Das zweite Sendschreiben – Smyrna (Joh. A. Bengel)

Dem Engel der Gemeinde zu Smyrna schreibe. (2, 8).

Der Gemeindeengel zu Smyrna ist recht wohl daran. Es werden zwar keine so großen Dinge von ihm gemeldet wie von dem zu Ephesus; der zu Ephesus muß aber doch bei dem vielen Guten, das der Herr von ihm sagt, Buße tun, und der zu Smyrna, bei dem es kein so treffliches Ansehen hat, wird verschont mit der Ermahnung zur Buße. Es heißt bei ihm nur: Fürchte nichts, sei getreu! Es kommt eben nicht auf große Werke an, sondern auf die Treue.

Als Johannes den einen Brief geschrieben hatte, da wurde ihm der nächste diktiert, und der Herr Jesus gab ihm auch die Überschrift an. Wenn der Herr Jesus an einen Lehrer des göttlichen Wortes oder an einen anderen Christen heutzutage etwas in Gnaden schreiben oder wünschen ließe, welche Freude würde es bei ihnen erwecken! Nun haben wir auf so etwas nicht zu warten; aber was hier an einige oder an einen allein geschrieben worden ist, das dürfen und sollen wir, soviel wir in der gleichen Seelenverfassung sind, auf uns deuten gerade so, als ob es mit Namen an uns geschrieben worden wäre. Wenn ich wie jener zu Ephesus einen Mangel aufweise, dann muß ich das, was an ihn geschrieben worden ist, annehmen, als ob es an mich geschrieben worden wäre; wenn ich dagegen so stehe wie der zu Smyrna, dann darf ich auch das, was an ihn geschrieben worden ist, so annehmen, als ob es an mich ergangen wäre. Auch vom gesamten Buch der Heiligen Schrift kann ich sagen: Dies ist ein Brief, den mir mein Gott, mein Heiland hat schreiben lassen; dies ist meine Vorschrift, nach der ich mich richten soll und nach der mein Gott mich richten wird.

Aus der Beschreibung des Herrn Jesus, die Johannes vorher gegeben hat, und aus den Worten, die Christus zu Johannes gesprochen hat, werden seine Titel in den sieben Briefen genommen. Hier werden die beiden Titel „der Erste und der Letzte“ vorher in der Anrede Jesu an Johannes; sie sind also sehr eng verbunden.

Das sagt der Erste und der Letzte, der tot war und ist lebendig geworden.
(2, 8).

Jesus Christus ist der Erste und der Letzte. Vor ihm sollen wir nichts wissen, und nach ihm können wir nichts begehren; auf ihn soll unser Herz ganz und gar gerichtet sein. Er ward tot und ist lebendig geworden. Wer um seinetwillen getötet wird, der wird auch leben. Christus war das Leben vor seinem Tode; darum hat ihm der Tod nur so einen kurzen Stich geben können. Seine Lebenskraft ist dadurch nicht im geringsten versehrt worden, sondern als er dem Fleisch nach getötet ward, ist die verborgene Macht des Geistes von dem Nu seines Todes an desto freier durchgebrochen, als ob sie Luft bekommen hätte. Da hat sich Jesus als ein Toter an den Toten und als der Lebendige an denen, die er lebendig macht, bewiesen. Der Tod ist geschwind, vorlängst, überhin; aber das Leben ist unaufhörlich. Beides kommt uns in der Glaubensübung überschwenglich zustatten. Wir pflegen uns manchmal am Leiden und Sterben Christi an den Passionsbetrachtungen und Sterbegesängen zu weiden; aber man bleibt meist dabei stehen, während man doch die Auferstehung und das unvergängliche Leben des Herrn Jesu ebenso sehr und noch viel mehr sich zunutze machen sollte. Beides gehört zusammen.

Ich weiß deine Trübsal und deine Armut du bist aber reich und die Lästerung von denen, die da sagen, sie seien Juden, und sind’s nicht, sondern sind des Satans Synagoge. (2, 9).

