Jeremia 3, 12.13

Denn ich bin barmherzig, spricht der Herr, und will nicht ewiglich zürnen. Allein erkenne deine Missetat, daß du wider den Herrn deinen Gott gesündiget hast. (Jeremia 3, 12.13)

Jeremias hatte die sehr schwere Stellung, in einer Zeit wirken zu müssen, in der das Volk Schritt für Schritt seinem Untergang entgegen ging; er stand auf einem sinkenden Schiff. Da gab es allerlei gerichtliche Noth, und es mochte scheinen, als ob Gottes Erbarmen ein Ende hätte und er sein Volk zu hart behandelte. Das war nicht der Fall; Jehovah ist und bleibt barmherzig und wenn er zürnen muß, weil der Mensch ihn mit seinen Sünden hierzu nöthigt, so ist es nicht sein Wille ewiglich zu zürnen. Er möchte damit aufhören, sobald der Mensch zur Erkenntnis seiner Sünde und zur Willigkeit kommt, umzukehren von seinen bösen Wegen.

Da liegt aber gerade die Schwierigkeit. Widersteht Gott dem Sünder und straft ihn, so wird dieser so leicht trotzig, bitter, mürrisch und meint, Gott mache es zu arg. Man sagt ja nicht, man sei unschuldig, man will ein Sünder sein wie andere; aber man ist noch zu hochmüthig und zu selbstgerecht, um zu sagen: Herr, ich habe die Strafe verdient. Ja, wie schwer fällt es den meisten Menschen, sich völlig zu beugen unter Gottes Hand. Erkenne deine Missethat, gib dich schuldig, ruft der Herr seinem Volk zu. Erkenne, daß du wider den Herrn deinen Gott gesündiget hast. Ich habe es nicht verdient um dich. Du lohnst meine Treue und Geduld schlecht. Es war eben damals unter Israel ähnlich, wie jetzt unter uns: Die Gottesfurcht hatte abgenommen, und wo es an Gottesfurcht mangelt, da fehlt immer die Erkenntniß der Sünde. Wie soll man dann Gottes Erbarmen erfahren? Wie leicht ist es uns doch gemacht, dieses Erbarmen zu erfahren, nachdem Jesu Versöhnungsblut geflossen, wenn wir uns nur demüthigen unter unsere Schuld und auch die Gesammtschuld unseres Geschlechtes fühlen wollen. Ach möge der Herr doch Buße schenken durch seinen Geist!

O Gott! Verzehre alles in mir, was sich nicht willig beugt unter Dich. Ich demüthige mich unter Deine heilige Hand über meine, meiner Familie und meines Volkes Sünde, sei uns gnädig um Deines Namens willen. Amen.


Elias Schrenk
(1831-1913)

Quelle: Suchet in der Schrift. Tägliche Betrachtungen für das ganze Jahr mit Anhang, S. 259. Von E. Schrenk. 2. Auflage, 32. bis 36. Tausend. Kassel. Druck und Verlag von Ernst Röttger, 1892.

Jeremia 3