Oskar Brüsewitz (1929-1976)

Oskar Brüsewitz (* 30. Mai 1929 in Willkischken, Memelland; † 22. August 1976 in Halle an der Saale) war ein evangelischer Pfarrer, der mit seiner öffentlichen Selbstverbrennung 1976 in Zeitz bedeutsamen Einfluß auf die Kirche und spätere Opposition in der DDR nahm.

Von 1964 bis 1969 besuchte Brüsewitz die Predigerschule in Erfurt. Er wurde 1970 in Wernigerode ordiniert und evangelisch-lutherischer Pfarrer in Rippicha im Kreis Zeitz. Seine Jugendarbeit und symbolische Protestaktionen zogen sowohl positive Resonanz als auch rigide staatliche Repression nach sich. Zum Beispiel konterte der streitbare Pfarrer den SED-Slogan „Ohne Gott und Sonnenschein fahren wir die Ernte ein“ mit der auf einem Plakat aufgemalten Aussage „Ohne Regen, ohne Gott geht die ganze Welt bankrott“. Die Anbringung eines Kreuzes aus Leuchtstoffröhren an seiner Kirche machte ihn einerseits beliebt und führte zu beispiellosem Kirchenbesuch in seiner Gemeinde, beschwor aber andererseits zunehmend Konflikte mit staatlichen Stellen. Zudem lehnten ihn einige der Amtsbrüder wegen seiner unkonventionellen Methoden ab. 1976 legte die Kirchenleitung Brüsewitz eine Versetzung auf eine andere Pfarrstelle bzw. eine Übersiedlung in den Westen nahe.

Am 18. August 1976 stellte er vor der Michaeliskirche in Zeitz zwei Plakate auf das Dach seines Autos, auf denen er den Kommunismus anklagte („Funkspruch an alle – Funkspruch an alle – Wir klagen den Kommunismus an wegen Unterdrückung der Kirchen in Schulen an Kindern und Jugendlichen“ und „Funkspruch an alle – Funkspruch an alle – Die Kirche in der DDR klagt den Kommunismus an! Wegen Unterdrückung der Kirchen in Schulen an Kindern und Jugendlichen“).

Anschließend übergoss er sich mit Benzin und zündete sich an. Die Aktion dauerte nur kurz; die Plakate wurden rasch von Staatssicherheitsmitarbeitern weggerissen und der schwer verletzte Brüsewitz anschließend abtransportiert. Am 22. August 1976 erlag er den Verbrennungen im Bezirkskrankenhaus Halle-Dölau, ohne dass ihn seine Familie besuchen durfte. Dem Chefarzt sagte er noch vor seinem Tod, dass seine Tat eine „politische Aktion“ gewesen sei.

In seinem Abschiedsbrief betonte Brüsewitz, nicht Selbstmord begangen, sondern als berufener Zeuge einen Sendungsauftrag erfüllt zu haben. Er klagte über den „scheinbaren tiefen Frieden, der auch in die Christenheit eingedrungen“ sei, während „zwischen Licht und Finsternis ein mächtiger Krieg“ tobe. Er betonte auch, dass seine „Vergangenheit des Ruhmes nicht wert“ sei – vermutlich eine Anspielung auf seine Scheidung und seinen fluchtartigen Wegzug von seiner ersten Frau und von seiner Tochter Renate.

Am 26. August 1976 wurde Oskar Brüsewitz in Rippicha beerdigt, sein Grab befindet sich hinter der Kirche Rippicha auf dem Friedhof. Trotz unterbliebener Veröffentlichung des Termins der Beisetzung erschienen rund 400 Personen aus allen Teilen der DDR. Die Trauerfeier für Oskar Brüsewitz stand unter scharfer Beobachtung. Die Zufahrtswege nach Rippicha wurden an diesem Tag von der Volkspolizei und zivilen Kräften der DDR-Staatssicherheit überwacht. Kritische Auslandsberichterstattung sollte vermieden werden. Dennoch fanden sich an diesem Tag Pressevertreter aus dem Westen in Rippicha ein. Unter den Teilnehmern waren neben der Familie u. a. zahlreiche evangelische und katholische Pfarrer, wie Manfred Stolpe und Probst Friedrich Wilhelm Bäumer, der auch die letzten Worte für Oskar Brüsewitz sprach*).

*) Der Wortlaut der Predigt ist abgedruckt bei Müller-Enbergs, Helmut: Das Zusammenspiel von Staatssicherheit und SED nach der Selbstverbrennung des Pfarrers Oskar Brüsewitz aus Rippicha am 18. August 1976. Berlin 1993 (Text online im Web Archive)
Aus: Seite „Oskar Brüsewitz“, in Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 10. Juli 2021, 19:50 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Oskar_Br%C3%BCsewitz&oldid=213741179 (Abgerufen: 27. Juli 2021, 12:12 UTC)
Bildquelle: Kirche Rippicha, Ghostwriter123, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Weblinks und Verweise:

Allein gegen die DDR: Die Selbstverbrennung von Pfarrer Oskar Brüsewitz. Von Carsten Dippel, Deutschlandfunk (vom 25.08.2018)

Der Fall des Pfarrers Oskar Brüsewitz.  Zusammenstellung von Karl-Adolf Zech.

Die Angst vor dem toten Landpfarrer. In: Horch und Guck, Heft 19 (2/96), S. 1-32

Ich werde dann gehen…: Erinnerungen an Oskar Brüsewitz. Robert-Havemann-Gesellschaft e.V.; Hrsg. von Karsten Krampitz. Evang. Verl.-Anst., Leipzig, 2006

Richter, Alexander: Der Fall Brüsewitz – Lebensstationen 1929-1964. Erste Auflage, Originalausgabe. Taschenbuchverlag firstminute. ISBN: 978-3-932805-78-3

Stasi-Mediathek: Dokumente zum Fall des Pfarrers Oskar Brüsewitz

Trauerpredigt für Oskar Brüsewitz, von Propst Friedrich Wilhelm Bäumer (26.08.1976, im Web Archive)

Eingestellt am 27. Juli 2021