Von diesem Gemeindeengel wird nur berichtet, was er leidet, und nicht, was er tut. Das Leiden läutert viel mehr, und dessen war bei dem Gemeindeengel mancherlei. Er litt Trübsal von Juden und Heiden und hatte außerdem Mangel, etwa auch an zeitlichen Gütern. „Du bist aber reich“, sagt der Herr, nämlich an himmlischen Schätzen. Dieser Vorsteher wird wohl nicht daran gedacht haben, daß er so trefflich angeschrieben wäre; aber der Herr Jesus sagte es ihm, weil er es bei seiner Bescheidenheit wohl ertragen konnte. Je weniger einer sich einbildet, desto besser ist er daran. Hat man durch Gottes Erbarmen etwas zusammengebracht und errungen, dann zähle man seine geistlichen Pfennige nicht viel, sondern nehme lieber zu Herzen, was man noch nicht hat, als was man hat. Es befindet sich doch alles in des Herrn Jesu Verwahrung und kommt zu rechter Zeit hervor.

In Smyrna machten sich vornehmlich die Juden unnütze. Sie pochten auf ihre fleischliche Herkunft von den Erzvätern und meinten, sie könnten sich den Namen der Synagoge zueignen. Diesen Namen wendet Jesus um, nennt sie eine Versammlung des Satans und schneidet sie also von seiner heiligen Gemeinde ab. O wie viele gibt es, die da sagen, sie seien Christen und sind’s nicht. Ein Christ heißt und ist ein Mitgenosse Jesu Christi, des Sohnes Gottes, einer, der im Glauben und im Bekenntnis des Namens Christi Gerechtigkeit und Seligkeit hat, in seinen Fußstapfen einhergeht und in jener Welt mit ihm herrschen wird. Die Menge solcher Christen ist eine Versammlung Gottes.

„Ich weiß…“ Der treue Heiland weiß auch von uns alles. Er sagt uns nichts, als was er weiß; aber er läßt uns nicht alles wissen, sondern was uns zu wissen gut ist. Es gehe eines nur immer dem himmlischen Beruf getreulich nach, ohne viel zu überlegen, was bereits zurückgelegt ist. Es ist ein durchdringendes Wort des Herrn Jesus: „Ich weiß!“ Wir gehen von einer Stunde zur andern dahin, von einem Tag und Jahr zum andern, und was in unserm Tun und Lassen und Leiden einmal vorbeigegangen ist, das achten wir fast nicht; es ist meistens wie ein Wasser, das vorbeigeflossen ist; aber in der Allwissenheit Christi ist alles aufgehoben. O wie viel liegt daran, daß das, was der Herr Jesus in seiner Allwissenheit von uns aufbewahrt, nicht einen bösen, sondern einen guten Vorrat abgeben möge! Dann ist es kein Schade, sondern vielmehr ein Vorteil, wann man von falschen Leuten geplagt sein muß. In dieser elenden Zeit machen gewiß die meisten sogenannten Christen auch in der evangelischen Kirche einen falschen Haufen aus; doch soll dies die, die dem Herrn Jesus in der Wahrheit angehören, nicht kleinmütig machen. Wenn sich einer nur solcher Greuel nicht annimmt, dann ist solches Leiden ebenso viel wert wie ein Haufen guter Werke. Man kann sich sowohl im Leiden als im Tun bewährt finden lassen.

Fürchte dich vor keinem, was du leiden wirst! (2, 10)

Diesem Gemeindeengel stand um des Namens Christi willen ohne Zweifel ein gewaltsamer Tod bevor. Dieser Tod wird ihm hier in Gnaden angedeutet, weil in den sechs andern Briefen die Zukunft des Herrn angedeutet wird, die dieser Engel nicht erlebt hat. Es heißt sehr kräftig: „Fürchte dich nicht!“

Es hatte der Gemeindeengel mit andern, wie aus diesen Worten zu schließen ist, Gefangenschaft und andern voran den Tod vor sich. Das waren furchterregende Dinge; aber die Furcht vor dem allen wird ihm genommen.

Siehe, der Teufel wird etliche von euch ins Gefängnis werfen, auf daß ihr versucht werdet, und werdet Trübsal haben zehn Tage (2, 10).

