Johannes 16, 8 (Selnecker)

Und wenn derselbe kommt, wird er die Welt strafen um die Sünde und um die Gerechtigkeit und um das Gericht. (Johannes 16, 8)

Es sendet aber der Herr Christus den heiligen Geist, daß er nicht allein uns, seine Gläubigen, trösten und erhalten soll, sondern daß er auch die Welt strafen soll um die Sünde, um die Gerechtigkeit und um das Gericht. Um die Sünde, spricht Christus, daß sie nicht glauben an mich, um die Gerechtigkeit aber, daß ich zum Vater gehe, und ihr mich hinfort nicht sehet. Denn unser Glaube hat unsichtbare und der Welt und Vernunft unbegreifliche Dinge, und wir erkennen und ehren Christum, ob wir ihn schon mit leiblichen Augen in diesem Leben nicht sehen und ihn doch bei und in uns haben. Um das Gericht, daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist.

Solche Lehre laßt uns behalten, daß wir wissen, was in dieser Welt sei das Amt des heiligen Geistes.

Erstlich, er soll uns trösten, er soll aber auch die Welt strafen um die Sünde, nicht schlecht um die groben äußerlichen Sünden, die auch die Vernunft und alle Heiden für Sünde erkennen, sondern auch um die allergefährlichste Sünde, dass sie nicht glauben an Christum.

Hier hören wir, daß der höchste Unglaube die höchste Sünde ist, ein Ursprung aller anderen Sünden, die Capital- und Hauptsünde, die uns den Hals, Leib und Seele bricht. Sonst, wenn man fragt, was Sünde sei, da antwortet man recht: Sünde ist Das, was wider Gottes Gebot und Gesetz ist. Hie aber sagt der Sohn Gottes, daß der heilige Geist die Welt strafe um die Sünde, daß sie nicht glauben an Christum, den der Vater dazu gesandt hat und lassen Mensch werden, daß er uns arme, verdammte Menschen von allen Sünden und von aller Strafe und Verdammnis helfen sollte, wie er denn getan hat. Darum uns alle unsere Sünden um Christi willen verziehen und vergeben sind, und soll und kann uns das Gesetz nicht mehr verdammen, noch einiger Sünden halben anklagen; denn wir sind vollkommen und gerecht in Christo Jesu.

Wer Dies also gläubet, Der bestehet vor Gott und seinem Gericht, wer es aber nicht gläubet, Der hat und behält nicht allein seine vorige Sünde und Krankheit, sondern verachet auch die Arznei, die uns Gott wider die Sünde gegeben hat, und er will nicht haben, daß ihm Gott helfen soll. Darum er aus gerechtem Zorn Gottes billig verstoßen wird; denn wer nicht gläubet an den Sohn Gottes, Gott und Menschen, den rechten Emanuel und einigen Erlöser, Gerechtmacher, Mittler und Seligmacher, Der ist schon gerichtet; denn er gläubet nicht, daß Gott gnädig und barmherzig sei, und daß er uns durch seinen eingebornen Sohn wolle raten und helfen lassen.

Wer nun diesen Helfer ausschlägt, Der muß in Ewigkeit verloren sein; denn er hat die allergrößte Sünde an sich, die Gott zum Lügner und Tyrannen machen will, und dadurch das Blut und Verdienst Christi und die herzliche Vaterliebe Gottes gegen uns und des heiligen Geistes Werk und Wirkung in uns verschmäht und mit Füßen getreten wird. Da behüte uns der treue Gott gnädiglich, daß wir in solch Lästerung und gräuliche Sünde nicht fallen, sondern leben und bleiben im rechten, wahren, beständigen Glauben, der sich stets, auch in unserer Schwachheit, halte an dich, Herr Jesu Christe, du getreuer Heiland und Fürsprecher, der du bist unser Bruder, unser Fleisch und Blut, und hast uns zugesagt den heiligen Geist. Laß uns dein sein und bleiben, du getreuer Gott und Herr!

[….]

