Seid allezeit fröhlich; (1. Thessalonicher 5, 16)
Hier sagt jemand: „Freude im Herrn ist eine Frucht des Glaubens und des Geistes; man kann sie nicht nehmen, bevor sie nicht gegeben wird; sie kann nicht durch Ermahnungen hervorgebracht werden“. Das ist wahr.
Aber gleichwie Liebe, Demut und Sanftmut auch Geistesfrüchte sind und die Apostel trotzdem ermahnen, dieselben zu üben, so haben sie auch zu dieser Frucht des Geistes ermahnt und gesagt: „Seid allezeit fröhlich, denn das ist der Wille Gottes an euch!“ – „Freut euch in dem Herrn allewege!“ (Philipper 4, 4). – Deshalb müssen wir auch nach dieser Gnade trachten und alle Mittel anwenden, die sie fördern. Geht die Freude des Glaubens verloren, dann sind auch alle anderen Gaben und Kräfte dahin.
Ein anderer sagt: „Die Freude hängt von den Umständen ab; wenn ich Grund zur Freude habe, dann bin ich fröhlich. Aber wie kann ich mich freuen, wenn Not und Trübsal da sind?“ – Das sind rechte Ausdrücke einer menschlichen und fleischlichen Freude. Der Apostel aber sagt: „Als die Traurigen, aber allezeit fröhlich“ (2. Korinther 6, 10) – „Ich bin überschwenglich in Freuden in aller unserer Trübsal“ (2. Korinther 7, 4) – Bist du noch ein Ungläubiger, dann kannst du dich gewiß nicht im Herrn freuen, dann hängt deine Freude von zufälligen Umständen ab; ein Gläubiger aber hat einen hohen und wundersamen Frieden, so daß er sich auch in der Trübsal freuen kann.
Möge jedoch niemand denken, daß die äußeren Umstände nicht auf die Herzen der Gläubigen einwirken. Solange sie in diesem Leben sind, fühlen sie wohl, wo es schmerzt. Asaph bekennt von sich: „Es tut mir wehe im Herzen und sticht mich in meinen Nieren, daß ich ein Narr sein muß und wie ein Tier vor Dir sein muß“ (Psalm 73, 71f). Aber höre, welch reiche Freudenquelle er dabei noch hatte! Er fügt hinzu: „Dennoch bleibe ich, Herr, stets bei Dir; wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, so bist Du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil“ (Psalm 73, 25f) – Von einem solchen Herzen ist hier die Rede.
Ein Ungläubiger ist unfähig zur Freude im Herrn; entweder ist er mit Götzen erfüllt, ganz leichtsinnig und irdisch, oder er ist unter dem Gesetz gedrückt, ist knechtisch und scheu vor Gott. Einen solchen zur Freude in Gott zu ermahnen, das wäre ebenso, als wenn man Wasser zum Brennen bewegen wollte. Ein Ungläubiger hat auch durchaus keinen Grund zur Freude. Es ist wahrlich nur klägliche Selbsttäuschung, daß ein Weltkind einen einzigen Augenblick lachen kann, während es doch unter dem Zorn des Allmächtigen lebt und dem ewigen Tod entgegengeht. Solche unglücklichen Menschen hat kein Apostel zur Freude ermahnt; zu ihnen heißt es: „Weint und heult über euer Elend, das über euch kommen wird“ (Jakobus 5, 1).
Aber hier wird zu den wiedergeborenen Gnadenkindern geredet, die in der Freundschaft des Allmächtigen stehen. Sie haben in Wahrheit allen Grund, beständig fröhlich zu sein und sich zu freuen, auch wenn schwerste irdische Unglücksfälle und Sorgen sie getroffen haben. Sie sind doch zu allen Zeiten glücklich, wenn auch nicht immer fröhlich; darüber müßten sie sich immer freuen. Kein Christ kann schon die Kunst, sich beständig zu freuen. Das Gefühl geht seinen Weg und wechselt wie der Wolkenhimmel. Aber er hat Grund, sich beständig zu freuen, denn er ist glücklich. „Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben“ (Jakobus 5, 11). Zweitens gibt es eine tiefere Freude als die des Gefühls, eine Bewußtseins-, eine Glaubensfreude, welche spricht: „Doch, trotzdem bin ich froh! Obwohl ich jetzt keine besondere Freude fühle, bin ich doch froh, daß ich einen Herrn, einen Freund, einen Schatz habe, der alles weit überwiegt“.
Eine solche Freude müssen die Christen haben. Dazu ermahnt der Apostel, wenn er sagt: „Seid allezeit fröhlich!“ – Aber er gibt auch den Grund dazu an, indem er „im Herrn“ sagt. „Im Herrn“, also weder in Silber noch in Gold, weder in Üppigkeit noch in Gesang, weder in Gesundheit noch in Stärke, weder in Kunst noch in Weisheit, weder in Gewalt noch in Ehre, weder in Freundschaft noch in Gunst, ja, weder in guten Werken noch in Heiligkeit; denn solches gewährt nur eine betrügliche und falsche Freude, in der ihr euch nicht lange werdet freuen können, wenn ihr echte Kinder und unter der Zucht des Geistes Gottes seid. Teils ist dies eine sehr gefährliche Freude, die das Herz vom Herrn abzieht, der allein Seiner Kinder Freude, Schatz und Wonne sein will; teils gibt alles dieses nur eine kurze und unsichere Freude, die bald ein Ende hat. Wollt ihr euch deshalb „allezeit, ja ewiglich“ freuen, dann muß eure Freude „im Herrn“ sein.
Alle andere Freude, auch die über die Gaben des Geistes, z. B. über Heiligkeit, Kraft und gute Werke, ist eine gefährliche Freude, davon haben wir eine bedenkenswerte Lehre in der schnellen Warnung, die der zärtliche, wachsame Herr Seinen Jüngern gab, als sie mit Freuden davon sprachen, wie sie in Jesu Namen Teufel ausgetrieben hätten: „Freut euch nicht, daß euch die Geister untertan sind; freut euch aber, daß eure Namen im Himmel geschrieben sind“. So warnt der Geist des Herrn auch durch den Propheten: „Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums, sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, daß er Mich wisse und kenne“. Der Herr ist ein großer Liebeseiferer. Er duldet nicht, daß Seine Braut ihre eigentliche Herzensfreude und ihren Schatz in etwas anderem als in Ihm hat.
Auch wenn ich Ihn nicht schmecke,
Erhalt ich doch Genuß,
Wenn ich mich nur erwecke,
Zum reichen Überfluß.
Des Wortes hinzueilen,
Zum Evangelio;
Da läßt sich’s gut verweilen.
Da werd‘ ich wieder froh!
Übersicht 1. Thessalonichicherbrief – 1. Thessalonicher 5