Johannes 1, 14

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. (Johannes 1, 14)

Das wesentliche Wort, welches im Anfang war, und bei Gott war, und durch welches alle Dinge gemacht worden sind, wurde Fleisch, freilich nicht durch eine Verwandlung Seines Wesens, sondern durch eine Annahme und Vereinigung. Es wurde des Fleisches, das ist der menschlichen Natur und aller ihrer Schwachheiten, die nicht sündlich sind, teilhaftig. Gott wurde im Fleisch geoffenbart, die göttliche Natur vereinigte sich mit der menschlichen zu einer Person; und so wohnte das Wort fast 33 Jahre unter uns. Seine Zukunft in die Welt war also keine schnell vorübergehende Erscheinung, dergleichen mehrere den Patriarchen und Propheten widerfahren waren, da das wesentliche Wort zwar sichtbar wurde, aber noch nicht Fleisch geworden war, und bald wieder verschwand; aber, nachdem es „Fleisch geworden war, wohnte es unter uns, und war dabei voll Gnade und Wahrheit“. Vermöge der Gnade liebte Er die Menschen, ob sie schon der Liebe nicht wert waren, Er vergab den Bußfertigen ihre Sünden, Er half den Notleidenden, tröstete die Traurigen, und lehrte die Unwissenden.

Dieses Alles war ein Ausfluß oder eine Erweisung der Gnade. Seine Seele, Sein Angesicht, Seine Rede, und Sein ganzer Wandel war wie ein Licht, das aufheitert und erfreut. Er war aber auch voll Wahrheit, voll rechtschaffenen Wesens, oder voll des Guten, das Seine Gnade den Menschen zusagte. Was Er genannt wurde, war Er, was Er versprach, gab Er denen, die Ihm glaubten, was Er weissagte, wurde erfüllt. Seine Gnade konnte Jedermann versichern, daß Niemand, der an Ihn glaube, verdammt werde: Seine Wahrheit aber, daß Niemand durch Ihn betrogen werde. Man bekam, was von Ihm bat, denn Er war voll Leben, ja das Leben selbst.

Da Er noch unter den Menschen wohnte, sah man Seine Herrlichkeit, als eine Herrlichkeit, die nur der eingeborne Sohn Gottes haben konnte; der von Gott als Seinem Vater ausgegangen war. Man sah diese Herrlichkeit am deutlichsten bei Seiner Taufe, auf dem Berg, da Er verklärt wurde, und bei Seiner Himmelfahrt. Auch sah man sie, wenn man Seine Wunder sah, denn Er verrichtete diese Wunder nach Seiner freien Willkür, zu allen Zeiten, als der HErr aller Dinge, wie es Niemand als dem eingebornen Sohn Gottes möglich gewesen wäre.

Es ist bekannt, daß der sel. Arnd auf seinem Totenbett am letzten Tag seines zeitlichen Lebens nach einem kurzen Schlaf seine Augen aufgehoben, und gesagt hat:

Wir sahen Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

Als ihn hierauf seine Ehefrau gefragt, wann er diese Herrlichkeit gesehen habe, so hat er geantwortet: jetzt habe ich sie gesehen. Was nun der sel. Arnd, da er noch im Leibe war, zu seiner Stärkung, Erquickung und völligen Ausrüstung auf die Ewigkeit eine Zeit lang im Schlaf gesehen hat, wird man im Himmel wachend und immerdar sehen; denn der Heiland hat Joh. 17, 24. gebetet:

Vater, Ich will, daß, wo Ich bin, auch die bei Mir seien, die Du Mir gegeben hast: daß sie Meine Herrlichkeit sehen, die Du Mir gegeben hast.

(Magnus Friedrich Roos)

Quelle:

Eingestellt am 20. Mai 2022 – Letzte Überarbeitung am 11. September 2023