Der Begriff Isopsephie (bzw. Isopsephismus, griechisch isopsēphíā – ἰσοψηφία) ist zusammengesetzt aus den beiden griechischen Wörtern ἴσος isos, was „gleich“ bedeutet, und ψῆφος psêphos, was mit „Kieselstein“ übersetzt werden kann. Die Isopsephie bezeichnet die Praxis, die Zahlenwerte der Buchstaben eines Wortes durch Addition zu einer einzigen Zahl zusammenzufassen. Dabei macht man es sich zunutze, daß in manchen Sprachen, insbesondere im Lateinischen, Altgriechischen und Hebräischen, die Buchstaben nicht nur einen bestimmten Laut-, sondern auch einen festgelegten Zahlenwert besitzen [1].
Ein bekanntes Beispiel sind z.B. die römischen Buchstaben X oder C, welchen die Zahlenwerte 10 bzw. 100 zugeordnet sind.
Die summierte Gesamtzahl wird dann als „metaphorische Brücke“ zu anderen Wörtern verwendet, welche die gleiche isopsephische Zahl ergeben, was durch das ἴσος (isos = „gleich“) in dem Begriff ausgedrückt ist. Die frühen Griechen benutzten zum Erlernen von Arithmetik und Geometrie in Mustern angeordnete Kieselsteine, was dem Wortbestandteil ψῆφος („Kieselstein“ und „Zählen“) entspricht [1]. Ein solches Zahlensystem ist bei den Griechen seit dem 4. Jahrhundert vor Christus nachweisbar [3].
1 | Α Alpha | 10 | Ι Iota | 100 | Ρ Rho |
2 | Β Beta | 20 | Κ Kappa | 200 | Σ Sigma |
3 | Γ Gamma | 30 | Λ Lambda | 300 | Τ Tau |
4 | Δ Delta | 40 | Μ Mu | 400 | Υ Ypsilon |
5 | Ε Epsilon | 50 | Ν Nu | 500 | Φ Phi |
6 | F Digamma | 60 | Ξ Xi | 600 | Χ Chi |
7 | Ζ Zeta | 70 | Ο Omikron | 700 | Ψ Psi |
8 | Η Eta | 80 | Π Pi | 800 | Ω Omega |
9 | Θ Theta | 90 | Q Koppa | 900 | Ϡ Sampi |
In den Kaiserbiographien Suetons wird eine isopsephische Erklärung des Namens „Nero“ (ΝΕΡΩΝ) gegeben, welchem im Griechischen dieselbe Summe entspricht wie diejenige des Satzes “Er tötete seine eigene Mutter“ (ΙΔΙΑΝ ΜΗΤΕΡΑ ΑΠΕΚΤΕΙΝΕ), nämlich den Zahlenwert 1005 (Sueton: Vita Neronis 39). Nero ließ seine Mutter im Jahre 59 n. Chr. ermorden, drei Jahre später beseitigte er Octavia, seine erste Frau [2, 6].
Der römische Kaiser Nero, ein grausamer Tyrann, regierte das Römische Reich in den Jahren 54 bis 68 nach Christus. Im Jahr 64 gingen mehrere Bezirke Roms in Flammen auf; man verdächtigte Nero, die Brandanschläge in Auftrag gegeben zu haben. Geschickt lenkte er aber die Aufmerksamkeit auf die unschuldigen Christen, was die erste große Christenverfolgung zur Folge hatte.
So ist es nicht verwunderlich, daß Nero als Antichrist vermutet wurde; und tatsächlich ergibt der Titel „Nero Caesar“ (Kaiser Nero), in hebräischen Buchstaben ausgedrückt, die Zahl „666“ [5, 6, 7].
Bruno Neumann bemerkt dazu [6]:
„Wenn 30 Jahre nach Neros Tod die Zahl 666 rückwirkend auf Nero hinweist, dann will sicherlich der Heilige Geist damit sagen: So blütrünstig wie der erste römische Christenverfolger Nero war, so wird auch der letzte Christenverfolger, der Antichrist, sein. Es wird sich um eine Persönlichkeit handeln, die im Wesen Nero gleicht.“
Wenn man das griechische Wort für „Tier“, θηρίων (thēriōn), mit hebräischen Buchstaben schreibt und die Zahlenwerte der Buchstaben addiert, so erhält man ebenfalls die Zahl 666 – ein Hinweis auf das antichristliche Reich, das in der Offenbarung des Johannes als „Tier“ dargestellt wird, und all die typischen Merkmale der im Buch Daniel (Dan. 7, 3-7) durch Tierbilder (Löwe, Bär, Parder und das furchtbare Tier mit zehn Hörnern) symbolisierten Weltreiche besitzt [6].
