Katathymes Bilderleben

(Katathym-Imaginative Psychotherapie)

Das Wort „katathym“ stammt aus dem Griechischen und ist zusammengesetzt aus den beiden Bestandteilen kata – herab, in etwas hinein und thymos – die Seele, das Herz, das stürmisch Bewegte (im Sinne von Gemütsbewegung). Der Begriff „katathymios“ kennzeichnet demgemäß Dinge, die einem auf dem Herzen liegen, die ständig im Sinn oder in den Gedanken bewegt werden. Katathymes Bilderleben wird bisweilen auch als „Symboldrama“ bezeichnet.

Katathymes Bilderleben (KB) ist ein tiefenpsychologisch ausgerichtetes Verfahren, welches von dem Psychoanalytiker Hanscarl Leuner (1919-1996)  im Jahre 1954 begründet wurde. Das darauf basierende Therapieverfahren heißt heute (seit 1994) Katathym-Imaginative Psychotherape (KIP). Die in der menschlichen Gedankenwelt ablaufenden Bilder und Vorstellungen, so die Annahme, sollen unbewußte Konflikte, Motivationen und Emotionen widerspiegeln. Die mit dieser Methode behandelten Klienten werden vom Therapeuten suggestiv angeregt, bewußt bildhafte Vorstellungen (Imaginationen, Tagträume, Visualisierungen) hervorzurufen, die unter einem festgelegten Thema stehen (Motive wie Wiese, Berg, Bach, Haus). Die in diesem Zusammenhang aufkommenden Bilder werden dann zusammen mit dem Behandler analysiert und besprochen. Man geht von einer Symbolik der Vorstellungen aus, die gedeutet werden kann. Die „Entschlüsselung“ der Botschaften gelingt dem Behandelten oft alleine, aber auch der Therapeut bietet Interpretationsmöglichkeiten an. Im folgenden Therapiegepräch sollen

  • Einsichten in die eigene Persönlichkeit gewonnen,
  • Konflikte verdeutlicht und bearbeitet,
  • Veränderungen innerer Einstellungen herbeigeführt werden, bis hin zur Änderung der Persönlichkeitsstruktur (!)

Die Methode ist nahe verwandt mit sogenannten Bilder- oder Phantasiereisen bzw. der Methodik der Aktiven Imagination. Bereits 1916 riet der Tiefenpsychologe C.G. Jung (1875-1961) seinen Patienten, sich imaginativ mit dem „Unbewußten“ in Beziehung zu setzen. Auch in tief entspannten Zuständen des Autogenen Trainings können spontan Imaginationen von Farben und Bildern entstehen (J.H. Schultz, 1932). Die therapeutischen Sitzungen werden mit Entspannungsphasen eingeleitet. Vom Therapeuten dialogisch begleitet, entwickeln sich während der durch verbale Suggestionen hervorgerufenen Trance die imaginativen Prozesse. Bei solchen Tiefen-Imaginationen wird die rationale Kontrolle in einem veränderten Bewußtseinszustand zurückgenommen. Das „Ich“ gibt also, indem es sich den aufkommenden Bildern und Wesenheiten überläßt, seine Autonomie zugunsten der inneren Figuren weitgehend auf (es entsteht ein Zustand hoher Passivität). Katathymes Bilderleben kann also nur wirken, wenn sich der Klient den Imaginationen ohne (Verstandes-) Kontrolle mit einer bewußt passiven Haltung ausliefert. In der Folge wird häufig eine Kontaktaufnahme (Transkommunikation) zu sogenannten „inneren Helfern“ bzw. Begegnungen mit dem „inneren Kind“ angestrebt.

Ein Zitat aus einem modernen Psychotherapie-Buch soll verdeutlichen, wie diese Konsultation eines „inneren Helfers“ mit dem Ziel, derartige Eingaben aus der geistigen Welt zu erhalten, abläuft:

„Stellen Sie sich vor, daß ein hifreiches, freundliches Wesen, ein Tier oder ein Mensch oder auch ein Symbol in der Ferne oder auch in der Nähe auftaucht […] Jetzt können Sie ihm in Ihrer Vorstellung von Ihrer momentanen Lebenssituation erzählen […] Wenn Sie möchten, stellen Sie Fragen zu dieser Situation […] und achten Sie dann sorgfältig auf die Antwort Ihres inneren Helfers“ [5]

Es handelt sich dabei – geistlich gesehen – um eine Kontaktaufnahme mit der unsichtbaren Welt (spiritistische Transkommunikation).

