Meisterschaft. Laß meiner Seele Dein Angesicht leuchten, so ist mir geholfen. Warum denn so unruhig, meine Seele in mir? Psalm 43, 5. Waren doch alle meine Tage auf Dein Buch, o Herr, geschrieben, die noch werden sollten und derselben keiner da war, Psalm 139, 16. Und Dein wahrhaftiger Mund spricht: Nun sind auch eure Haare auf dem Haupte alle gezählt, Matthäus 10, 30.

Stille, stille meine Seele zu Gott, der dein Meister ist. Bete Ihn an, den Ewigen und Lebendigen. Du darfst wohl ganz in Frieden schlafen; denn der Herr hilft dir, daß du sicher wohnst, Psalm 4, 9. Gott hat ein Wort geredet, das darfst du etliche Male hören, daß Gott allein mächtig ist, Psalm 62, 12.

Er führt mit mächtiger Hand Wind und Wetter und in Seiner Hand liegt Abend und Morgen, der Schlüssel des Himmels und der Hölle – o Seele, Seele, sei stille zu Ihm, der dir hilft.

Zwar sprechen zwei untrügliche Zungen gegen mich – das Gewissen und das Gesetz. Dazu gibt es eine Finsternis um uns, deren Fürst Alle anficht, die ihm nicht dienen; bald sucht er mit Angst wegen der Vergangenheit, bald mit der Furcht des Zukünftigen zu quälen. Meine Seele ist dazwischen wie ein gejagtes Reh und schreit wie ein Hirsch nach frischem Wasser. Pauli Kunst, was dahinten ist, zu vergessen und vorne nichts als ein Kleinod zu sehen, ist nicht sobald gelernt.

Jesu, Meister meiner Seele, laß mich wissen, daß Du gekreuzigt, gestorben, begraben und auferstanden bist und daß Deine Hand meinen Feinden auf dem Halse ist, 1 Mos. 49, 8. Du um meiner Sünde willen Gekreuzigter und mein lebendiges Haupt, bist Du nicht in mir und bin ich nicht in Dir? Bin ich nicht in der seligen Taufe mit Dir in Eins gepflanzt (Römer 6.) und deutet mir nicht der ewige Geist, daß ich nach dem Willen Gottes in Dir sein soll und Du in mir? So laut Du am Kreuze riefest, so laut sprich in meine Seele, daß Alles vollbracht ist; so tief Du im Grabe lagst gerechtfertigt von aller Schuld, laß meine Seele in Dir ruhn, und so herrlich Du auferstanden bist, laß Dein Auferstehungsleben durch meinen Geist und Seele ziehen.

Meine Seele in mir, nur stille, daß du den stillen tiefen Trost des Namens Jesu hörst. Deine Hülfe und dein Heil ist nahe; sei nur stille, daß du merkst und verstehst.

Eins gestatte der Seele, Herr, die Du stillst, daß sie Dich lobe – lobe für vergangene Wohltaten und lobe für Deine zukünftige Geduld und Liebe, darauf ich leben und sterben will. Wenn Du mir wiederum begegnest in Brot und Wein, laß mich Dein Lob verkündigen, Du unschuldiges Lamm, das meine Sünde trägt und laß mich Dir mit all Deinen Kindern Hallelujah singen, bis ich es vor Dir singen werde mit neuer Zunge. Dann wird meine Seele stille sein vor Dir und meine Zunge voll Rühmens über Dich, Du Meister meiner Seele. Bis dahin spreche ich:

Sorgen, hört dem Schöpfer zu;
Meine Seele sucht nur Ruh.
Meine Hülfe ist der Mann,
Dem, soweit die Schöpfung geht,
Alles zu Gebote steht.

Quelle:

Stille halbe Stunden. Von Th. Schmalenbach. Gütersloh, Druck und Verlag von C. Bertelsmann. 1877.
Bayerische Staatsbibliothek, urn:nbn:debvb:12-bsb11354794-3
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Eingestellt am 7. März 2021 – Letzte Überarbeitung am 15. Oktober 2023