Palmsonntag.
1) Seele, mach dich eilig auf,
Jesum zu begleiten
gen Jerusalem hinauf
tritt ihm an die Seiten.
In der Andacht folg ihm nach
zu dem bittern Leiden,
bis du aus dem Ungemach
zu ihm wirst verscheiden.
2) Seele, siehe, Gottes Lamm
gehet zu dem Leiden,
deiner Seelen Bräutigam,
als zur Hochzeit Freuden.
Geht, ihr Töchter von Zion,
Jesum zu empfangen;
sehet ihn in seiner Kron
unter Dornen prangen.
3) Du zeuchst als ein König ein,
wirst dafür empfangen:
aber Bande warten dein,
dich damit zu fangen.
Für die Ehre Hohn und Spott
wird man dir, Herr, geben,
bis du durch des Kreuzes Tod
schließen wirst dein Leben.
4) Das Kreuz ist der Königsthron,
drauf man dich wird setzen,
dein Haupt mit der Dornenkron
bis in’n Tod verletzen.
Jesu, dein Reich auf der Welt
ist in lauter Leiden;
so ist es von dir bestellt
bis zum letzten Scheiden.
5) Du wirst, Herr der Herrlichkeit,
ja wohl müssen sterben,
daß des Himmels Ewigkeit
ich dadurch mög erben.
Aber ach, wie herrlich glänzt
deine Kron‘ von ferne,
die dein siegreich Haupt bekränzt,
schöner als die Sterne.
6) Liebster Jesu, nun Glück zu!
Es muß dir gelingen;
nach der guten Freitagsruh
wirst du Freude bringen.
Tritt nur auf die Todesbahn:
die gestreuten Palmen
bilden dir den Sieg voran
aus den Osterpsalmen.
7) Laß mich diese Leidenszeit
fruchtbarlich bedenken,
voller Andacht, Reu und Leid,
und darüber kränken.
Auch dein Leiden tröste mich
bei so vielem Jammer,
bis nach allem Leiden ich
geh zur Ruhekammer.
Liedtext: Abraham Klesel (1636-1702)
Melodie: „Jesu Leiden, Pein und Tod“
Abraham Klesel (* 7. November 1636 in Fraustadt; † 13. April 1702 in Jauer) war ein deutscher lutherischer Geistlicher und Kirchenlieddichter.
Klesel, ein Sohn von Paul Klesel, exilierter Prediger und Pfarrer zu Tiefhartmannsdorf (unweit Hirschberg), studierte an der Universität Königsberg zunächst Rechtswissenschaft, danach Evangelische Theologie. Seit 1660 war er Pfarrer in Ulbersdorf bei Fraustadt, danach in Zedlitz bei Steinau und in Dibritz bei Glogau. Er kam schließlich nach Jauer, wo er ab 1680 an der Geistkirche als Oberpfarrer wirkte und am 13. April 1702 65-jährig verschied.
Klesel dichtete mehrere geistliche Lieder, die er zum Teil in seinem Sammelwerk Vergißmeinnicht oder Jesussüße Andachten (Lissa 1675, Jauer 1688) herausgab. Sein Osterlied „Jesus ist erstanden, freu’ dich, Osterherz“ ist in das Gesangbuch der Stadt Breslau eingegangen, sein Palmsonntagslied „Seele, mach dich eilig auf, Jesum zu begleiten„ wurde auch in Gesangbücher übernommen.
Quellenangaben:
Seite „Abraham Klesel„ bei Wikipedia (DE)
Lied Nr. 172, in: Evangelisch-Lutherisches Gesangbuch von Wisconsin und anderen Staaten, erschienen bei Georg Brumder, Milwaukee/Wisconsin, 1872. [Digitalisat, externer Link zu Hymnary.org]
Vergiß mein nicht, oder Jesus-süße Andachten, mit geistlichen Liedern auf alle Sonn- und Festtage (Lissa 1675)
Siebert, Susanne: Klesel, Abraham. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 4, Bautz, Herzberg 1992, Sp. 41–42. [Archivfassung vom 09.06.1998 im Web Archive]
Beiträge zu einer fruchtbaren Behandlung des deutsch-evangelischen Kirchenliedes von Luther bis auf die Gegenwart. Zum Gebrauch für Schule und Haus, bearbeitet und herausgegeben von Wilhelm Leitritz. Mit einer Vorrede von D. Erdmann, Königl. Generalsuperintendent der Provinz Schlesien. Vierte, sehr vermehrte Auflage. Berlin, 1870. Verlag von Eduard Beck, Wilhelmsstraße 115 [Seite 322. Digitalisat]