Johann Ludwig Fricker (1729-1766)

Johann Ludwig Fricker (* 14. Juni 1729 in Stuttgart; † 13. September 1766 in Dettingen an der Erms) war ein württembergischer Pfarrer und Vertreter des Pietismus.

Fricker war der Sohn eines Barbiers aus Stuttgart, die Mutter stammte aus einer Kaufmannsfamilie. Er studierte als Stiftler in Tübingen von 1747 an Philosophie und Naturwissenschaften und hatte in dieser Zeit schon eine starke Neigung zu Mathematik und Musik. Von 1749 bis 1752 studierte er Theologie. Gläubige Mitstudierende wie Karl Heinrich Rieger (1726–1791) und Magnus Friedrich Roos (1727–1803) hatten in dieser Zeit großen Einfluss auf das theologische Denken Frickers. Durch diese bekam er auch Kontakt mit Johann Albrecht Bengel, der ihn mit einer Erbauungsrede in einem Tübinger Stipendium bekehrte.

Durch das Studium der Bengelschen Schriften hat sich sein Glaube verfestigt. In der Folge wurde er vor allem von Friedrich Christoph Oetinger in Walddorf bei Tübingen sowie von Friedrich Christoph Steinhofer [1] in Dettingen an der Erms beeinflusst. Durch Oetinger wurde Fricker auch in die Physik und Mathematik eingeführt und bekam durch diesen eine Stelle als Mitarbeiter des Konstrukteurs Johann Georg Neßtfell aus Wiesentheid in Franken, um diesem beim Bau einer astronomischen Weltmaschine zu helfen.

Um diese Maschine dem Kaiser in Wien vorzuführen, nahm Neßtfell Fricker mit auf die Reise an den kaiserlichen Hof. Von dort aus zog er weiter in die Markgrafschaft Mähren und das zum Königreich Ungarn gehörende Oberungarn (die heutige Slowakei), wo er seine naturwissenschaftlichen und astronomischen Kenntnisse vertiefte. Bei dieser Reise besuchte er in Mähren den Prämonstratenser Prokop Diwisch in Brenditz [2] bei Znaim, einen der ersten Erforscher elektrischer Erscheinungen, dessen Lehren er in Mitteleuropa verbreiten wollte.

1753 wurde Fricker Hauslehrer in Stuttgart. Er unterrichtete hier einen Neffen des Pietisten Friedrich Christoph Oetinger, Eberhard Christoph Ritter und Edlen von Oetinger (1743–1805) [3], dessen spätere, mit Goethe verwandte und befreundete Ehefrau, Charlotte von Barckhaus, genannt von Wiesenhütten (geborene Edle von Oetinger,  1756–1823), 1774 von Goethe im Briefroman Die Leiden des jungen Werthers in der literarischen Figur der ‚zweiten Lotte‘, „Fräulein von B..“, verewigt wurde [4].

Seit 1755 wirkte Fricker in einer mennonitischen Familie in Amsterdam, von wo er mit seinem Schüler auch eine Reise nach London unternahm, um dort unter anderem die Methodisten John Wesley und George Whitefield kennenzulernen. 1760 kehrte er nach Württemberg zurück und besuchte auf dieser Reise verschiedene Städte am Niederrhein sowie das Wuppertal. Dabei kam er in Kontakt mit Samuel Collenbusch, Matthias Jorissen, Johann Christian Henke und Gerhard Tersteegen und wurde so zu einem der Vermittler zwischen Friedrich Christoph Oetinger und den niederländischen bzw. niederrheinischen Pietisten.

