31. Christi Lob (Psalm 103, 1)

Lobe den Herrn, meine Seele.
Psalm 103, 1

Im ewigen Leben werden wir Vieles nicht mehr bitten und singen, was uns in diesem Erdenleben anliegt; denn im ewigen Leben wird kein Tod und Leid und Schmerz mehr sein (Offenb. 21, 4), also auch keine Bitte mehr um Erlösung. Aber in alle Ewigkeit wird
das Hallelujah nicht aufhören, vielmehr wird es mit neuen Zungen gesungen werden. Und willst Du es, meine Seele, im zukünftigen Leben singen, so lerne es in diesem Leben.

Lobe den Herrn, meine Seele. O meine Seele, wache auf, wache auf! Weißt du nicht, daß alle Creaturen, alle Tiefen, Feuer und Sturmwinde, Berge und Hügel den Herrn loben sollen? Ps. 148, 7–9.

Wie vielmehr du, meine Seele, die du nach Gottes Bilde gemacht, ein Werk Seiner Weisheit und Güte bist. Weißt du nicht, daß „Alles, was Odem hat, den Herrn loben“ soll? Ps. 150, 6. O meine Seele, du bist eine todte, träge, undankbare Seele, und müßtest keinen
Odem in dir haben, wenn du des Herrn Lob nicht verkündigst.

Doch, Herr, man lobet Dich in der Stille zu Zion, Ps. 65, 2. O so bitte ich, führe mich in die Stille zu Zion, damit der Geist über mich komme, der Dich loben lehrt. Als Du jenem Manne mit deinen gesegneten Händen die Augen berührtest, sah er Alles recht (Marc.
8, 25). Deine Hand, mein Heiland, ist nicht verkürzt und nicht erstorben und nicht kraftlos geworden. So wollest Du mir durch Deine Hand die Augen öffnen, daß ich Alles recht sehe, damit der Anblick Deiner Wunder Dein Lob in mir erwecke und mehre. Und wohin soll ich nun meine Augen wenden? Auf Deine Werke, die Du von Anbeginn der Welt gethan hast oder auf Deine große Barmherzigkeit, die alle Morgen neu ist oder auf Deine Treue, die groß ist (Klagel. Jer. 3, 23) oder auf Dich Selbst, Du A und O, Du ewige, hochgelobte Schönheit? Dein Finger ordnet die Zahl der Sterne, Deiner Hände Werk; Dein Finger schreibt in die Erde. Joh. 8, 8. Du hast die Tiefen der Hölle geschaffen und missest die Weiten des Himmels.

Aber vor allen Deinen Werken bist Du Selbst, Jesu, Du Erster und Letzter. Gib mir recht und scharf zu sehen (Marc. 8, 25), so werde ich Niemanden sehen als Dich allein. Matth. 17, 8. Und o wie groß und wunderbar bist Du ! Du gehst in meiner armen Gestalt und obwohl die Welt, wenn sie vielmal so weit wäre, von Edelstein und Gold bereit, Dir doch viel zu klein wäre, um Dir ein enges Wiegelein zu sein, so bist Du einer armen Jungfrau Kind geworden; und der Du aller Creatur Licht und Lust, Nahrung und Kleidung gibst,
nimmst Handreichung an von etlichen Weibern. Luc. 8, 3. Mein Heiland, Dich wollte ich loben und es wäre meines Herzens Freude, Dich mit fröhlichem Munde zu loben (Ps. 63, 6), aber gib Du mir selbst Worte und Gedanken, weil ich keine Worte finde vor Deiner Niedrigkeit, Du freundlicher, demüthiger Heiland. Ich sehe auf Dich, wie Dein Zeuge will (Joh. 1, 29), Du Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt. Wie Du sie trägst, der Welt Sünde, die schwere Sünde, meine häßliche Sünde! Wie Du sie büßest, wie Du meinen Tod zerbrichst, wie Du Deinen Leib für meinen Leib und Deine Seele für meine Seele gibst! Du hast der Hölle den Sieg, dem Tode die Macht genommen und Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht. So groß bist Du, Herr, und Deine Größe ist unaussprechlich. Ps. 145, 3. Dich will ich loben, so lange ich lebe; denn Du heilest, die zerbrochenen Herzens sind und verbindest ihre Schmerzen (Ps. 147, 3), Du gibst den Müden Kraft und Stärke genug den Unvermögenden, Jes. 40, 29.

Du gabest mir den neuen Geist und wirst in mir das Werk Deiner Hände nicht lassen. O meine Seele, lobe den Herrn und laß es dir gewiß sein, daß der durch den Geist in dir ist, größer ist als der Arge. Und obwohl das andere Gesetz in den Gliedern ist, welches dem Lobe Gottes zuwider ist (Röm. 7, 23), so ist doch diese Trübsal nur zeitlich. Und wie Jakob, der um Rahel diente, nicht ansah die sieben Jahre und den Mißmut Labans, sondern das Ende, des er harrte, so sollst du, meine Seele, hinaussehen ins Ewige, da dich der Herr von allem Uebel überlesen wird und du leuchtest als ein Stern in des Vaters Reich. –

Und dann werd ich,
Lamm Gottes, Dich
In Ewigkeit erheben,
Dort bei Deinem Hochzeitsmahl,
Meines Lebens Leben.
Lobe den Herrn, meine Seele.

Quelle:

Stille halbe Stunden, S. 92ff. Von Th. Schmalenbach. Gütersloh, Druck und Verlag von C. Bertelsmann. 1877.
Bayerische Staatsbibliothek, urn:nbn:debvb:12-bsb11354794-3
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