1. Sonntag des hl. Advent

1. Evangelium

Predigttext: Matthäus 21, 1-9 (LUT 1912)

1 Da sie nun nahe an Jerusalem kamen, gen Bethphage an den Ölberg, sandte Jesus seiner Jünger zwei 2 und sprach zu ihnen: Gehet hin in den Flecken, der vor euch liegt, und alsbald werdet ihr eine Eselin finden angebunden und ihr Füllen bei ihr; löset sie auf und führet sie zu mir! 3 Und so euch jemand etwas wird sagen, so sprecht: Der HERR bedarf ihrer; sobald wird er sie euch lassen. (Matthäus 26.18) 4 Das geschah aber alles, auf daß erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht: 5 „Saget der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen der lastbaren Eselin.“ 6 Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte,
7 und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf und setzten ihn darauf. 8 Aber viel Volks breitete die Kleider auf den Weg; die andern hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. (2. Könige 9.13) 9 Das Volk aber, das vorging und nachfolgte, schrie und sprach: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des HERRN! Hosianna in der Höhe! (Psalm 118.25-26) 

Durch Gottes Gnade und Barmherzigkeit dürfen wir wieder ein neues Kirchenjahr beginnen. Klagel. 3, 22 und 33.

Was das neue Kirchenjahr in Haus, Schule, Kirche bringen, wie’s am nächsten ersten Advent aussehen wird, wissen wir nicht. Nur Einer bleibt stets derselbe: Jesus Christus, Hebr. 13, 8. Ihn müssen wir von neuem im Glauben ergreifen, an ihn uns klammern, von ihm uns führen, leiten und regieren lassen. Darum sei unser Ruf und Losung für das neue Kirchenjahr: Hosianna dem Sohne Davids! Unter diesem Ruf und dieser Losung laßt uns im neuen Kirchenjahre

I. folgen seinen Wegen
II. thun nach seinen Worten
III. ihm bringen die Opfer unserer Liebe und Huldigung

I.

Vers 9: Das waren die Glück-, Heil- und Segenswünsche, unter denen die Jünger und das begeisterte Volk dem Heiland bei seinem Einzuge folgten. Ein berrliches Schauspiel und Glanzpunkt im irdischen Leben des Herrn. Sanftmüthig und demüthig auf einer Eselin, kein äußeres Abzeichen königlicher Macht und Würde, ohne wehende Fahne, ohne blinkende Schwerter, ohne Streitrosse und Kriegswagen und dennoch ein wahrhaft königlicher Zug, Begeisterung, Liebe, Anhänglichkeit. In diesem Augenblicke wären sie ihm gefolgt, wohin er sie geführt hätte. In’s neue Kirchenjahr hält heute unser Herr und Heiland seinen Einzug. Wir sollen ihn wieder im neuen Kirchenjahre kennen lernen als den, der im Namen des Herrn gekommen ist, als unsern Heiland und Erlöser, den Heiligen, den großen Wunderthäter, den wahrhaftigen Propheten, den opfernden und geopferten Hohenpriester, den ewigen König. So wollen wir gläubig und fröhlich, begeistert und selig seinen Wegen folgen nach allen Schauplätzen seiner Worte und Thaten: Galiläa und Judäa, Gethsemane, Golgatha und an sein offenes Grab.

Daß doch an jedem Sonntag und Festtag des neuen Kirchenjahres sich eine zahlreiche Christenschaar um ihn und um sein Wort versammelte, und sich bestärkte in der trostreichen Gewißheit: Wir haben einen Gott, der da hilft, und einen Herrn Herrn der vom Tode errettet und die heiligen Gelübde erneuerte; ihm wollen wir folgen, ihm das Kreuz nachtragen mit ihm leben, sterben.

Aber treuer, als die Schaaren des Evangeliums, die schon nach wenigen Tagen „Kreuzige ihn“ rufen. Nicht allein in Freude und Glück, Macht und Ehre, auch in Jammer und Trübsal. Nicht allein der herrliche und erhöhte Christus, auch der blutende und sterbende sei Herzog unserer Seligkeit.

II.

