P a s t o r W a l t h e r P a u c k e r
geboren im Pastorat St. Simonis, 7. März 1878
ermordet in Wesenberg, 6. Januar 1919
Paucker war der älteste Sproß eines alten estländischen Pastorengeschlechtes. Seit 13o Jahren hatten Pauckers die Pfarre von St. Simonis inne. Das Studium der Theologie und das Pfarramt danach gehörte zur guten Tradition dieses Geschlechts. Walther Paucker wurde 1907 zum Hilfsprediger in Reval ordiniert und wurde in demselben Jahre Pastor secundarius zu Wesenberg [estnisch: Rakvere]. Hier hatte er dem Primarius besonders in Predigt und Armenpflege zu helfen. Als der Weltkrieg ausbrach, war sein Senior verreist, Paucker hatte allein die ganze Amtslast zu tragen. Unermüdlich war er in der Erledigung der massenhaften Kanzleiarbeit, die die Mobilisation mit sich brachte (der Pastor war ja auch der Standesbeamte). Unermüdlich war er, den Einberufenen und den Angehörigen Stärkung und Trost zu geben. Alle Abend sammelte er die Zurückgebliebenen zum Gottesdienst, mit dem sich fast täglich eine Abendmahlsfeier verband. In dieser Zeit hat die Wesenbergsche Gemeinde ihren jungen, zu jeder Hilfe stets bereiten Pastor ins Herz geschlossen. Auch in seiner Schultätigkeit erwarb seine Tüchtigkeit und Herzensgüte viel Anerkennung unter seinen Kollegen, viel Liebe unter seinen Schülern. Wenn es ihm
irgendwie die Zeit erlaubte, fuhr er nach dem nahegelegenen St. Simonis, um seinem alten Vater in dessen Gemeinde zu helfen. Er erwarb sich auch hier so sehr die Liebe aller, daß die Gemeinde St. Simonis ihn selbstverständlich als den Nachfolger seines Vaters ansah. Zu dessen fünfzigjährigem Amtsjubiläum im Herbst 1918 wurde er denn auch einstimmig von der Gemeinde zum Nachfolger gewählt. Diesen Ruf hat Walther Paucker freudig angenommen. Vorderhand blieb er noch in Wesenberg, bis die Amtsübergabe geordnet war.
Am 16. Dezember rückten die Bolschewiken in Wesenberg ein. Alles war vor ihnen geflohen, was fliehen konnte. Paucker blieb. Er schrieb seinen Eltern darüber: „Alle überreden mich, auch zu fliehen, ich kann mich aber nicht dazu entschließen, die große Wesenbergsche Gemeinde zu verlassen. Das Wort vom Hirten, der die Schafe verläßt,
wenn der Wolf hereinbricht, läßt mich nicht los und zwingt mich, auf meinem Posten zu bleiben, ich stehe in Gottes Hand, er kann und wird mich beschützen, wenn es sein Wille ist.“
Schon am 17. Dezember wurde er verhaftet. Ein früherer Konfirmand, der eine führende Stellung bei den Roten einnahm, erbot sich, ihm zur Flucht zu verhelfen. Paucker war bereit, das Gefängnis zu verlassen, wenn jener es übernehmen würde, ihm die Erlaubnis auszuwirken, frei und ungehindert der Gemeinde seelsorgerisch dienen zu können. Das vermochte der junge Kommissar nicht zu versprechen, so blieb Paucker im Gefängnis und hat in den drei Wochen seiner Gefangenschaft den Mitgefangenen treulichst zur Seite gestanden.
Am 6. Januar 1919 wird er mit vielen anderen zur Hinrichtung geführt. Er hat im Angesicht seines Todes heiß und inbrünstig gebetet, auch für seine Leidensgefährten und seine Mörder. Danach stimmte er das Lied an: „Laßt mich gehen, laßt mich gehen, daß ich Jesum möge sehen.“ Das haben seine Leidensgenossen mitgesungen, bis daß die Kugeln sie niederstreckten. Nach vierzehn Tagen, nachdem die Herrschaft der Roten gebrochen,
wurde seine Leiche aus dem Massengrabe in die Kirche von Wesenberg gebracht. Der greise Vater und die ihm nahestehenden Amtsbrüder feierten mit der Gemeinde von Wesenberg, die die Kirche bis auf den letzten Platz füllte, den Trauergottesdienst, der doch mehr eine Siegesfeier war. In endlosem Zuge geleiteten die Wesenberger ihren Hirten auf den Weg nach St. Simonis. Auferstehungslieder wurden gesungen, — „Jerusalem, du hochgebaute Stadt„ erklang unterwegs. An der Stadtgrenze nahm die Wesenbergsehe Gemeinde Abschied von ihrem lieben Pastor, das letzte Dankeswort wurde ihm nachgerufen, viele berührten zum Abschied den Sarg des treuen Hirten, sie sprachen noch ein stilles Gebet. Dann übergaben sie die sterbliche Hülle ihres lieben Pastors den Kirchenältesten von St. Simonis, die gekommen waren, den von ihnen erwählten Hirten feierlich heimzuführen.
Das war die Introduktion des gewählten und inzwischen bestätigten Pastors Walther Paucker in seine Gemeinde zu St. Simonis. Sein Tod war die erste und die gewaltigste Predigt, die er als Parochus seiner Gemeinde gehalten, sie hatte zwei Teile, – von der
Treue bis in den Tod, vom Glauben, der die Welt überwindet.
Quelle: Oskar Schabert, Pastor zu St. Gertrud in Riga: Baltisches Märtyrerbuch, Furche-Verlag. Berlin 1926. S. 73-76 [Digitalisat, pdf]
Bildnachweise:
Portrait Pastor Walther Paucker – Public Domain, via Wikimedia Commons
Stadtpfarrkirche in Wesenberg – Ivar Leidus (Liz. CC-BY-SA 3.0 EE), via Wikimedia Commons
Weitere Opfer
Die Herrschaft Anvelts war von zahlreichen Racheakten und Massakern in Wesenberg und Tartu geprägt, denen außer Paucker auch der russisch-orthodoxe Bischof von Tallinn, Platon Kulbusch (2000 heiliggesprochen), und die lutherischen Pastoren Traugott Hahn (seit 1969 im Evangelischen Namenkalender geführt) und Moritz Wilhelm Paul Schwartz zum Opfer fielen.
Während der Besetzung Wesenbergs durch die Bolschewiki wurden neben Paucker getötet:
- Frau von Samson (geborene Hehn)
- Frau von Rehekampff (geborene Hehn)
- Fräulein Janette Wrangell (aus Tolks)
- Fräulein Harriet Auguste Alexandrine Julie von zur Mühlen (* 13. Mai 1871 in Odenkat, † 6. Januar 1919)
- Dr. Moritz Luig (aus Kunda)
- Artur von Hesse (früher Akzise)
- Herr Eisenberg (Kaufmann)
- Leopold Aron (Posthalter)
Quelle: Wikipedia (DE)