XXII. David auf dem Gipfel seiner Macht (Fr. Wilh. Krummacher)

Also war David König über ganz Israel, und er schaffte Recht und Gerechtigkeit allem Volk. (2. Sam. 8, 15)

Der letzte Anlauf des Versuchers gegen den Sohn Gottes in der Wüste, ein Anlauf mehr der Verzweifelung als der Hoffnung auf Erfolg, war bekanntlich (laut Matth. 4, 8) der, daß er ihm die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit vorspiegelte, und in rasender Selbstüberhebung zu ihm sprach: „Dieses Alles will ich dir geben, so du niederfällst, und mich anbetest“. Der Satan trug ihm damit seine Bundesgenossenschaft an, und wir wissen wohl, daß der Sinn seiner Verheißung der war, er wolle ihm dazu behilflich sein, durch Nachgiebigkeiten und Zugeständnisse an die Sinnesweise, die Neigungen, den Geschmack und die Gelüste des natürlichen Menschen binnen Kurzem die ganze Welt zu umspannen, und so sein Wort von der Einen Herde unter dem Einen Hirten wahr zu machen.

Zudem brachte der Versucher den weiten Spielraum mit in Rechnung, den weltliche Macht, Reichtum und Glorie der Menschenkinder ihm für alle seine Verführungskünste zu gewähren pflegen. Wie er von dem Herrn abgefertigt wurde mit dem Vorschlag, in dem er sich nur überstürzte, ist uns bewußt. Vor dem Schwert des Wortes Gottes, dem der Arge, wie fein oder wie plump er operiere, allemal erliegen muß, nahm er auch diesmal seinen Rückzug. Zu großer Macht und Herrlichkeit werden wir heute den Sohn Isais erhoben sehen; aber nicht durch unheimliche Belehnung, sondern durch den Arm seines Gottes. – Aber auch hier pflegt die „alte Schlange“ auf Triumphe zu rechnen. Werden wir für den Gottesmann David außer Sorge sein dürfen?

2. Sam. 8, 15: Also war David König über ganz Israel, und er schaffte Recht und Gerechtigkeit allem Volk.

Diese Worte bilden den Schluß eines zusammenfassenden Registers der Triumphe, welche David davontrug. Diesen gesellte sich nach den Berichten des zehnten Kapitels unsres Buches noch ein neuer zu. Auf Davids Siege und Siegeslieder richten wir diesmal unsere Blicke.

I.

Zur Zeit Davids war das Heilige Land noch rings von heidnischen und größtenteils dem Volke Gottes feindselig gegenüberstehenden Völkerschaften umwohnt. Mit Recht durfte der König Israels sagen: „Sie umgeben mich wie Bienenschwärme“ (Psalm 118, 12). Den südwestlichen Küstenstrich am mittelländischen Meere bewohnten die Philister. Südlicher in den Wüsten Zin und Paran hauste das wilde Beduinenvolk der Amalekiter und der kriegerische Edomiterstamm. Südöstlich, jenseits des toten Meeres finden wir die Moabiter, die Anbeter des greulichen Götzen Baal-Peor; höher aufwärts die dem Molochsdienste ergebenen Ammoniter, und im Norden die in mehrere Königreiche zerteilten Syrer.

Aus eigener Bewegung hat David keinen Krieg begonnen, sondern jederzeit der Winke des Herrn geharrt, und erst dann zu den Waffen gegriffen, wenn er angegriffen worden. Gerüstet freilich mußte er beständig sein, und allezeit auf der Hochwarte stehn. Selbst ein kampfgeübter Held von Jugend auf, gebot er, bei allgemeiner Wehrpflichtigkeit des Volks, über ein Heer von fast dreihunderttausend streitbaren Männern, von denen in Friedenszeiten je ein zwölfter Teil, monatlich wechselnd, behufs kriegerischer Übungen zur Stelle war. Außerdem umgab den König eine zahlreiche Leibwache, zu der auch die Crethi und Plethi gehörten, welche teils kriegsgefangene, teils freiwillig übergetretene und in Israel eingebürgerte Philister waren. Die Crethi gehörten dem den Süden Philistäas bewohnenden und mit den Philistern allmählich zu einem Volk verschmolzenen Stamme an, der einst von der Insel Creta her eingewandert war. Der Name Plethi entstand aus „Pelischthi“, der Bezeichnung der Ureinwohner des Küstenstrichs am Meer. Zum Oberbefehlshaber über das ganze Heer ernannte David den Joab, indem er ihm dessen Bruder Abisai und den Gathiter Ithai als Adjutanten zur Seite gab.

