Jeremia 1, 9.10

Und der HERR reckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund. Siehe, ich setze dich heute dieses Tages über Völker und Königreiche, daß du ausreißen, zerbrechen, verstören und verderben sollst und bauen und pflanzen.

So erfüllte sich bereits in jedem Prophetenleben das große Pauluswort, daß denen, die Gott liebhaben, alle Dinge zum Guten mitwirken. Am Widerstand ihrer Zeit wuchs die innere Größe der Propheten. Ihre Nächte bereiteten neue, größere Tage des Dienstes vor. In ihrer Schwachheit wurden sie mit der Kraft Gottes vertraut. Ihr Verlassensein führte zu unmittelbarer Gottesnähe. Ihr von ihnen selbst „verfluchtes“ Leben wird später zum größten Segen für Geschlechter und Völker. Aus ihrem Schweigen wird ein Reden, das nie mehr verstummt. Der Prophet zerbricht nicht an seinem Geweihtsein an Gott.

Gott triumphiert durch ihn über Schuld und Gericht, über Völker und Zeiten. Für alles rein naturhafte Geschehen im Menschen ein Geheimnis, von Gott aus gesehen aber verständlich. Denn Gott ist Gott, und sein schöpferisches Handeln führte Menschen in ihrer Hingabe an ihn noch immer aus der Schwachheit in die Kraft, aus der Verzweiflung zu vermehrtem Vertrauen, aus dem Zusammenbruch zu kraftvollerem Dienst.

Bei aller Sachlichkeit im Urteil suchen wir Ähnliches bisher vergeblich innerhalb der Naturreligionen der Völkerwelt. Weder Ägypten noch Assur, weder Babel noch Rom haben der Welt Persönlichkeiten geschenkt, wie Jerusalem solche in schicksalschwersten Zeiten in seinen Toren sah, und die die Weltgeschichte seitdem als Propheten kennt. Welch ein starkes Licht fällt von solch einem Prophetenleben auch auf so manche Kämpfe und Dienste der Kirche Jesu Christi! Wie oft sah auch sie sich in seelische Konflikte, in Anfechtungen und Verzagtheiten geführt, ohne zu ahnen, welch einen Gewinn die Welt später daraus haben würde! Erst in ihren eigenen Leiden, Kämpfen, Prüfungen und Niederlagen konnte ihr vom Herrn ein Prophetenwort werden, durch das sie später in vermehrter Vollmacht der Welt dienen konnte. Sieht der Herr der Geschichte Sturm- und Gerichtszeiten kommen, dann bereitet er sich im voraus seine Gemeinde vor, daß sie auch in diesen Zeiten eine entsprechende Botschaft des Lebens für die Welt hat. Auch während der schwersten Gerichte will der Herr zur Welt reden. Trägerin und Dolmetscherin seines Wortes kann ihm aber nur die Gemeinde sein.

Quelle: Jakob Kroeker: Das lebendige Wort. Jeremia – Der Prophet tiefster Innerlichkeit und schwerster Seelenführung.