Sacharja 12, 8

Zu der Zeit wird der HERR beschirmen die Bürger zu Jerusalem, und es wird geschehen, daß, welcher schwach sein wird unter ihnen zu der Zeit, wird sein wie David; und das Haus David wird sein wie Gott, wie des HERRN Engel vor ihnen. (Sacharja 12, 8)

Eine der besten Weisen des Herrn zur Verteidigung seines Volkes ist die, daß Er es innerlich stark macht. Männer sind besser als Mauern, und der Glaube ist stärker als Burgen.

Der Herr kann den Schwächsten unter uns nehmen und ihn wie David, den Vorkämpfer Israels, machen. Herr, tue dies mit mir! Gieß Deine Kraft in mich ein und fülle mich mit heiligem Mut, daß ich dem Riesen mit Schleuder und Stein im Vertrauen auf Gott gegenübertrete.

Der Herr kann seine größten Kämpfer weit mächtiger machen als sie sind: David kann wie Gott sein, wie der Engel Jahwes. Dies würde eine wunderbare Entwicklung sein, aber sie ist möglich, denn sonst würde nicht davon gesprochen werden. O Herr, tue das mit den besten unserer Führer! Zeige uns, was Du tun kannst – nämlich, Deine treuen Diener zu einer Höhe der Gnade und Heiligkeit erheben, die ganz offenbar übernatürlich ist!

Herr, wohne in Deinen Heiligen, und sie werden wie Gott sein; lege Deine Macht in sie hinein, und sie werden jenen „Lebendigen“ gleichen, die vor dem Angesicht Jahwes weilen. Erfülle diese Verheißung an Deiner ganzen Gemeinde in diesen unseren Tagen, um Jesu willen.

Amen.

(Charles Haddon Spurgeon)

a) Losung: „Welcher schwach sein wird unter ihnen zu der Zeit, wird sein wie David.“

Was obiger Spruch sagt, – nun, das könnten wir brauchen! David hat’s mit einem Goliath zu tun gehabt. Wir haben’s auch alle Tage mit Goliaths zu tun; denn die verborgenen Angriffe der Finsternis scheinen sich täglich mehr zu zeigen. Ist es doch auch, wie wenn die Hölle dem Zeug Israels Hohn sprechen wollte, gleich jenem Goliath. Da müssen wir Schwache mindestens es wagen können, wie der junge David, Widerstand zu leisten.

Der HErr verheißt es nun in unsrer Stelle, daß die Schwäche noch keineswegs unfähig zum Sieg mache. Wir hören ja auch den Apostel sagen: „Wenn ich schwach bin, so bin ich stark“. Der sel. Luther daher, wenn er vom alten bösen Feind redet, sagt, wie wir wissen: „Ein Wörtlein kann ihn fällen“. Der Schwache braucht also nicht viel, um siegen zu können. Die Stärke ist auch alsbald da, so wie der Glaube da ist; und nur, wo der Glaube nachläßt, sinkt man unter, wie Petrus in den Wellen.

Übrigens redet der Prophet von einer besonderen Zeit, in welcher der Schwache sein werde, wie David. Nicht zu allen Zeiten vermag man viel wider den Feind. Letzterem wird oft längere Zeit eine Macht gegeben, welcher Niemand zu widerstehen vermag; und auch die Gerechten unterliegen den Ungerechten äußerlich, wissen wenigstens nichts gegen sie auszurichten. Eine solche Zeit haben wir schon lange gehabt; und sie ist noch nicht vorüber. Noch müssen wir seufzen unter dem Druck des Übermuts derer, die wider den HErrn sind, und wie man’s wohl fühlen kann, der Mächte der Finsternis, die fast unüberwindlich scheinen. Nirgends will’s mit dem Reich Gottes nach dem Wunsche der Gläubigen vorwärts gehen; und wie vielfältig müssen sie eben gegenwärtig dem Überdrang des Unglaubens das Feld räumen! Wird’s so fortgehen? Wird’s nicht mehr anders werden, ehe der HErr kommt?