Der nächste Feldzug nach der gründlichen Niederlage, die den Philistern beigebracht worden war, galt den Moabitern. Die Veranlassung zu diesem Kriege gegen das Volk, dem die Ruth, Davids Urgroßmutter, entstammte, und das letzterem und dessen Familie einst so gastliche Herberge gewährte, ist nicht bekannt. Jedenfalls war es nicht David, der die blutige Fehde verschuldete. Hatte er doch bis dahin niemals noch die Pflichten der Dankbarkeit verletzt. Die Feindschaft der in den ärgsten Götzendienst versunkenen Moabiter gegen Israel war eine tief gewurzelte, zu der schon in den Tagen Moses der Grund gelegt worden war. Allerdings hatten sie sich später durch den Haß, den sie gegen Saul nährten, zu einem glimpflicheren Verhalten gegen David, den Verfolgten Sauls, bestimmen lassen; aber bei Davids Thronbesteigung war die alte Erbitterung mit voller Kraft wieder aufgelodert. Mit einer furchtbaren Heeresmacht waren sie, sobald sie von dem gleichzeitigen, auf eine gänzliche Zertrümmerung des Reiches Israels angelegten Anmarsch der syrischen Legionen hörten, über die Ostgrenze des heiligen Landes hereingebrochen; doch nur, um gänzlich auf’s Haupt geschlagen und für immer unterjocht zu werden. Zwei Drittel der Bevölkerung Moabs wurden ausgerottet. Entsetzlich dies; aber das Maß ihrer Missetat war voll, und „wo das Aas ist“, spricht der Herr, „da sammeln sich die Adler“. Und nicht allein Moses, sondern auch der Apostel Jesu Christi sagt: „Unser Gott ist ein verzehrend Feuer“.

Der Losbruch der syrischen Königreiche vom Libanon und den Flüssen Orontes und Euphrat her bereitete den Israelitern ungleich schwerere Arbeit noch, als der Ansturm der Moabiter. Die Veranlassung zu jenem Kriege gab Folgendes. Unter den syrischen Fürsten war damals der mächtigste Hadad-Eser, der König von Zaba, einem zwischen den genannten beiden Flüssen gelegenen und bis an die Grenzen von Kanaan sich erstreckenden Gebiete. Zur Zeit Sauls hatte nach dessen Siege über die Hagasiter der angrenzende Stamm Ruben seinen Wohnsitz in jenes Land bis an den Euphrat ausgedehnt, und mit dem bewaffneten Einfall Hadad-Esers war es zunächst auf die Wiedereroberung der damals ihm geraubten Provinzen abgesehn. Mehrere syrische Große leisteten demselben Bundesgenossenschaft. In gewaltiger Rüstung rückte er heran. David stellte ihm eine nicht minder starke und kampfgeübte Heeresmacht entgegen. Die Syrer aber, schon im Begriffe die Schlacht mit Siegesgewißheit zu eröffnen, sahen sich zu ihrer nicht geringen Bestürzung plötzlich umgangen, und dann gleichzeitig im Rücken und von vorne angegriffen. So blieb ihnen nur übrig, die Waffen zu strecken und sich zu ergeben. Die Beute, die den Siegern in die Hand fiel, war unermeßlich.

