Dies ist die Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat, seinen Knechten zu zeigen, was in der Kürze geschehen soll; und er hat sie gedeutet und gesandt durch seinen Engel zu seinem Knecht Johannes;
(Offenbarung 1, 1)
„Dies ist die Offenbarung Jesu Christi“. Da ist etliches leicht und etliches schwer. Wie es überhaupt von der Schrift und ihrem Geheimnis heißt: „Ein Elephant müsse darin schwimmen und ein Schäflein könne darin waten“. Die gescheitesten Leute finden oft den Boden nicht und die Einfältigen erreichen den Grund.
„Seinen Knechten zu zeigen“. Für Fremde, Feinde oder Spione gehört das nicht. Bist du aber ein Knecht Christi, so gehört diese Offenbarung für dich, du magst unter seinen Knechten eine hohe oder niedrige Stelle bekleiden.
„Was in Kürze geschehen soll“. Unsere jetzigen Zeiten sind Grenzzeiten. In Grenzzeiten geschehen gar viele und besondere Sachen auf einmal. Was geschah z. B. an dem einzigen Tag, da Israel aus Ägypten zog! Was geschah z. B. die Passionszeit über! In den mittleren Zeiten geschieht nicht eben gar viel, aber je näher es den Grenzzeiten zugeht, desto mehr geschieht.
Das Buch der Offenbarung, das letzte Buch der Bibel, ist von dem großen Feinde der Wahrheit jahrhundertelang als ein dunkles, unbegreifliches Buch hingestellt und in Verruf gebracht worden.
Aber es ist das Buch, in dem uns Gott den ernsten und herrlichen Ausgang des großen Kampfes in der Welt zwischen Licht und Finsternis enthüllt. Es ist die „Offenbarung (nicht ,Evangelium‘, noch ‚Geschichte‘) Jesu Christi (nicht des Johannes, sondern durch Johannes), welche Gott ihm gab, um „seinen Knechten“ zu zeigen, „was bald geschehen muß!“ – So lautet der Eingang des Buches.
Also den Knechten zeigt Er sie. Warum ihnen? Sie, die in dem größten Kampfe stehen, den die Welt kennt, sollen hören, daß er siegreich endet für das Lamm, auf dessen Seite sie stehen und streiten. Oft genug scheint es ihnen, als ob die F i n s t e r n i s siegen werde, aber nein, diese Offenbarung soll ihre Hände stärken, daß sie mutig seien, treu und unverzagt, denn das Lamm wird siegen und Seine Sache gar h e r r l i c h enden.
Jesus Christus, der Herr, hier zwar wohl im Himmel, aber noch nicht in der vollen Entfaltung Seiner Herrlichkeit, sondern als der verworfene Messias, als „der Sohn des Menschen“ gesehen, zeigt und deutet die Offenbarung, die Gott Ihm gab, „dem Johannes durch einen Engel“. In den Briefen der Apostel, welche von den geistlichen Segnungen der Kirche oder Gemeinde des Herrn handeln, ist kein Engel der Überbringer und Ausleger der Gedanken Gottes; aber hier, wo es sich um die Erde und um die Aufrichtung des Reiches Jesu Christi handelt, sehen wir, wie so oft im Alten Bunde, wieder einen Engel als Gottes Boten tätig.
Quelle: Dönges, Emil: Was bald geschehen muß. Betrachtung über die Offenbarung.
Erschienen bei Geschw. Dönges, Dillenburg (2. Auflage, 1921) [Digitalisat bei M. Arhelger, pdf]
Denen aber, die sich Jesu zu „Knechten“ ergeben (Vers 1), die also ihm „leibeigen“ sein und bleiben wollen, gibt ihr Herr zwar keine Landkarte und keinen Stundenzeiger mit auf ihre Wanderschaft durch die Welt, daß sie nun mit ihrem Verstand sich zurechtfinden und die Dinge berechnen könnten, aber er gibt ihnen eine „Offenbarung“, durch die sie ein zuverlässiges Wissen um das haben, was sie wissen müssen, um sich in gehorsamem Dienst zu betätigen. „Der Vater zeigt dem Sohn alles, was er tut“ (Joh. 5, 20), und es ist des Vaters Wille, daß der Gemeinde des Sohnes durch den Sohn, der das Licht der Welt ist (Joh. 8, 12), so viel Licht zuteil werde, als sie braucht, um sich durchzufinden. Es hat aber dem Herrn gefallen, nicht im klaren, hellen Wort, wie er selbst auf Erden geredet hat, so nun auch vom Himmel herab zu seiner Gemeinde über die Zukunft zu reden, sondern ein Engel vermittelte sein Wort, wie einst das Gesetz Moses (Gal. 3, 19) durch Engeldienst vermittelt war. Welcher Unterschied, wenn wir an 1. Joh. 1 denken, wo es heißt:
„Was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unsern Augen, was wir beschaut haben und unsre Hände betastet haben, vom Wort des Lebens – das verkündigen wir euch!“
Der Apostel selbst macht uns also auf den großen Unterschied aufmerksam, damit wir nicht vergessen: ins volle Licht schauen wir nicht, sondern in soviel Licht, als uns der Herr durch Engelsdienst, der sich zu uns herablässt, geben will. Und überdies: „in Zeichensprache!“ – Denn so ist das Wort gemeint, das Luther übersetzt hat: „er hat sie gedeutet“.
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