Es wurden in Smyrna wie auch anderswo die Heiden durch die Juden gegen die Christen aufgehetzt; und man hätte nicht gemeint, daß ein Trieb aus dem Unsichtbaren dahinter wäre. Dies zeigt nun der Herr Jesus den Seinen an zum Trost, daß sie einen solchen Feind haben. Satan im Hebräischen und diabolos im Griechischen, das im Deutschen soviel als Teufel bedeutet, bezeichnen dasselbe, nämlich einen, der sich in den Weg wirft oder stellt, um hinderlich zu sein. Der Feind hat als Satan sein Werk bei den Juden und als Teufel bei den Heiden. Es kann sein, daß der Teufel eine geraume Zeit vorher mit seiner Hetze umgegangen ist, bis er den Sieg über die Heiligen gewonnen hat; es kann auch sein, daß er damals solche Tücke noch nicht vorgenommen hat. Es sei nun das eine oder das andere: der Herr Jesus sieht und sagt es vorher. Es ist etwas Gutes, in des Herrn Jesu Gnade, Aufsicht und Schutz zu stehen. Wann auch schon dem Teufel etwas zugelassen wird, so lenkt es der Herr Jesus zum Guten. Wenn es in des Feindes Macht gestanden hätte, so würde er ohne Zweifel auch die Gemeindeglieder nicht nur ins Gefängnis geworfen, sondern auch erwürgt haben; aber dies wurde ihm verwehrt. Durch das Gefängnis mußten die Heiligen jedoch versucht werden. Die Versuchung ist auf Seiten des Teufels etwas Böses und Gefährliches, aber auf Seiten des Herrn Jesus etwas Gutes und Heilsames. Ein alter, in Gefahren gewesener Kriegsmann ist viel mehr wert als ein eben angeworbener und noch nicht erprobter. Man muß sich nur in die Versuchung recht schicken, so daß man keinen Schaden, sondern vielmehr einen Nutzen davontrage.

Die Drangsal in Smyrna sollte zehn Tage währen. Es gibt unterschiedliche Tage in den Weissagungen; es gibt in ihnen gewöhnliche Tage mit 24 Stunden und es gibt außerdem prophetische Tage. An dieser Stelle, die eine vorbereitende Einführung in das Buch darstellt, werden wohl am einfachsten zehn gewöhnliche Tage darunter zu verstehen sein. Während der Verfolgung unter Trajan, die in den asiatischen Provinzen heftig war, konnte es wohl zehn besondere Tage geben. Da hat man also etliche von den Christen zu Smyrna genommen, sie ins Gefängnis gelegt und sie hernach, weil sie sich nicht einschüchtern, noch zur Verleugnung des Namens Christi bewegen ließen, wieder auf freien Fuß gesetzt. Dies wurde ihnen durch Johannes auf Patmos vorher genau angezeigt, und als es eintraf, konnten sie dadurch vortrefflich gestärkt werden. Sie konnten alsdann sagen: Der Herr Jesus weiß alles; er hat uns diese zehn Gefängnistage vorher angezeigt und zugemessen. Solange wollen wir ausharren, darüber wird es nicht hinausgehen. Wüßten es unsere Feinde, dann würden sie es seinem Wort zum Trotz anders machen; aber sie müssen ohne ihr Wissen sein Wort bekräftigen. Den Heiligen sind ihre Leidenstage bestimmt, wenn ihnen auch die Zahl derselben vorher nicht so genau angezeigt wird.

Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben! (2, 10)

Die Treue bedeutet nicht nur eine aufrichtige Willigkeit, sondern eine unbewegliche Standhaftigkeit bis ans Ende, so daß einer sich nicht läßt wankend machen weder von innen in seiner Erkenntnis und in seinem Vertrauen, noch von außen in seiner Herzhaftigkeit gegen die Feinde und somit dem Feind, der Welt und ihrem Fürsten, dem Teufel, nicht nachgibt, sondern sich an den Herrn Jesus und an sein Wort fest hält und darüber auch den Tod erleidet. Diese Treue kann ein Gläubiger beweisen, wann er eines natürlichen, vielmehr aber wann er um des Namens Christi willen eines gewaltsamen Todes stirbt. Was hat ein solcher zu erwarten? Das Leben, ja die Krone des Lebens! Eine große Verheißung, die ja die Furcht vor dem Tode vertreiben kann. Die Menschen töten den Leib; weiter reicht ihr grimmiges Vermögen nicht. Da ist dann ein Streiter Christi geschwind durch den Tod zum Leben gebracht. Paulus redet von einer Krone der Gerechtigkeit, welche der Herr geben werde ihm und allen, die seine Erscheinung liebhaben. Petrus vertröstet redliche Älteste auf die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit, die sie empfangen werden an jenem Tage, da der Erzhirte erscheinen wird; Jakobus aber sagt, Gott habe die Lebenskrone denen verheißen, die ihn lieben.

Von der Lebenskrone redet auch Christus in dieser Bibelstelle. Diese Lebenskrone folgt ohne Zweifel alsbald auf den Sieg im Tode. Am Ende aber kommt die Krone der Gerechtigkeit und der Herrlichkeit noch dazu. Das ist ja der Treue wert!