An Gefangenen zählten sie neben siebenzehnhundert Reitern, deren Pferde „verlähmt“ d. h. zum Kriegsdienste, wenn auch nicht zu jedem andern, untauglich gemacht wurden, zwanzigtausend Mann Fußvolks, und unter den erbeuteten Waffenstücken befand sich eine große Menge mit Goldblech überzogener Schilde. David weihte Alles dem Herrn, und bestimmte es zum Schmuck der Stiftshütte und des später zu erbauenden Tempels. Syrien war hinfort dem Könige Israels zinsbar, und bezeugte seine Unterwerfung durch reiche Huldigungsgeschenke; denn „der Herr“, sagt die Geschichte, „half David, wo derselbe hinzog“. Auch erlebte David die Freude, daß der syrische Fürst Thoi, der Herrscher zu Hemath, der uralten an den Ufern des Orontes gelegenen und noch heute vorhandenen Stadt, ihm seinen Sohn Joram zusandte, um ihm neben freundlichen Beglückwünschungen zu seinem Siege über Hadad-Eser, mit welchem Thoi selbst auf gespanntem Fuß gestanden hatte, einen reichen Schatz goldener, silberner und eherner Kleinodien darzubringen. Auch diese widmete David dem Herrn und seinem Heiligtum, und kehrte dann im Triumph nach Jerusalem zurück, doch nur, um nach kurzer Ruhe auf’s neue die Rüstung anzulegen.

Die Edomiter nämlich hatten die Verlegenheit, in welche sie Israel durch die syrische Kriegserklärung versetzt geglaubt, dazu benutzen wollen, an letzterem, ihrem alten Erbfeinde, ihren Mut zu kühlen, und zu dem Ende bereits im Fluge die Grenzen Judas überschritten. Aber nur zu ihrem Unheil. Auch sie wurden bis in das südlich vom Toten Meer gegen das Gebirge Seir hin gelegene Salztal zurückgedrängt, und daselbst in einer blutigen Schlacht auf’s Haupt geschlagen. Ganz Edomäa ward dadurch dem David unterworfen, und durch israelitische Heerhaufen besetzt. Die Geschichte sagt: „Auch durch diesen Sieg machte David sich einen Namen“, und wiederholt die Bemerkung, daß der Herr demselben, wo immer er hinzog, hilfreich zur Seite gestanden habe. Alle seine Kriege indes waren nur das Vorspiel eines noch ungleich bedrohlicheren und furchtbareren, der bald auf jene folgte. Es begab sich nämlich, daß Nahas, der König der Ammoniter, welchem David sich wahrscheinlich für Hilfeleistungen, die derselbe ihm einst in den Tagen seiner Drangsale hatte zu Teil werden lassen, zu Dank verpflichtet fühlte, mit Tode abging, und seine Krone auf seinen Sohn Hanon vererbte. Als David davon benachrichtigt ward, sprach er zu seiner Umgebung: „Ich will Barmherzigkeit tun an Hanon, dem Sohne Nahas, wie sein Vater an mir getan hat“, und ordnete eine Gesandtschaft mit dem Auftrage an ihn ab, ihm sein Beileid über den Verlust seines Vaters zu bezeugen, und in seinem Namen ihm Trost zuzusprechen. Als dieselben aber in der Residenz des Ammoniterfürsten anlangten, sprachen die Großen des Landes, die seit den jedenfalls wohl verdienten Demütigungen, welche ihr Volk durch Saul erfahren hatte, einen brennenden Rachedurst gegen Israel in ihrem Herzen nährten, zu Hanon, ihrem Herrn: „Meinest du, David sende dir die Tröster, um deinen Vater vor deinen Augen zu ehren? Glaube es nicht. Er sendet sie, um dein Land und deine feste Stadt Rabba auszukundschaften, und darnach mit einer wider dich gerüsteten Heeresmacht zurückzukehren“.

Hanon lieh dieser böswilligen Einflüsterung sein Ohr, und gab Befehl, daß man den Gesandten zu Spott und Schande die Bärte zur Hälfte abscheren, die Kleider bis an den Gürtel kürzen, und sie so nach Jerusalem zurückschicken solle. Der Befehl wurde vollzogen. Als David von dieser Untat hörte, ergrimmte er im Geiste, und beauftragte, um die so arg Geschändeten wieder zu Ehren zu bringen, einige Würdenträger aus seiner nächsten Umgebung, denselben entgegen zu gehen, sie freundlich zu bewillkommnen, jedoch ihnen zu raten: „Bleibet zu Jericho, bis euch der Bart wieder gewachsen ist, und dann kommt zu uns zurück“. Bekanntlich ist dieses Davidswort zu einem weit verbreiteten Gemeinspruch geworden, den man Leuten zuzurufen pflegt, die anmaßlich mit einer Sache sich zu befassen wagen, der sie nicht gewachsen sind. Gleich treffend wird es solchen an Selbstüberschätzung leidenden Geistern zugeraunt, die auch nach den bittersten Demütigungen, die sie bereits erfuhren, bald wieder in unglaublicher Vergeßlichkeit ihren alten übermütigen Ton anzustimmen sich nicht entblöden.

