2. Samuel 11, 27

Da sie aber ausgetrauert hatte, sandte David hin und ließ sie in sein Haus holen, und sie ward sein Weib und gebar ihm einen Sohn. Aber die Tat gefiel dem HERRN übel, die David tat. (2. Samuel 11, 27)

Zurück zur königlichen Hofburg. Große Triumphe sind in ihr gefeiert worden. Noch prangt sie in dem reichen Festschmuck, in welche die Volksbegeisterung sie gekleidet. Stolz weht von ihrer Zinne das Banner Judas, und glänzende Pyramiden aus erbeuteten Harnischen, Schilden, Standarten und andern Kriegsgeräten errichtet, verkünden ringsumher den Ruhm der Sieger. Aber schon der erste Eintritt ins Innere macht uns stutzen. Da finden wir’s nicht mehr, wie gestern und ehegestern. Nach harmlos heitern Angesichtern sehen wir uns vergebens um. Alles verrät hier einen jähen Stimmungswechsel. Wohl bewegen sich die Dienerschaften nach wie vor in ihren gewohnten Geschäftsgeleisen; aber wir vermissen an ihnen die frühere feierliche Gemessenheit, an deren Stelle sich eine gewisse Nachlässigkeit und Entbundenheit bemerkbar machen.

Es muß etwas sich ereignet haben, das eine Lockerung ihrer bisherigen ehrfurchtsvollen Haltung herbeiführte. Unverkennbar trägt man sich mit einem düstern Geheimniß. Unter Zeichen großer innerer Aufregung flüstert man sich’s einander zu: niedergeschlagen und aufrichtig trauernd hier, dort, als fühlte man sich eines lästigen Bannes entledigt, mit schlecht verhüllter Schadenfreude. Auch außerhalb des Palastes verlauten schon bedenkliche Gerüchte, während das Hofgesinde noch Zurückhaltung übt, und Fragen müßiger Neugier vorsichtig auszuweichen sucht. Vornehmlich bemühen sich die dem Thron am nächsten Stehenden durch erkünstelten Gleichmut das Vorgefallene möglichst tot zu schweigen, wenn es auch Manchen selbst unter ihnen kaum gelingen will, die heimliche Genugtuung ganz zu verbergen, die es ihnen gewährt, ihrem hochfrommen Herrn und Gebieter, dessen Gottseligkeit sie beengte, plötzlich mit sich auf gleicher sittlicher Stufe zu begegnen. Des Königes Kinder gehen tief beschämt und gebeugt einher, am tiefsten aber die fromme, treue Abigail, die, was ihr höchster Ruhm und Stolz war, mit einem Schlage vernichtet sah, und ihren Schmerz den Wänden ihres Frauengemaches klagt.

(Friedrich Wilhelm Krummacher)

Quelle: Glaubensstimme – Christliche Texte aus 2000 Jahren

Eingestellt am 15. Februar 2023