Jesaja 25, 9

Zu der Zeit wird man sagen: siehe, das ist unser Gott, auf den wir harren, und er wird uns helfen; das ist der Herr, auf den wir harren, daß wir uns freuen und fröhlich seien in seinem Heil.

Betrachtung zum 22. Juni

In den Versen, die unserem Text vorausgehen, redet der Prophet von der großen Heilszeit für alle Völker; er sieht im Geiste, wie die Hülle von den Augen der Nationen weggetan werden wird, wie der Tod verschlungen, alle Tränen abgewischt, und die Schmach des Volkes Gottes aufgehoben sein wird. Auf diese Zeit harren wir noch; aber wir harren mit lebendiger Hoffnung. Wie lange hatten die Gläubigen des alten Bundes zu warten, bis endlich ein Simeon dastehen und ausrufen konnte: „Herr, nun lässest Du Deinen Diener im Frieden fahren, denn meine Augen haben Deinen Heiland gesehen!“

Als dann der Herr seine Himmelreichsarbeit begonnen hatte, da waren manche Wartende enttäuscht, weil sie auf anderes hofften. Sie hatten kein Verständnis für Geistesarbeit, sondern warteten auf fleischlich Großes. So geht es heute Vielen; sie wollen immer Großes, in die Augen Fallendes, und weil der Herr solches nicht macht, so machen sie es. Eben deswegen rufen sie auch nicht: siehe, das ist unser Gott! sondern: siehe, das sind wir, das sind unsere Leistungen! Der Prophet heißt uns aber nicht auf menschliche Leistungen harren, sondern auf unsern Gott, Er wird uns helfen. Von den Augen derer, die auf unsern Gott als einzigen Helfer harren, ist die Hülle jetzt schon so weit weggetan, daß sie Morgenrot sehen. Zu diesem Morgenrot gehört die stille Zubereitung einzelner Seelen als königlich priesterliches Volk. Diese Stillen im Lande, die anhalten mit Rufen: komm, Herr Jesu! sind die wichtigsten Leute.

Ferner gehört zu dem Morgenrot das Sehnen nach Besserem, nach Hilfe, das wir überall sehen und die vielen offenen Türen für das Evangelium. Harren wir getrost! Die Hilfe kommt mit der Zukunft des Herrn, und wir dürfen jetzt schon uns freuen auf die große Zeit, die dann anbrechen und die ausmünden wird in die Erfüllung der Worte: „siehe, ich mache alles neu!“

Herr, Du erquickest Dein Volk durch Deine herrlichen Verheißungen; auf Dich harren wir getrost! Komme bald mit Deiner Hilfe. Amen.

Elias Schrenk
(1831-1913)

Quelle: Suchet in der Schrift. Tägliche Betrachtungen für das ganze Jahr mit Anhang, S. 174. Von E. Schrenk. 2. Auflage, 32. bis 36. Tausend. Kassel. Druck und Verlag von Ernst Röttger, 1892.

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