Johann-Ludwig-Fricker-Haus in Dettingen an der Erms

In Württemberg übernahm er 1761 das Amt des Pfarrverwesers in Kirchheim unter Teck, danach war er Vikar in Uhingen an der Fils und danach, von 1762 bis 1764 Diakonus, d. h. Zweiter Pfarrer, in Dettingen an der Erms sowie Pfarrer in der Filialgemeinde Hülben, wo er den wesentlichen Anstoß für die Einführung des Pietismus gegeben hat. Dabei hatte er in der Hülbener Schulmeistersgattin Anna Katharina Kullen, verwitweter Schilling, geb. Buck, sowie dem Dettinger Bäckermeister Christoph Handel (1720–1800) eifrige Unterstützer. Fricker, der nach eigenem Bekunden eine trockene, herbe und wortkarge Natur war und an seine Gemeinde hohe theologische Ansprüche stellte, zog bei seinen Erbauungsstunden zeitweise zwei- bis dreihundert Teilnehmer an. Er verwies im Sinne des auf tätiges Christentum, die praxis pietatis, dringenden Pietismus auf die Bedeutung des Jakobusbriefs in Ergänzung zum Römerbrief, den er ebenfalls besonders hoch schätzte.

Diese Hochschätzung drückt sich auch in einer von Pastor Wilhelm Busch (1897-1966) gerne erzählten Geschichte aus, der selbst mütterlicherseits aus der Hülbener Kullen-Linie stammte:

„Pfarrer Fricker hatte an dem kleinen Albdorf Hülben und seinen Bewohnern eine besondere Freude. Er hielt dort nicht wie vorgeschrieben 14-tägig einen Gottesdienst, sondern nahm jeden Sonntag den beschwerlichen Albaufstieg von Dettingen an der Erms, seiner Hauptgemeinde, auf sich, um dort zu predigen. Er spürte, hier gab es offene Ohren und Herzen für das Evangelium.

Von den Predigten Frickers wurde die Frau des Schulmeisters Kullen, Anna Katharina, geb. Buck, besonders angesprochen. In einem seelsorgerlichen Gespräch gestand sie
ihrem Pfarrer ihre innere Unruhe und ihren Mangel an Glaubensgewißheit. Pfarrer Fricker war ein in sich gekehrter Mann, der nicht viele Worte machte. Er gab ihr den Rat:

„Frau Schulmeisterin, lese Sie den Römerbrief!“

Nach einem erneuten Besuch im Hülbener Schulhaus sagte sie zu ihm:

„Der Römerbrief ist ja etwas für die Dettinger, aber nichts für uns Hülbener!“

Sie wollte damit sagen, solche Menschen, wie sie in den ersten Kapiteln des Römerbriefs beschrieben werden, gibt es wohl im gewerbefleißigen Dettingen, aber doch nicht im frommen, gesitteten Hülben.

Pfarrer Fricker sagte nur zu ihr:

„Frau Schulmeisterin, lese Sie den Römerbrief noch einmal.“

Beim nächsten Gespräch sagte sie dann zu Fricker: „Ja, der Römerbrief ist auch etwas für die Hülbener – und besonders ist er ist auch für mich!“

Pfarrer Fricker antwortete nur:

„Jetzt ist Ihr ein Licht aufgegangen, und bei diesem Lichte lernt man!“

Die Familie Kullen hat über 200 Jahre lang in durchgängiger Generationenfolge die Lehrer der Hülbener Schule gestellt.

Schriften

  • Die Weisheit im Staube, d. i. Anweisung, wie man unter den allergewöhnlichsten u. gemeinsten Umständen, die man gleichwie Staub gering ansieht u. wenig beachtet, auf die einfältig leitende Stimme Gottes bei sich merken soll, 1. Aufl. [o. O.] 1775.

Quellen:

Seite „Johann Ludwig Fricker“ (auszugsweise), in: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 5. Februar 2021, 07:36 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Johann_Ludwig_Fricker&oldid=208457585 (Abgerufen: 26. Oktober 2021, 19:25 UTC)

Das schwäbische Jerusalem – 200 Jahre „Stunde“ in Hülben. Hrsg.: Die Apis – Evangelischer Gemeinschaftsverband Württemberg (pdf)

Bildnachweis:

Johann-Ludwig-Fricker-Haus: Vux (Liz. CC-BY-SA 3.0), via Wikimedia Commons

Erstellt am 26. Oktober 2021