„Also lasset euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ (Matth. 5, 16)
Wenn der Heiland nach „sehen“ einen Punkt gemacht hätte oder fortgefahren wäre: „und euer Christentum und euren Eifer preisen“ – dann hätten alle Pharisäer ihm Beifall gezollt. Und du, mein Herz, auch! Dann hätte er sich die Mahnung vom Licht-leuchten-lassen ganz sparen können. Denn darauf sind wir prahlerischen, eitlen Leute sowieso, ganz von Natur, schon sehr erpicht, uns im hellsten Lichte zu zeigen, damit man uns preise. Ist aber des Vaters Lob das Ziel, dann wird das stärkste, sündige Motiv für viele Edeltaten urplötzlich ausgeschaltet. Wie wohl tut eine Anerkennung unserer Person! Haben wir unser Teil an Lob eingestrichen, dann lassen wir gern auch ein Stückchen Kleingeld für Gottes Ehre nach. Aber, wenn man uns und unserer Anstrengung kein Wort sagt, dann ärgern wir uns sogar über das Lob, das unserer Begabung gezollt wird. Ist des Vaters Ehre allein das Ziel, allein der Punkt, auf den es herauskommen wird, dann fühlen wir uns zu solcher Arbeit nicht berufen. Und dann wollen wir uns noch brüsten, daß wir Gottes liebe Kinder und Jesu Nachfolger sind!
Herr Jesus, und du schämst dich nicht, uns deine Brüder zu heißen? Erbarme dich über uns und mache uns von unserer Eitelkeit, in christlichen Werken zu glänzen, los. Gib uns von deinen reinen demütigen Gedanken, die nur des Vaters Ehre suchen, und heile uns von dem geheimen Schaden unserer Seele. Amen.
(Samuel Keller: Andachten zum Neuen Testament)