Der heilige Geist straft nicht vergebens und hört nicht auf zu strafen, sondern straft fort und fort, zu jeder Zeit. Und wohl dem Lande, da das Strafamt nur tapfer und mutig nach der Regel Gottes Worts fortgeht. Die Welt aber kann’s und will’s nicht leiden. Wehe nun der Welt, die ihre Sünde nur will auf Polster und sanfte Kissen legen, wie Gott im Ezechiel selbst redet und davon wegen die Welt straft zeitlich und ewiglich.

Es ist je wahr, wo das Predigtamt recht geführt wird, da redet und predigt gewißlich aus des armen Predigers Munde der heilige Geist selbst; denn es ist Gottes Wort und Geist und nicht Menschenwort noch Menschengeist. Wer nun Gottes Wort hört und sich dadurch gewinnen läßt, Der steht wohl bei Gott und in seinem eigenen Gewissen. Wer aber dawider sich auflehnt, in was Jammer bringt er sich selbst!

Als zum Exempel zur Zeit Noä, vor der Sündflut, sagt Gott: Mein Volk will sich durch meinen Geist nicht mehr strafen lassen“. Und in der Apostelgeschichte steht von Stephano: Niemand konnte dem heiligen Geiste Widerstand tun. Denn die Welt kann nicht leiden (wenn sie gleich hört Gottes Wort und kann es nicht leugnen), daß dadurch ihr Leben und Gewissen gerührt, getroffen und angesprengt werde. Noch dennoch will Gott Beide, das Lehramt und Strafamt, auch fortsetzen und erhalten, ob es gleich schwächlich zugeht, wie er’s denn tut durch einen Eselskinnbacken (Richter 15, 15+16), das ist, durch arme, unansehnliche Prediger, welche für Gott müssen sein wie der große Samson und doch für [vor] der Welt arme, elende Aschenbrödel sind. In Summa, wenn und wo Gottes Wort recht und mit Ernst gepredigt wird, da ist der heilige Geist selbst der Prediger, der dies Amt führt, und ohne welchen die armen Prediger Nichts sind, noch Etwas tun noch ausrichten können, ja, arme Krüppel, die wir immer beten müssen: Tue Du mir meine Lippen auf, so soll mein Mund dein Lob verkündigen (Psalm 51, 15).

Und so Viel sei auf’s kürzeste und einfältigste gesagt von des heilgen Geistes Amt, wollen’s nun im Namen Gottes dabei [be]wenden lassen und Gott bitten:

Er wolle uns gnädiglich bei seinem Wort im wahren, rechten Glauben erhalten, uns um seines lieben Sohnes willen alle unsere Sünde vergeben und durch ihn gerecht und selig machen und dem leidigen Teufel, der Welt und allen Lästerern, Spöttern und Verächtern seines Wortes und unserm eigenen Fleisch und vorwitziger Vernunft wehren, daß sie uns nicht verführen noch hindern, sondern daß wir in Erkenntnis und Bekenntnis Jesu Christi Tempel und Wohnung des heiligen Geistes sein und bleiben, und rechten Glauben und gutes Gewissen bis an unsern letzten Seufzer behalten und hie in Ewigkeit Gott loben und preisen. Amen. Herr Jesu Christe, Amen.

Dir samt dem Vater und heiligen Geist sei Lob, Ehre, Preis und Dank in alle Ewigkeit.

Amen.

Quelle: Selneccer, Nikolaus – Eine christliche Predigt vom Gange Christi aus dieser Welt zum Vater, am vierten Sonntage nach Ostern, Anno 1578 zu Dresden in der Schlosskirche gethan. Text: Evangelium Johannis 14 (V. 5-15).
Aus: Glaubensstimme – Die Archive der Väter
Ursprünglich erschienen in: Die bedeutendsten nachreformatorischen Kanzelredner der lutherschen Kirche des XVI. Jahrhunderts in Biographieen und einer Auswahl ihrer Predigten. Dargestellt von Wilhelm Beste, Pastor an der Hauptkirche zu Wolfenbüttel und ordentlichem Mitgliede der historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig. Leipzig, Verlag von Gustav Mayer, 1858. [S. 221, Digitalisat]

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Eingestellt am 12. Januar 2024