Hesekiel 18, 30-32

Bekehrt euch und wendet euch ab von allen euren Übertretungen, damit eure Schuld euch nicht zu Fall bringe! Werft alle eure Übertretungen von euch, die ihr begangen habt, und verschafft euch ein neues Herz und einen neuen Geist! Warum wollt ihr sterben, Haus Israel? Denn ich habe kein Wohlgefallen am Tode dessen, der sterben muß — ist Ausspruch des Allherrn Jahve. — So bekehrt euch, daß ihr lebet! (Hesekiel 18, 30-32)

Eichrodt sagt von diesem Abschnitt unseres Prophetenbuches: „Hier ist der Höhepunkt der Bußpredigt erreicht“. Eine Bußpredigt ist mehr als eine Aufzählung menschlicher Verfehlungen und Frevel. Eine solche Predigt hat nicht nur von der Schuld zu überführen, sondern auch den Weg zur Umkehr zu weisen. Das geschieht hier in vorbildlicher Weise.

Es ist das Wunderbare an der Gnade Gottes, daß er dem Bußfertigen die alten Schulden streicht. „Es findet keine Verrechnung statt zwischen Gutem und Bösem“ (Robert Brunner).

Wo der Frevler seine Zuflucht zu Gott nimmt, da wird seines früheren Wandels nicht mehr Erwähnung getan. „All seiner Untaten, die er vollbracht hat, wird nicht mehr gedacht werden“. Gewiß: Es muß ein wirklicher Übergang, eine Abwendung vom alten Leben und eine Zuwendung des Lebens zu Gott stattfinden. Er tritt in den Dienst und Gehorsam Gottes. Also nicht so, daß wir nun „auf Gnade“ weitersündigen. Das gleiche aber gilt auch für den „Gerechten“. Wer sich auf Konto seines bisherigen Gott wohlgefälligen Wandels einen Seitensprung meint erlauben zu können, der betrügt sich selbst.

„Es wird all der Gerechtigkeit, die er getan hat, nicht mehr gedacht werden“. Sünde bringt den Tod. Fleischlich — d. h. selbstsicher — gesinnt sein bringt den Tod“ (Röm. 8, 6). Wer nicht die Gnade Gottes für sich hat, dem bleibt nur das finstere Grab.

Es ist Geduld Gottes, daß er den menschlichen Vorwurf anhört: „Des Allherrn Weg ist nicht richtig“. So wagt der Sünder den Heiligen zu kritisieren. Aber: „Sind nicht vielmehr eure Wege falsch?“

Der Gerechte, der in einer leichtsinnigen Stunde zum Frevler wird, stirbt an seinem Frevel, den er getan hat. Das ist gerecht! Wenn aber der Sünder zur Einsicht kommt, so wird seine Seele leben. Auch wenn er in der letzten Stunde im Sterben seufzt: „Herr, gedenke an mich, wenn du in deine Königsherrschaft kommst!“ Das ist Gnade.

„Bei Gott ist kein Ansehen der Person“ (Röm. 2, 11). Deshalb mag der Pharisäer das Zehntengebot übertreiben und auch vom geringsten Gewürz ein paar Milligramm opfern — wenn er die Barmherzigkeit und die Treue vergißt, so nützt ihm jene Genauigkeit nichts
(Matth. 23, 23).

„Warum wollt ihr sterben, ihr vom Hause Israel?“ Das klingt, wie wenn ein Schlafender geweckt werden soll. Wach auf! Es geht um dein Leben! Nur jetzt nicht gleichgültig sein!
Jahve gefällt es nicht, wenn der Sünder stirbt. Er will, daß er sich bekehre und lebe. — Hier klingt die Freude des Vaters aus dem Gleichnis hindurch: „Dieser mein Sohn war tot, und er ist lebendig geworden“ (Luk. 15, 24).

Auch für Hesekiel ist das Gericht Gottes nicht das Letzte. Aber „der Weg durch die Todeslinie war unumgänglich, um den ganzen Ernst und die unverbrüchliche Geltung der sittlichen Lebensordnung einzuprägen“ (Eichrodt, S. 154). Insofern ist der Dienst des
Propheten Hesekiel eine Vorbereitung auf Jesus und sein Kreuz. Es gibt kein Ostern ohne Golgatha. Wer nicht mit Christus stirbt, wird auch nicht mit ihm leben.

Quellen:

Hans Brandenburg: Das lebendige Wort,  Band 8, S. 116f.)

Robert Brunner: Ezechiel, Band I und H („Prophezei“). Zürich 1944.

Walther Eichrodt: Der Prophet Hesekiel (Das Alte Testament Deutsch-ATD,
Band 22 I, Kap. 1—18), Göttingen 1959.

Siehe auch: Hesekiel 18, 32

Übersicht: Der Prophet Hesekiel

Eingestellt am 8. August 2023