Ihm allein ist gut dienen. Wem dabei das Herz gerührt wird, der lasse es bei sich recht eindringen und sei beflissen, sich dem Herrn Jesus von ganzem Herzen aufzuopfern, damit er uns möge recht in seinem Gehorsam einleiten und mit uns vornehmen, was ihm beliebt.

Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Wer überwindet, dem soll kein Leid geschehen von dem zweiten Tode. (2, 11).

Es heißt: Wer ein Ohr hat, und nicht, wer Ohren hat (nach dem Grundtext). Was einer laut sagt, das hört man mit beiden Ohren; was man aber einem in ein Ohr hineinsagt, das ist geheim. Wann die Worte des Herrn Jesus manchmal öffentlich gesagt werden, so sind und bleiben sie dennoch ein Geheimnis. Der Geist redet hier von künftigen Dingen und ist selber das Pfand. Dennoch ist es der Herr Jesus, der da sagt: Der Überwindende wird nicht beleidigt werden von dem zweiten Tode. Die Heilige Schrift redet viel vom Tod; aber nur in diesem Buch redet sie vom zweiten Tode, eine Redeweise, die auch bei den alten Hebräern vorkommt, wann sie von der ewigen Qual reden. Dieser zweite Tod ist der Feuersee, in den die geworfen werden, die nicht im Buch des Lebens stehen und nicht in das himmlische Jerusalem kommen. Es ist um den Tod selbst, wie er gewöhnlich genannt wird und den man im Gegensatz zum zweiten Tod den ersten Tod nennen möchte, schon etwas Furchtbares. Es ist schrecklich, wann ein Mensch, der in seinem Leben so vielerlei muntere und anständige Dinge ausgerichtet hat, endlich dahinfällt, so daß der Leib starr, kalt und blaß daliegt ohne Sinne und ohne Bewegung wie ein Stück Holz oder Stein und noch dazu in die Verwesung übergeht, so daß über eine Weile nur Staub und Knochen übrigbleiben. Dies ist eine grausame Zerstörung; aber sie hält keinen Vergleich aus mit dem zweiten Tod, der ein unaussprechlicher Jammer ist ohne Leben, ohne Kraft, ohne Erquickung und dazu in einer schrecklichen Qual. Dieser zweite Tod wird ganz und gar von dem abgewendet, der da siegt. Dieser zweite Tod hat keine Macht über die Genossen der ersten Auferstehung. Er hat auch keine Macht über die, die hernach am Jüngsten Tage noch im Buch des Lebens geschrieben erfunden werden; aber bei diesen wird es viel später bekannt und bei jenen kommt ihre Befreiung vom zweiten Tode gar bald heraus. Mit der Befreiung von einem so großen Übel, da der zweite Tod dem Überwinder (wie es im Griechischen heißt) kein Unrecht antun soll, ist eine besondere Seligkeit, nämlich die erste Auferstehung verbunden. Es steckt also hinter den Worten des Herrn Jesus noch viel mehr, als man anfangs gewahr wird. Man folge nur; es findet sich alles zur rechten Zeit bei denen, die überwinden.

Laßt uns recht nach dem Sieg trachten, dann wird sich das Übrige von selbst ergeben. Wann ein Mensch an einer Krankheit hart und lang darniedergelegen hat und nach ängstlichem Todeskampf endlich stirbt, dann pflegt es zu heißen: Nun hat er überwunden! Dann ist zwar die Krankheit und das Ungemach des sterblichen Leibes dahin; aber darum ist noch nicht alles überwunden, sondern wer sich früher vom Argen immer hat überwinden und gefesselt halten lassen, bei dem ist der Tod des Leibes ein schrecklicher Übergang zum zweiten Tode. Wer in diesem Leben die Gnadenzeit versäumt hat, im Unglauben, in der Heuchelei und in der Sünde dahingefahren ist und also keinen Sieg erlangt hat, der hat von der Stunde seines Todes an noch weniger Leben als vorher. Er fällt aus einem Tod in den andern. In der Schrift gibt es eine Sprache Gottes des Allmächtigen. Er redet ohne Gepränge von den allerwichtigsten Dingen. Es ist bald gesagt: Lebenskrone und auch zweiter Tod; aber an beiden ist über die Maßen viel gelegen. Darum sollen wir auf die Worte Gottes achtgeben, damit wir uns nicht versäumen. Solange wir in diesem Leben sind, ist noch ein beständiger Kampf, und dabei gibt es noch mancherlei Püffe. Christus hat selber überwunden, als er sagte: Es ist vollbracht! Wann ein gläubiger Streiter am Ende auf Grund eines inwendigen guten Zeugnisses sagen kann: Ich habe überwunden, dann ist das besser, als wenn andere blindlings einem nachrufen: Er hat überwunden! Eine solche gewöhnliche Formel wird endlich ganz kraftlos. Was meinen wir, wie es vor Gottes Augen herauskomme, wann wir von einem Menschen sagen: Er hat überwanden, von einem Menschen, der sich sein Leben lang gegen den Herrn Jesus gewehrt und nie rechtschaffen in seine Gemeinschaft hat eintreten wollen, sondern alle gute Warnung und Rührung in sich erstickt, dem Herrn Jesus Widerstand geleistet hat und nun mitten in seinem bösen Wesen vom Tode hinweggerafft wird. Wenn man ihm auch Sträuße, Kränze und Kronen bis an das Grab oder in das Grab mitgibt, so ist das doch keine Lebenskrone, sondern mit dem wächsernen Zierat ist er auf ewig abgefertigt.