In ihrer „Einführung in die katathym-imaginative Psychotherapie“ schreibt L. Kotje-Birnbacher [2]:

„Damit knüpft sie [die KIP] an uralte und weit verbreitete Heiltraditionen an; denn die Fähigkeit des Menschen, seine eigene Situation in Bildern auszudrücken und neue Sichtweisen über Bilder und Metaphern aufzunehmen, wird schon in der Antike und in allen bekannten schamanistischen Ritualen genutzt. Heilende Imaginationen sind darin stets ein zentraler Bestandteil“.

Dazu ist zu bemerken: Beim Schamanismus handelt es sich um magischokkulte Riten der Naturvölker, die zur Kontaktaufnahme mit der unsichtbaren Welt der Geistwesen führen (Spiritismus). Auch bei den schamanistischen Praktiken werden typische Techniken zur Trance-Einleitung verwendet. Der menschliche Geist öffnet sich dabei für Eindrücke aus dem übersinnlichen Bereich. Imaginationstechniken, wie die Visualisierung geometrischer farbiger Formen, z.B. von Dreiecken, Pentagrammen und Gegenständen ist ein elementares Praxiselement der westlichen Magie und Hexerei.

Die taoistische Schule des Shangqing ist besonders geprägt von den Techniken der Imagination. Nach der chinesischen Überlieferung ist diese Lehre in den Jahren zwischen 364 und 370 von „Göttern und Geistern“ offenbart und diktiert worden. Die Anhänger glauben, sich mit Hilfe der Imaginationsmethoden auf dem Weg zur „Vergöttlichung“ und „Kosmisierung“ zu befinden, und hoffen, als mikrokosmische Wesen ein Abbild des Makrokosmos zu werden und auf diese Weise das Dao (eine Art von höchster transzendenter Wirklichkeit) zu verwirklichen – es handelt sich also um einen religiösen Weg – nämlich den Versuch einer Selbsterlösung.

Auf denselben Irrweg begibt sich auch das Katathyme Bilderleben. Es ist ein Weg der Selbstverbesserung – ohne Gott. Tief im Herzen weiß jeder Mensch, daß mit ihm „etwas nicht stimmt“. Durch den Sündenfall ist er nämlich von Gott getrennt. Der von Gott vorgesehene Weg, nämlich die Versöhnung mit IHM durch Jesus Christus, Bekehrung, Wiedergeburt und die Erneuerung im Heiligen Geist – wird so durch psychologische und philosophische, gott-lose Lehren und Methodiken ersetzt.

Bezeichnenderweise war Hanscarl Leuner, der Begründer des Katathymen Bilderlebens, ein Vorreiter einer durch Halluzinogene (das sind Rauschdrogen wie LSD!) geförderten Psychotherapie. Die „Oberstufen“ der Imaginationstechniken führen zu Zuständen, die der psychedelischen Drogenerfahrung ähnlich sind. Dabei sind auch „Horror-Trips“ möglich: So hatten beispeilsweise Leuners Probanden schwere Angstzustände, als ihnen aus dem imaginierten Höhleneingang archaische (Horror-) Wesen entgegenkamen. Leuner beschrieb diese Zustände als „gorgonisches Grauen“.

In Kursen und sogar in Schulen werden Imaginationsübungen angewendet, angeblich um die Vorstellungskraft und die Fantasie zu schulen. Solche „Übungen“ sind oft verbunden mit besonderen (rituellen) Körperhaltungen, Atemtechniken und/oder Entspannungsmethoden. Man denke hier an das Autogene Training, bei dem oft Farben, Formen und Landschaften visualisiert werden. Man kommt bei Anwendung all dieser Methodiken in den besonderen Bewußtseinszustand einer Trance, welcher die mediale „Empfangsbereitschaft“ gegenüber der unsichtbaren (Geister-) Welt herstellt.

Über die erheblichen Gefahren solcher Techniken für die Seele informieren die Bücher und Broschüren von Prof. Dr. Reinhard Franzke [3, 4] und unsere Artikel über Imagination, Visualisierung, Autogenes Training, Astralreisen, Hypnose und Trance.