Die Isopsephie ist mit der Gematria verwandt, welche die oben beschriebene Praxis unter Verwendung des hebräischen Alphabets bezeichnet. Sie ist auch mit den alten Zahlensystemen vieler anderer Völker verwandt (z.B. der Variante mit dem arabischem Alphabet, die Abjad-Zahlen). Eine Gematria der Sprachen mit lateinischer Schrift war in Europa vom Mittelalter bis zur Renaissance ebenfalls sehr beliebt [1].
Die Methodik der Isopsephie wird von einigen christlichen Auslegern der Offenbarung des Johannes als Möglichkeit zur Verifizierung des Namens des Weltreiches bzw. des Weltherrschers der Endzeit angesehen. So schreibt z.B. Prälat Christian Römer in seiner Bibelarbeit über die Offenbarung des Johannes [5]:
„Es liegt sehr nahe, an eine bestimmte Art der Berechnung zu denken, die wir aus dem griechischen Altertum kennen, Isopsephie oder Berechnung der Gleichwertigkeit zweier Wörter. Dann wäre anzunehmen: der Name des Weltreichs und der Name des Weltherrschers werden gleichen Zahlenwert ergeben, beide nämlich 666, und gerade dieses Zusammentreffen würde ein wesentliches Merkmal sein, auf das zu achten wäre.“
Seiner Zeit in prophetischer Weise voraus, schreibt John Nelson Darby in seiner „Betrachtung über Offenbarung“ (Synopsis) im Hinblick auf die endzeitliche Situation der Gemeinde:
„Was die Zahl des Tieres betrifft, so zweifle ich nicht daran, daß dann, wenn das Tier da ist und damit die Zeit gekommen, um es geistlicher Weise zu beurteilen, es für die Gottesfürchtigen eine sehr einfache Sache sein wird, diese Zahl zu erkennen, und daß der Name des Tieres von bestimmendem Einfluß für das Verhalten derer sein wird, welche mit ihm zu tun haben werden. Solange diese Zeit noch nicht da ist, haben die Spekulationen der Menschen über Zahl und Namen wenig Wert; die Deutung Lateinos (der Lateinische, d. i. Römische), die Irenäus seiner Zeit dem Namen gab, ist so gut wie irgendeine andere“.
Quellen und Verweise
[1] Wikipedia contributors: „Isopsephy“, Wikipedia, The Free Encyclopedia
Wiktionary: ἰσοψηφία – isopsēphíā (ancient greek)
[2] Ast, Rodney: Zahlenmagie (Isopsephie)
[3] Brill: Isopsephie
[4] Nero as the Antichrist [ https://penelope.uchicago.edu/~grout/encyclopaedia_romana/gladiators/nero.html ]
[5] Christian Römer: Siebzehnte Bibelstunde – Der Antichrist und sein Prophet.
[6] Neumann, Bruno: Die Zahl 666. Die Zahl des Antichristen – Der Versuch einer Deutung. 1. – 5. Tsd. – TELOS-Buch Nr. 177. Verlag der Liebenzeller Mission, Bad Liebenzell 1977 (ISBN 3-88002-038-8).
[7] Sauer, Erich: Der Triumph des Gekreuzigten. 10. Aufl. 1976, Wuppertal und Basel, S. 141.
[8] Auslegung von Offenbarung 13, 17.18 von Johann Friedrich Wilhelm Arndt
[9] Setzer, Gerrid: Das Malzeichen des Tieres. Im Glauben leben, Zeitschrift für Bibelleser. Jahrgang 2016, Heft 8, Seite 13
[10] Hahne-Waldscheck, Bettina: Nur ein Zeichen an der Hand. Zeitschrift factum, Jahrgang 2022, Ausgabe Januar/Februar, S. 38-41.