Wer aber in der Wahrheit vor dem Herrn Jesus als ein Überwinder erfunden wird, wenn es auch nur auf Grund eines verborgenen Herzensglaubens wäre ohne große Taten nach außen hin, der ist wohl daran. Wie machen solche Überwinder, obwohl sie dünn gesät sind und obwohl so viele andere sich haben vom Satan überwinden lassen, zusammen eine so feine und große Schar aus! Sie werden dann sagen können: In der alten Welt waren wir zerstreut, es war viel falsches Zeugnis unter uns, der Feind hatte so viel Unkraut dazwischengesät. Auf dem Kirchhof sind Überwinder und Überwundene haufenweise durcheinander gelegen, so daß natürliche Augen keinen Unterschied feststellen konnten. Jetzt aber ist alles auseinandergelesen, und nur das, was zusammengehört, ist beisammen.

Jetzt denke ein jeder über sich selbst nach: Wenn ich bei meiner gegenwärtigen Seelenverfassung meinen Lauf beschließen oder in diesem Augenblick den Tod erleiden sollte, was hätte ich vor mir, den zweiten Tod oder die Freiheit von ihm? Jetzt haben wir noch unsern freien Gang, jetzt können wir unsere Sache noch zum Guten wenden. 0 lasse es keiner bei der Leichtsinnigkeit und Falschheit bewenden, sondern reiße sich davon los und befleißige sich einer völligen Treue! Wir können einander wohl Anleitung und Aufmunterung dazu geben; aber wo unser Zuspruch aufhört, da fängt das rechte Werk an, daß sich ein jedes in seiner Seele zum Herrn Jesus wende. Wenn man meint, damit sei es ausgemacht, daß man jetzt so eine Weile sich bequemt habe, etwas zu hören, und man dann fortlebt so, wie es einem gefällt, daß man sich von offenbaren Weltkindern, die Gottes Wort verachten, durch nichts unterscheidet, als daß man ihnen noch dazu ärgerlich ist, da kommt es übel heraus. Das heißt nicht überwinden. Wenn sich aber eines bisher allezeit hätte überwinden lassen, dann soll es darum seine Sache nicht verloren geben, sondern sich doch noch aufraffen. Man hat im Krieg schon erlebt, daß einer, der schon am Boden lag, einen bewaffneten, selbstsicheren Mann noch getötet hat. Wenn also vom Bösen einer bisher noch so stark überwunden worden wäre, dann ermuntere und ermanne er sich desto mehr. Es ist noch nichts verloren, wann einer sich nur nicht selber verloren gibt. Es läßt sich noch Ehre einlegen; aber man muß dazu tun. Wir wissen nicht, wann der Tod kommt, da es dann zu spät wäre. Es heißt: Sei getreu bis an den Tod! Wer bis dahin getreu ist, der hat’s gewonnen, der hat überwunden. Über den Tod hinaus braucht es nichts weiter. Wer bis in den Tod untreu geblieben ist und in der Untreue vom Tode ereilt wird, der fällt bei seiner Untreue der anderen Welt und in ihr dem anderen Tod anheim; wer aber einmal bis in den Tod treu gewesen ist, mit dem hat’s hernach keine Gefahr mehr, daß er untreu werden möchte. Wie einer im Tode gewesen ist, gut oder böse, treu oder untreu, so bleibt er.

Bengel, Johann Albrecht – Die sieben Sendschreiben der Offenbarung Johannes