1) Oft denkt mein Herz, wie schwer es sei,
Herr, deinen Weg zu wandeln,
Und täglich deinem Worte treu
Zu denken und zu handeln.
Wahr ist’s, die Tugend kostet Müh‘,
Sie ist der Sieg der Lüste,
Jedoch, mei Gott, was wäre sie,
Wenn sie nicht kämpfen müßte.
2) Die, die sich ihrer Laster freu’n,
Trifft ja auch Schmerz hienieden,
Sie sind die Sklaven eig’ner Pein
Und haben keinen Frieden.
Der Fromme, der die Lüste dämpft,
Hat oft auch seine Leiden,
Allein der Schmerz, mit dem er kämpft,
Verwandelt sich in Freuden.
3) Des Lasters Bahn ist anfangs zwar
Ein breiter Weg durch Auen,
Allein sein Fortgang wird Gefahr;
Sein Ende Nacht und Grauen.
Der Tugend Pfad ist anfangs steil,
Läßt nichts als Mühe blicken,
Doch weiter fort führt er zum Heil,
Und endlich zum Entzücken.
4) Gott, hättest Du es uns vergönnt
Nach unsers Fleisches Willen,
Wenn Wollust, Neid und Zorn entbrennt
Die Lüste frei zu stillen,
Erlaubtest Du dem Frevler hier,
Aus Bosheit uns zu kränken,
Was müßten wir doch dann von Dir,
Du weiser Vater, denken.
5) Du willst, wir sollen glücklich sein,
Drum gabst Du uns Gesetze.
Sie sind es, die das Herz erfreun
Sie sind des Lebens Schätze.
Du sprichst in uns durch den Verstand,
Du sprichst durch das Gewissen,
Was wir Geschöpfe deiner Hand
Flieh’n oder wählen müssen.
6) Dich fürchten, das ist Weisheit nur
Und Freiheit ist’s, sie wählen;
Ein Tier folgt Trieben der Natur,
Ein Mensch dem Licht der Seelen.
Was ist des Geistes Eigentum,
Was sein Beruf auf Erden?
Die Tugend, was ihr Lohn, ihr Ruhm?
Dir, Höchster, ähnlich werden.
7) O, stärke mich dazu mit Krafts
So wird es mir gelingen,
Du bist es, Gott, der beides schafft,
Das Wollen und Vollbringen.
Wer Kräfte hat, wird durch Gebrauch
Von Dir noch mehr bekommen;
Wer aber nicht hat, dem wird auch
Das was er hat, genommen.
8) Mich stärke auf der Tugend Pfad
Das Beispiel sel’ger Geister;
Ihn zeigte mir und ihn betrat
Ja selbst mein Herr und Meister.
O, laß mich nie des Frechen Spott
Auf diesem Pfade hindern;
Mein wahrer Ruhm ist bei Dir, Gott,
Und nicht bei Menschenkindern.
9) Gib, daß ich mit der Ewigkeit
Den Kampf so kurzer Jahre
Vergleich, und ernstlich allezeit
Gedenk an meine Bahre.
Das Kleinod, das der Glaube hält,
Laß neuen Mut mir geben,
Und zu den Freuden jener Welt
Mich oft im Geist erheben.
10) Erhalte mich stets unverzagt;
Wenn mir’s nicht immer glücket,
Wenn mich, so viel mein Herz auch wagt,
Stets neue Schwachheit drücket.
Du siehst nicht auf die Tat allein,
Du siehst auf meinen Willen,
Ein göttliches Verdienst ist mein,
Dies laß mein Herze stillen.
Quelle:
Lied Nr. 20, in: Sprüche und Lieder zur Vorbereitung für die Confirmation auf der Grundlage des kirchlichen Taufbekenntnisses, zusammengestellt von Gustav Friedrich Wilhelm Suckow, evangelischem Pfarrer und Doctor der Philosophie. Als Anhang: der kleine lutherische Katechismus nebst dem Hauptstück von der Beichte und einige kleine Gebethe.
Breslau, in Commission bei Josef Max und Comp., 1846. [Digitalisat]