Verse 2-7: Die Jünger gingen hin: Welch pünktlicher und eifriger Gehorsam! Jesu Worte sind ihnen heilige Befehle. Ohne Murren, ohne Widerrede, gern und freudig thun sie, wie ihnen Jesus befohlen hatte. Einen solchen Jüngergehorsam müssen auch wir zeigen. Seinem Wege folgend wollen wir gerne thun nach seinen Geboten. „Gott will es, Gott will es!“ – Unter diesem Rufe rüsteten sich 1095 bei Clermont in Frankreich 30 000 Christen zum heiligen Kreuzzuge. „Gott will es“ – ein schöner Christenruf!

Und was will Gott? cf. Matth. 17, 5; 1. Thess. 4, 3; 5, 18. Gal 5, 24. Auch im neuen Kirchenjahre wird unser Herr und Meister Christus das alte und immer neue Gebot in’s Herz und Gewissen rufen, Matth. 22, 37-39, Joh. 13-35. Er wird euch wieder viel zu sagen haben, ihr Eheleute, Eltern, Kinder, Freunde, Nachbarn, Wittwen, Waisen, Arme, Reiche, Gesunde, Kranke, Sterbende, Fröhliche, Trauernde. Er wird uns wieder erinnern an die echten und rechten Christentugenden:

Gewissenhaftigkeit und Ehrlichkeit im Kleinen wie im Großen, Mäßigkeit und Keuschheit bei Jungen wie bei Alten. Er will es, daß wir als die Auserwählten Gottes anziehen herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Kol. 3, 12, daß wir ablegen die Werte der Finsterniß Röm. 13,12; daß wir essen vom gesegneten Brode und trinken aus dem gesegneten Kelche. Daß es nun auch von uns hieße: allewege die Jünger gingen hin und thaten, wie ihnen Jesus befohlen hatte.

III.

In rührender Weise bezeugen die Jünger sammt dem Volke dem erwählten Herrn und Könige ihre Huldigung, Verse 7 und 8. Was sie haben, das bringen sie dar und legen es huldigend ihm zu Füßen. So sollen und wollen auch wir, ist anders unser Glaube lebendig, dem Heiland als dem Könige unsers Herzens die Opfer unserer huldigenden Liebe darbringen. Das schönste und größte Dpfer ist unser Herz – mit allen seinen Mängeln und Schwächen. Will er es doch selber haben, Spr. 23, 26; Ps. 51,19. Alles ist Gott möglich, nur eins nicht: ein demüthiges Herz zu verstoßen. „Haue die Sünden ab von deinen Händen und Füßen, reiße die Lüste deiner Augen aus und lege sie aus Liebe und Gehorsam gern ab, so wird es deinem Jesu angenehm und dir selig sein“, ruft ein alter Prediger uns zu.

Und ein anderer: Brich ab von dem Hause Noah den Zweig der Gerechtigkeit, von Abraham des Glaubens, von Isaak des Gehorsams, von Joseph der Keuschheit, usw., und trage sie deinem Heiland entgegen. Und wenn der Herr, von dem wir ja Alles zu Lehn haben, auch im neuen Jahre Opfer verlangt für die Zwecke seines Reiches, Kirche, Schule, Krankenhaus, laßt uns gerne geben und hie und da ein Zweiglein abhauen vom Baume unseres Vermögens, Matth. 25, 40. Und wenn er größere Opfer verlangt, ein theueres Glied unserer Familie, auch da wollen wir sprechen: Es ist der Herr, er thue was ihm wohlgefällt.

So werden wir würdig, vor ihm zu stehen bei seinem letzen Advent, Luk. 21,  36, um in seinem ewigen Reiche mit ihm zu leben und zu herrschen immer und ewiglich. Amen.

Julius Dammann, Pfarrer in Burgscheidungen

Quelle: Mancherlei Gaben und ein Geist, Eine homiletische Vierteljahrsschrift für das evangelische Deutschland, S. 23-25. Herausgegeben von Emil Ohly, evang. Pfarrer in Ginsheim, Prov. Starkenburg, Hessen. Siebzehnter Jahrgang. Wiesbaden, Julius Niedner Verlagshandlung, 1878. Philadelphia, bei Schäfer & Korabi.