Wie manchem eingebildeten Reformator, oder jugendlichem Politiker oder vorlauten Kritiker unsrer Tage dürfte zu raten sein, daß er zu Jericho bleibe, bis ihm der Bart gewachsen sei. Möchte dem Rate nur immer dieselbe Willfährigkeit begegnen, welche die Davidischen Gesandten ihm bewiesen!

Die Ammoniter vernahmen übrigens bald genug, wie ihr vermessener Streich von David aufgenommen worden sei. Sie erachteten es darum für ratsam, nach Bundesgenossen sich umzusehn, und wendeten sich zu dem Ende an die noch vor Rachedurst wider Israel schnaubenden Syrer, welche in Beth-Rehob, dem Hochtale zwischen dem Libanon und dem Antilibanon, ferner in Zoba, über welches Hadad-Eser herrschte, und in dem noch östlicher gelegenen Maacha wohnten. Und in der Tat zog ihnen von dort ein Hilfsheer zu, das in seiner Gesamtheit mehr als dreißigtausend Mann Fußvolks zählte. David sandte ihnen den Joab mit einer nicht minder ansehnlichen Heeresmacht entgegen, Die Ammoniter nahmen ihre Stellung dicht vor ihrer stark befestigten Hauptstadt Rabba. Die Syrer stellten sich in einiger Entfernung in Schlachtordnung auf und hofften dadurch eine Teilung und in Folge derselben eine Abschwächung des israelitischen Heeres zu erzielen. Den erstgenannten Zweck erreichten sie insofern wirklich, als Joab nur mit der einen Hälfte seines Heeres gegen sie Front machte, während er die andere unter seines Bruders Abisai Führung gegen die Ammoniter sich in Marsch setzen hieß. „Sollten die Syrer mir überlegen sein“, sprach er zu Abisai, „so eile mir zu Hülfe; wirst aber du von den Kindern Ammons gedrängt, so rechne auf meine Unterstützung. Sei aber getrost!“ fügt er hinzu, „und laß uns stark sein für unser Volk. Der Herr aber tue, was ihm wohl gefällt!“