Therapeuten, die katathymes Bilderleben anbieten, sind meist Hypnose-Therapeuten und spezialisiert auf Trancetechniken, oft mit schamanischen „Zusatzangeboten“. Der wissenschaftliche Anstrich solcher Angebote macht das Erkennen der esoterischen Hintergründe oft nicht einfach. Prof. Franzke schreibt dazu:

„Die hypnotische Revolution ist ein Angriff auf das Gebot Gottes, das fordert, der  Mensch solle den Verstand benutzen (und nie ausschalten) und den Geist mit dem Wort Gottes füllen, und nicht leer machen.“

Nach Einschätzung des weltanschaulich neutralen Vereins VESUV e.V., der Kriterien zur Beurteilung der Qualität von Psychotherapieverfahren aufgestellt hat, ist die Katathym-Imaginative Psychotherapie nicht ausreichend erprobt und ohne ausreichenden Wirkungsnachweis. Selbst Leuner erkennt ein Gefahrenpotential seiner Methode an, denn es sei ein „z.T. sehr intensiv wirkendes, die Regression förderndes“ Psychotherapieverfahren [6].

Leider ist diese Methode auch im christlichen Umfeld eingedrungen. Der biblische Seelsorger und Autor Roland Antholzer schreibt darüber im Buch „Gefährliche Stille“ [7]:

„Eine weitere psychotherapeutische Methode, die mit der inneren Bilderwelt der Menschen arbeitet, ist das »Katathyme Bilderleben«, eine Methode, die mit intensiven Visualisierungen in Form von Tagträumen arbeitet. Auch dieser Methode haben Christen sich bemächtigt und integrieren sie in ihre Seelsorge. So wirbt eine Seminarleiterin für ihr Seminar ›Gottsuche in der Katathym-imaginativen Psychotherapie‹: Im entspannten Zustand des therapeutischen Tagtraums wird offenbar, was viele meiner KlientInnen noch nicht hätten formulieren können: ihre Sehnsucht nach Gott. Wie erkennen wir PsychotherapeutInnen die Situationen, Stimmungen, Orte und Gestalten in der Imagination, die spirituelle und heilige Qualität besitzen, und wie können wir deren heilende Wirkung im Therapieprozess fördern?

Mir mangelt es offenbar an der Fähigkeit zur Imagination, denn ich kann mir partout nicht vorstellen, dass Paulus seinen Zeitgenossen das Evangelium mittels evozierter Tagträume vermittelt haben könnte.“

Schriftstellen

So lasset uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasset uns wachen und nüchtern sein (1. Thessalonicher 5, 6)

Darum so begürtet die Lenden eures Gemütes, seid nüchtern und setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird durch die Offenbarung Jesu Christi (1. Petrus 1, 13)

…daß nicht jemand unter dir gefunden werde, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lasse, oder ein Weissager oder Tagewähler oder der auf Vogelgeschrei achte oder ein Zauberer oder Beschwörer oder Wahrsager oder Zeichendeuter oder der die Toten frage (5. Mose 18, 10.11)

Da brachte man herein die Sternseher, Weisen, Chaldäer und Wahrsager, und ich erzählte den Traum vor ihnen; aber sie konnten mir nicht sagen, was er bedeutete(Daniel 4, 4)

Aber der König sprach: Beltsazar, laß dich den Traum und seine Deutung nicht betrüben. Beltsazar fing an und sprach: Ach mein Herr, daß der Traum deinen Feinden und seine Deutung deinen Widersachern gälte! (Daniel 4, 16)

Quellenangaben und weiterführende Informationen:

[1] Wikipedia: Katathym-Imaginative Psychotherapie

[2] Kottje-Birnbacher, Leonore: Einführung in die katathym-imaginative Psychotherapie (pdf)

[3] Franzke, Prof. Reinhard: Didaktikreport: Visualisieren (pdf)

[4] Franzke, Prof. Reinhard: Entspannungsübungen (Anti-Okkultismus-Info Nr. 1/1999, pdf)

[5] Diegelmann, Christa: Trauma und Krise bewältigen – Psychotherapie mit TRUST, S. 151

[6] Derkum, Angela: Katathym-Imaginative Psychotherapie, Publikation des VESUV e.V. (2002) (im Internet Archive)

[7] Maleachi-Kreis (Hrsg.): Gefährliche Stille – Wie die Mystik die Evangelikalen erobern will, 3. Aufl. 2013, S.  111 (clv-Buch, als Download verfügbar)

Bildquelle: Wikipedia (en), Jeff Dahl

Abbildung links: Horusauge (Eye of Horus)

Ein magisches Symbol (gesehen bei einem Therapeuten für katathymes Bilderleben)

 

Bildquelle: Wikipedia

Abbildung links: Hermesstab

Der Caduceus des Hermes hatte bei den Griechen vielfältige Bedeutung. Ursprünglich war es ein Zauberstab (Das Symbol wird oft gefunden bei Hypnotherapeuten)

Erstellt am 31.10.2015 * Letztes Update am 18.09.2023


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