O daß ich wär wie in den vor’gen Tagen (Schulze)

O daß ich wäre wie in den vorigen Monden in den Tagen, da mich Gott behütete, Seine Leuchte über meinem Haupte schien, und ich bei Seinem Lichte in der Finsternis ging, wie ich war zur Zeit meiner Jugend, da Gottes Geheimnis über meiner Hütte war. (Hiob 29, 2-4)

Im Ton: Wie wird uns sein, wenn endlich nach dem schweren

1) O daß ich wär wie in den vorigen Tagen,
Da ach so treu mein Gott behütet mich,
Da Er so gnadenvoll Sein Kind getragen,
Da meine Seele nimmer von Ihm wich,
Da über meinem Haupte Seine Leuchte
In lichten Strahlen mild herniederschien,
Da alle Finsternis Sein Licht verscheuchte,
Da ich geliebt von ganzem Herzen Ihn.

2) Da war’s so schön, Da fühlt‘ ich Seine Gnade,
Da wußť ich: immer ist mein Gott mir nah,
Sein Auge blickt voll Huld auf meine Pfade!
Gar selig, wie ein Kindlein, war ich da.
Da schlief ich fröhlich ein in Seinem Schoße,
Und hab so still an Seiner Brust geruht,
Und hab gerühmet Seine wundergroße
Erbarmung laut mit frohem Glaubensmut.

3) Und wenn mich Leid und Schmerzen wild bestürmten,
Floh ich zu Ihm und hab es Ihm gesagt,
Und ob auch höher sich die Wogen türmten,
Mit Ihm hab Alles, Alles ich gewagt!
Und wenn mein Herz im tiefsten Weh erbebte,
Und mich bedeckte Finsternis und Nacht,
Und meine Seel‘ in Furcht und Bangen schwebte:
Ein Wort von Ihm hat mich so froh gemacht!

4) Jetzt ist es anders, Sünd und Frevel scheiden
Mich, lieber Vater, ach so weit von Dir,
Und trost- und ruhlos schlepp ich meine Leiden
Und o! so öd und traurig ist’s in mir.
Des Vaterhauses Frieden ist entschwunden,
Zerschlagen und zerstört liegt der Altar!
O daß ihr wieder käm’t, ihr sel’gen Stunden,
Ach, daß ich wäre, wie ich früher war!

5) So ruf ich flehend zu Dir, wein‘ und klage:
O Gott, gib meinen Glauben mir zurück,
Gib mir noch einmal jene sel’gen Tage
Der ersten Liebe heil’ges Himmelsglück!
Zu Ihm, mein Vater, wollest Du mich ziehen,
Auf den ich einst voll brünst’ger Liebe sah!
Laß wieder betend mich am Kreuze knieen
Und wieder gläubig schaun nach Golgatha!

6) Ach nimm, mein Vater, nimm mein Herz aufs Neue,
Mein armes, banges, mein zerrißnes Herz!
O sieh, HErr, wie es ängstet Weh und Reue,
Wie es zernaget tiefer Gram und Schmerz!
Mit stillem Weinen fall ich vor Dir nieder:
Hilf ihm, daß wieder Frieden es gewinnt!
O sei Du mir ein lieber Vater wieder
Und laß mich wieder sein Dein trautes Kind!

Liedtext: Georg Wilhelm Schulze (1829-1901)
Melodie: Choralbuch 153 (108), Gütersloh 1852 O selig Haus, wo man dich aufgenommen
Französ. Psalter 1547 (F. Silcher 1843)

Quelle: Geistliche Lieder von Georg Wilhelm Schulze, S. 122-124. Dritte, vermehrte Auflage. Halle, Verlag von Richard Mühlmann, 1861. [Digitalisat]

Georg Wilhelm Schulze (* 7. April 1829 in Göttingen; † 9. September 1901 in Kreischa) war ein deutscher Missionsprediger und der erste Pastor der freien evangelisch-lutherischen Christus-Kirche in Berlin-Kreuzberg. Daneben war er Schriftsteller und Liedtextdichter. Mit dem Spitznamen „Tränenschulze“ war er im Berlin der Kaiserzeit eine Berühmtheit. Den Namen verdankte er (je nach Meinung) einer Predigt über die Tränen Christi in Lukas 19, 41-48 oder seiner Fähigkeit, seine Zuhörer zu Tränen zu rühren. Als Pseudonym nutzte Georg Wilhelm Schulze den Namen Wilhelm Immanuel.

Weblinks und Verweise

Georg Wilhelm Schulze bei Wikipedia (DE)

Notensatz, 4stimmig (Gütersloh 1852,  „O selig Haus“, externer Link zu liederindex.de)

Audiodatei (mp3, Gütersloh 1852, „O selig Haus“, externer Link zu liederindex.de)

Notensatz, 4stimmig (pdf, Bearbeitung nach einem „Lied ohne Worte“, op. 30 Nr. 3
von Felix Mendelssohn-Bartholdy, externer Link zu liederindex.de)

Audiodatei (mp3, Mendelssohn-Bartholdy, externer Link zu liederindex.de)

Notensatz, 4stimmig (Aus den Brüggener Liedern, externer Link zu Hymnary.org)

Eingestellt am 3. Mai 2022 – Letzte Überarbeitung am 17. Juni 2022