Wir ersehen aus diesem kurzen Tagesbefehl, daß Joab die Gefahr, die Israel bedrohte, nicht unterschätzte. Erquicklich spricht uns daraus wieder das Gottvertrauen an, welches Israel beseelte. Joab eröffnet die Schlacht. Der Kampf war ungestüm und blutig. Die Syrer wurden geworfen. Als die Ammoniter davon Kunde erhielten, kam der „Schrecken Gottes“ über sie. Hals über Kopf wichen sie vor dem Anblick Abisais zurück, flüchteten in ihre feste Stadt und schlossen die Thore hinter sich zu. Joab kehrte unter dem Jubel des Volks nach Jerusalem zurück; doch war der Krieg darum noch nicht beendigt. Die Syrer brannten vor Begierde, ihre Waffenehre wieder herzustellen. Hadad-Eser verstärkte das Heer durch eine ansehnliche, größtenteils aus Reitern bestehende Hilfsmacht, die er aus dem fernen Mesopotamien herbeizog, und stellte sie unter den Befehl seines tapfern und vielfach erprobten Feldhauptmanns Sobach. Als David dies vernahm, erklärte er das Vaterland in Gefahr, und rief die ganze Heeresmacht Israels zu den Waffen. Bei Helam, jenseits des Jordans, kam es zum Treffen. Gott war mit seinem Volke. Die Syrer wurden geschlagen. Es blieben ihrer Siebentausend auf dem Platz. Unter ihnen auch der Feldhauptmann Sobach. Das Ergebnis des Krieges war, daß die syrischen Königreiche mit Israel Frieden schlossen und dem Könige David Tribut zahlten. Die Ammoniterstadt Rabba wurde später mit Sturm genommen, und an der Besatzung derselben ein furchtbares Kriegsgericht geübt. Die wenigen Worte, die auf dasselbe hinweisen, sind mehrdeutig, und werden von Einigen dahin verstanden, daß die Ammoniter nur zu Sklavenarbeiten für Israel gezwungen worden seien. Aber wahrscheinlich besagen sie Aergeres, und reden von einer Tötung durch eiserne Sägen, Zacken und Keile, und durch brennende Ziegelöfen. Einer älteren Leseart nach treten an Stelle der Ziegelöfen eherne Molochsbilder, in deren glühenden Armen die Gefangenen in gleicher Weise ihr Leben aushauchten, wie die Tausende von Kindern, welche das tief gesunkene Volk bisher diesem greulichen Götzen geopfert hatte. Es wurde mithin nur Vergeltungsrecht an dem verderbtesten und grausamsten aller heidnischen Völkerstämme geübt, und eine vieltausendfache himmelschreiende Schuld gesühnt, eine Schuld, welche dadurch noch vergrößert worden war, daß sie, die Ammoniter, einst ihre Barbarei so weit getrieben hatten, einem friedlichen Volke, den Jabesitern, die Augen auszustechen, und die Weiber in Gilead mit tierischer Wildheit hinzuschlachten, und zu zerreißen. Die teilweise Ausrottung des Ammonitervolks, dessen Missetat gleichfalls „voll war“, war ebensowohl ein Gerichtsakt des allmächtigen Gottes, der sich nicht spotten läßt, wie einst die Verbannung der Kanaaniter gewesen war. Die Wahl der über sie verhängten entsetzlichen Strafart hatte jedoch nicht sowohl David, als vielmehr sein rauher Feldherr Joab zu verantworten. Doch darf nie vergessen werden, daß es die Zeit des alten Bundes, die Haushaltung des Gesetzes ist, in der wir bei der Betrachtung der Geschichte Davids uns bewegen, und nicht diejenige schon, von der es heißt: „Da aber erschien die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes unsers Heilandes“. In dieser gelten andere Regeln. So hatte David seine sämtlichen Feinde gedämpft, und die schon dem Abraham gewordene göttliche Verheißung: „Deinem Samen will ich das Land geben von dem Wasser Egyptens an bis zu dem großen Wasser Phrat“, war zur Erfüllung gelangt. David stand auf der Höhe seiner Macht, und konnte nunmehr seine ganze landesväterliche Fürsorge den innern Angelegenheiten seines Reiches widmen, woran er es auch nicht fehlen ließ. „Er schaffte Recht und Gerechtigkeit all‘ seinem Volke“. Er ordnete das Regiment, setzte den Josaphat, den Sohn Alihuds, zum „Kanzler,“ d. i. zum Führer der Reichsannalen, den Seraja zum „Schreiber“ den Benaja, Jojadas Sohn, zum Befehlshaber über die Crethi und Plethi. Mit besonderem Eifer aber nahm er sich der weiteren Fortbildung der gottesdienstlichen Ordnungen an, indem er u. A., während der Priester Zadok bei der alten Stiftshütte zu Gibeon belassen wurde, den Ahimelech, des damals noch lebenden Hohenpriesters Abjathars Sohn, mit dem heiligen Dienste in dem neuen Gezelte auf dem Berge Zion betraute. Die eigenen Söhne aber bestellte er zu „Priestern“, welcher Ehrentitel, hier im uneigentlichen Sinne gebraucht, die höchsten Hofbeamten bezeichnet, die „vor dem Könige standen“, d. h. die den unmittelbaren Zutritt zu ihm hatten, und die Audienzen bei ihm vermitteln mußten.

II.

Unser Psalter enthält mehrere Lieder, die eine unverkennbare Beziehung auf die letzteren Kriege und Siege Davids verraten. Siegeslieder sind es, welche nicht in Israel nur, sondern auch in der allgemeinen Christenheit allen späteren Gesängen gleicher Gattung zu Mustern dienten. Heute noch fordert jeder Preis- und Lobgesang im höhern Chore, der die Herzen emportragen soll, Töne, Akkorde, Bilder und Gedanken aus den Psalmen. Ein laut redendes Zeugnis dies, aus welchem Geiste jene Lieder einst geflossen sind.

