5. Mose 32, 18-20

18 Deinen Fels, der dich gezeugt hat, hast du aus der Acht gelassen und hast vergessen Gottes, der dich gemacht hat. 19 Und da es der HERR sah, ward er zornig über seine Söhne und Töchter, 20 und er sprach: Ich will mein Antlitz vor ihnen verbergen, will sehen, was ihnen zuletzt widerfahren wird; denn es ist eine verkehrte Art, es sind untreue Kinder.
(5. Mose 32, 18-20)

Selten klar und scharf war Gottes Botschaft an Pharao gewesen: „Mein Sohn, mein Erstgeborener ist Israel… Gib nun meinen Sohn frei, daß er Mir diene!“ – Keine Weltmacht, auch nicht Ägypten, hatte einen Rechtsanspruch auf Israels Stämme und Geschlechter. Es gab nur einen, der auf Israels Liebe und Hingabe, auf Israels Leben und Dienst rechtlichen Anspruch erheben durfte. Dieser eine war Israels Schöpfer und Retter. In seiner Verblendung wendet Israel dieses Recht aber den Fremden zu. Es huldigt in seinen Opfern Dämonen, Nichtgöttern und Gottheiten, die in den abscheulichsten Ausschweifungen ihre höchste Verehrung sahen und damit an ihren Heiligtümern die Pflege der niedrigsten Sinnlichkeit kanonisierten.

Diesen Abfall „sah der Herr und wandte sich wegwerfend ab vor Verdruß vor seinen Söhnen und Töchtern“. Er sagte: „Ich will ihnen mein Angesicht verbergen; will sehen, was ihr Ende sein wird“.

Wer erst der Natur und ihren Gütern huldigt, hört auf, ein Herr aller Dinge zu sein. Er wird zum Sklaven ihres Wechsels und ihrer Launen. Und wenn Gottes Eigentumsvolk, seine prophetische Mission verleugnend, erst buhlerisch zu den Völkern geht, und sich um den Preis seiner Berufung und Erwählung verschenkt, dann sieht es sich in alle Kämpfe, Katastrophen und Gerichte der Völkerwelt hineingezogen. Es wird blind dafür, daß sowohl das Versagen der Erde, das Auftreten der Seuchen, das Hinweggerafftwerden durch Hunger und Krankheit, als auch die Leidenschaften der Völker, die Machtgelüste der Starken und das Wüten der Feinde Pfeile in der Hand Gottes sind, durch die es verwundet und heimgesucht wird. Alles entwickelt sich so nach natürlichen Gesetzen, alles ergibt sich so aus dem Zusammenhang der Dinge und der Geschichte, alles kommt so plötzlich und überraschend, daß man hinter all dem entsetzlichen Geschehen nicht mehr die richtende und heimsuchende Hand des Retters sieht. Aus Furcht vor dem Kommenden und unter dem Druck des Geschehens bricht man verzweifelnd zusammen. Das ist ja die große Tragik in allen Weltgerichten, daß der Mensch blind der Hand Gottes gegenüber ist, die retten könnte, und die innere Gesinnung nicht findet, die dem Herrn die Rettung möglich machen würde. Daher wurden Israels Propheten nicht müde, ihr Volk zur Buße zu rufen, damit es in bewußter Herzensbeugung seine Zuflucht zu dem nehme, der auch aus Gericht zu erretten vermag.

Das Größte kann vollbringen, wer auf den Knien ringt,
wer auch in Nacht und Kerker noch Dankespsalmen singt.
Er weiß, daß Gottes Wege nie enden in der Nacht
und daß nach Sturm und Wetter die Frühlingssonne lacht.

Von Jakob Kroeker (1872-1948)

Deuteronomium 5

Eingestellt am 9. August 2020 – Letzte Überarbeitung am 16. Januar 2023