Zu den eben erwähnten Psalmen gehört zuerst der 60., welcher die Überschrift trägt: „dem Sangmeister“ – (für die Gemeinde Israel wurde er gedichtet) – „über die Lilie des Zeugnisses“ – (über das Lieblichste im Gesetz, nämlich die göttliche Verheißung) – „ein Geheimnis“ (ein Lied tiefer Bedeutung) – „von David, zu lehren“ (nämlich dem Volke) – „als er (David) besiegt hatte Aram“ (die Syrer) – „der beiden Flüsse“ (Orontes und Euphrat) – „samt den Syrern von Zoba, und als Joab zurückgekehrt war, und Edom geschlagen hatte im Salztal, ihrer zwölftausend Mann“. Hier ist also die Zeit genau bezeichnet, in der der Psalm entstanden ist. David sang ihn nach der glücklichen Beendigung des ersten Krieges gegen Hadad-Eser, und nach dem Siege über die Edomiter im Salztal; jedoch bevor er Herr ihres ganzen Landes war. Er beginnt, im Rückblick auf den höchst bedrohlichen Ansturm der Syrer, bei welchem auch sein Heer schmerzliche Verluste zu beklagen hatte, und alle Schrecknisse des Krieges auch sein Land überzogen: „Gott, der du uns verstoßen und gebrochen hast, du zürnetest. Jetzt aber tröstest du uns wieder. Du hast (wie bei einem Erdbeben) die Erde bei uns erschüttert und zerrissen. Heile“ – (so schrieen wir) – „ihre Brüche, denn sie wanket. Hartes ließest dein Volk du sehen, und tränktest uns mit dem Taumelwein“ (deiner Gerichte) – „Aber du gabst denen, die dich fürchten, ein Panier zur Erhebung, wegen der Wahrheit“ (d. h. Heil gabst du ihnen, und richtetest dasselbe vor ihnen auf gleich einem ermutigenden Paniere; denn es besiegelte die Wahrheit deiner Verheißungen, und deine Treue gegen dein Bundesvolk) – „auf daß deine Geliebten erlediget würden“.

Dann fährt der Sänger, eins sich denkend mit der Gemeine Israels, fort, „Hilf nun mit deiner Rechten weiter, und erhöre uns, dein Werk vollendend. Gott hat geredet in seinem Heiligtum“; (herrliche Verheißungen hat er mir gegeben;) „darüber“ (d. i. auf deren Grund,) „ich frohlocken will. Austeilen will ich“ (an Israel) „Sichern“, (das Land diesseits des Jordans,) „und will vermessen das Thal Sukkoth,“ (das Land jenseits desselben.) Das ganze Land erklärt David für sein Besitzthum. Aber warum erwähnt er nur jene beiden Orte? Er nennt sie zur Bezeichnung der beiden Theile des Landes im Rückblick auf den Erzvater Jakob, der nach seiner Heimkehr aus Mesopotamien, die spätere Besitzergreifung vorbildend, zuerst in Sukkoth sich anbauete, und dann nach Sichem übersiedelte, und daselbst einen Altar errichtete. Die Gemeine, welche der Sänger hier vertritt, singt triumphirend weiter: „Mein ist Gilead, mein Manasse, Ephraim ist die Veste meines Hauptes,“ (als ein besonders mächtiger und volkreicher Stamm,) „Juda mein Fürst,“ (als herrschender Stamm, mit Anspielung auf Jakobs Weissagung: das Scepter wird von Juda nicht weichen, noch der Gesetzgeber von seinen Füßen;) „Moab ist mein Waschtopf“ (auf’s tiefste durch mich erniedrigt;) „auf Edom werfe ich meinen Schuh,“ (wie man, im Begriff die Füße sich zu waschen, einem Sklaven seine Schuhe zuwirft.) Diese Worte athmen die festeste Zuversicht auf eine vollständige Besiegung der Edomiter. „Philistäa,“ singt der Sänger weiter, „jauchze mir zu,“ (d. i. huldige mir als seinem Beherrscher.) Nach diesem spricht er der Zusage Gottes vertrauend die Hoffnung aus, auch der fortgesetzte Kampf gegen Edom werde für ihn nach Wunsch entschieden werden. „Wer“, spricht er, „wird mich bringen zur festen Stadt“, (der Felsenstadt Petra?) „Bist du es nicht, o Gott, der du uns verstießest,“ (und zu dem es einst, nämlich in dem beim Beginn des Syrerkrieges gedichteten 44. Psalmes, geheißen: „warum ziehest du nicht mit uns o Gott in unserem Heere?“) Es folgt hierauf der Seufzer: „Schaffe uns Beistand in der Roth; denn Menschenhülfe ist eitel Trug“, und dann die Bezeugung freudigsten Muthes: „Mit Gott wollen wir Thaten thun; er wird unsre Feinde untertreten.“

Eine eigentümliche Erscheinung bietet der 108. Psalm. Er ist eine Verschmelzung des 60. mit dem 57., und gibt bis auf einzelne mit unverkennbarer Absichtlichkeit eingeschaltete Veränderungen die in jenen beiden enthaltenen Gedanken und Worte wieder. Die Entstehung dieses Liedes gehört offenbar mit der des 60. Psalms demselben Zeitpunkte an. Was aber den Sänger zu dieser Vereinigung der beiden Psalmen veranlaßte, erhellt unzweideutig aus den in dem 60. angebrachten Veränderungen. Den 57. Psalm sang David in einer höchst traurigen Lage, da er auf der Flucht vor Saul seines Lebens nirgends mehr sicher war, und eine Trübsal um die andere über ihn herein brach. Doch verlor er auch damals den Muth nicht, sondern klammerte sich fest an seinen Gott und dessen untrügliche Verheißungen. Die Zuversicht, die ihn in jenen angst- und drangsalsvollen Tagen beseelte, sprach er in dem 57. Psalme aus, und jetzt, auf der sonnigheitern Höhe seines Lebens denkt er an jene vergangenen Tage zurück, und stimmt, natürlich unter Weglassung alles dessen, was auf seine damaligen Nothstände sich bezog, den alten Psalm wieder an. Anhebend bei dem achten Verse desselben, singt er: „Mein Herz, o Gott ist fest. Ich will lobsingen und spielen, und .meine Ehre (Seele) gleichfalls. Wach auf, meine Seele; wachet auf Harfe und Psalter! Aufwecken will ich (mit meinem Lobgesang) das Morgenroth. Danken will ich dir, o Herr, unter den Völkern, und dir lobsingen unter den Leuten. Denn deine Gnade reicht so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit so weit die Wolken gehn. Preis dir, o Gott im Himmel, und Ehre dir in allen Landen!“ Bei den letzteren Worten ist es nun, wo er von dem Psalm seiner Jugend ab und zu dem 60. übergeht, in welchem letzteren er nur das „Philistäa jauchze mir“ in ein „über Philistäa will ich jauchzen“, umgestaltet.

Ein Davidisches Kriegslied, denselben Tagen, wie jene, angehörig, ist der 20. Psalm. Dieser legt dem Volke die Fürbitte für seinen vom Feinde bedrängten König in den Mund, daß der Herr ihn in der Roth erhören, schützen, stärken, und, seiner Speisopfer gedenkend, ihm Hülfe vom Heiligthume senden wolle. „Er gebe dir,“ so wird dem Könige zugerufen, „was dein Herz begehrt und erfülle alle deine Nachschläge. Laß uns frohlocken über dein Heil, und durch den Namen unsres Gottes erhoben werden. Der Herr gewähre dir alle deine Bitte!“ Der Erhörung ihrer Fürbitte zuversichtlich gewiß fährt die Gemeine Israels fort: „Jetzt weiß ich, daß der Herr seinem Gesalbten hilft. Er erhöret ihn aus seinem heiligen Himmel. Seine Rechte hilft gewaltiglich. Jene (die Feinde verlassen sich auf Wagen und Rosse; wir aber gedenken des Namens des Herrn unseres Gottes. Jene krümmen sich und fallen; wir aber stehen aufrecht. Hilf Herr! Der König (aller Könige) erhöre uns, wenn wir zu ihm rufen!“

Wohl den Fürsten, die von ihren Völkern mit solchen Klängen zu ihren Unternehmungen begleitet werden; und wohl den Völkern, die mit gleichem Grunde, wie damals das israelitische, von sich rühmen dürfen: „Der Herr Zebaoth ist mit uns und unsre Zuversicht steht auf ihm!“

Ein gewaltiges Siegeslied, das mit seinem gesamten Inhalt auf den für Israel so glorreichen Ausgang des furchtbarsten aller Kriege, des syrisch-ammonitischen, hinweist, haben wir im 68. Psalme vor uns. Der Sänger beginnt in demselben mit einer begeisterten Lobpreisung Jehovas als des Schirmherrn der Gerechten, und des unerbittlichen Richters der Gottlosen. Dann erinnert er an die Großtaten, durch welche sich Gott schon beim Durchzuge durch die Wüste an Israel verherrlicht habe, und an die friedlicheren Tage, die er nach der Eroberung Canaans bis zur Errichtung des Heiligtums auf Zion seinem Volke gönnte. Nach einer Schilderung der Herrlichkeit Gottes, der als der König aller Könige in Majestät auf seinem heiligen Berge throne, und eben wieder in der Unterwerfung aller Feinde seines Volks bewiesen habe, daß er Israels Gott sei, beschreibt der Sänger (v. 25-27) den Festzug, in welchem das Heiligtum des Volkes die Bundeslade, die im Ammoniterkriege das Heer in’s Feld begleitete, gen Zion zurückgeleitet wurde, und nennt einzelne Stämme unter andern Benjamin und Juda, Sebulon und Naphtali, die in Vertretung der ganzen Nation bei dem Zuge zugegen gewesen. Dann sieht er im Geiste die Schleier der fernsten Zukunft sich lüften, und alle Völker der Erde dem Zepter des Gottes Israels sich beugen. So gestaltet sich das Lied messianisch, und schließt mit den Worten: „Gebet Gott die Macht: Seine Herrlichkeit ist in Israel, und seine Gewalt in den Wolken. Gott ist wundersam in seinem Heiligtume. Er ist der Gott Israels, und gibt Macht und Kraft dem Volke. Gelobt sei Gott!“

Wer, der sich in etwa nur in die Psalmen vertieft, muß sich nicht darauf besinnen, ob es wahr sei, daß zwischen ihm, dem Leser, und den Geburtstagen jener Lieder fast drei ganze Jahrtausende in der Mitte liegen? Atmen dieselben nicht alle eine Lebensfrische, als waren sie erst gestern gedichtet worden? Uns dünkt, wir wohnten mit ihnen bei unserm Herde und unserm Altar, und diese heimatliche Anwandlung beruht auf keiner Täuschung. Wie fremd tönen uns die alten Gesänge anderer Nationen an, während wir in den Psalmen Israels überall unserm Gott, und der ganzen Tonleiter unsrer eigenen Gefühle und Empfindungen begegnen! Erhellt nicht schon hieraus, daß der Herzenskündiger in der Höhe selbst es gewesen, der den heiligen Sängern die Zunge löste, damit sie für alle Zeiten sängen, und dem, was je und je die geheiligte menschliche Gemütswelt bewegen werde, in allen Tonarten Ausdruck liehen?

„Der Psalter,“ sagt Luther, „ist aller Heiligen Büchlein, in dem ein Jeglicher, in welcherlei Sachen er ist, Worte findet, die sich auf seine Sachen reimen, und die ihm so eben sind, als wären sie allein um seinetwillen so gesetzet, daß er sie auch selbst nicht besser setzen und finden kann, noch finden mag. Welches denn auch dazu gut ist, daß, wenn Jemandem solche Worte gefallen, er gewiß wird, er sei in der Gemeinschaft der Heiligen, weil sie alle Ein Liedlein mit ihm singen, sonderlich so er kann auch dieselben Worte gegen Gott reden, wie sie getan haben, welches im Glauben geschehen muß; denn einem Gottlosen schmecken sie nicht“.

Gebe Gott, daß allewege der „Geschmack“ an jenen unvergänglichen Hochgesängen sich mehre, und in immer weiteren Kreisen jenes apostolische Wort Gehör und Anklang finde, welches uns zuruft: „Lehret und vermahnet euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen und lieblichen geistlichen Liedern, und singet dem Herrn in euern Herzen!“

Quelle: Glaubensstimme – Die Archive der Väter