Der Spruch aus Sacharia läßt’s uns sicher hoffen, daß es könnte noch anders werden. Glauben und hoffen wir ! Des HErrn Pläne werden nimmermehr scheitern; und in den Schwachen bleibt Er auch jetzt noch stark, wenn sie nur treu sind.

Zusatz: Besehen wir diesen Spruch genauer, so ist es auffallend, wie es dort nachher unter Anderem heißt: „Sie werden Mich sehen, welchen jene zerstochen haben“ (Vers 10). Mögen denn auch die Anschauungen des Gemäldes, welches Sacharia gibt, ihre Schwierigkeiten haben, so gibt uns die Offenbarung durch Johannes Winke genug, daß wir vorzugsweise an die allerletzte Zeit zu denken haben, zu welcher uns Sacharia den Vorhang, wenn auch nur leicht, eröffnet. Denn Johannes sagt, mit offenbarer Beziehung auf unsere Stelle (Offenb. 1, 7): „Siehe, Er kommt mit den Wolken; und es werden Ihn sehen aller Augen, und die Ihn zerstochen haben, und werden heulen alle Geschlechter der Erde“. Auch dieses Heulen ist aus Sacharia entnommen. Legt nun Johannes den Propheten so aus, daß er von der herrlichen Zukunst Christi rede, so folgt hieraus, daß eben dieser Zukunft unmittelbar das vorangehen müsse, was bei dem Propheten als vorausgehend angezeigt wird. Das wäre denn jene Zeit, in welcher der Schwache sein wird, wie David, in welcher auch über die Bürger zu Jerusalem, wie gleichfalls der Prophet sagt, ausgegossen werden wird der Geist der Gnaden und des Gebets.

Dies, ihr Lieben, nur ein Kurzes als Antwort auf die vielfach gemachte Frage, ob man denn auch für eine neue Gnadenzeit vor der Zukunft Christi eine biblische Beweisstelle habe. Wir haben sie, wie ihr da sehet. Freilich ist bei Sacharia Alles wie in einen Knäul zusammengefaßt; und in derselben Stelle sind auch die neutestamentlichen Gnaden überhaupt gemeint, wie sie von Anfang an bestanden, aber doch so, daß sie ihre Hauptbedeutung bekommen auf die Zeit vor dem Ende. Sind sie also bald nach der apostolischen Zeit in etwas zurückgetreten, so werden sie sich, wie aus der ganzen Haltung der Weissagung hervorgeht, eben vor der Zukunft des HErrn wieder häufen und mit neuer Stärke entwickeln, um dem Feind noch viel abzugewinnen. Hintennach wird freilich noch einmal der Arge mit seiner ganzen Stärke wüten dürfen. Aber da gehts dann auch nach dem Sprichwort: „Hochmut kommt vor dem Fall“, denn gerade vor seinem großen Fall und völligen Untergang wird’s geschehen, da denn dieser nicht mehr ausbleiben wird und gewiß ist, wenn der HErr in den Wolken erscheinen wird.

Die Zeit also kann und wird kommen, da der Schwache sein wird wie David. Wir dürfen sie in unserer Zeit erwarten, und dürfen sie auch herbeten. Vielleicht ist sie nicht mehr ferne. Kommt sie aber, so darf der bisher Schwache im Glauben die Allmacht Gottes gleichsam ergreifen, und wenn es sein muß, große Dinge ausrichten, daß alle Mächte der Hölle nichts vor ihm sind. Da wird man’s sehen, was die Schwachen vermögen. Die bisher um ihrer Schwäche willen arg mißbraucht worden sind, werden plötzlich, ohne großes Ansehen nach außen zu haben, Dinge tun, die sonst nur Gewaltigen möglich sind. Auch gegen feindselige Tyrannen wird der Schwächste den Sieg davon tragen. Denn die trotzigsten, übermütigsten, boshaftesten Menschen werden schon einem schwachen Kinde gegenüber wie gelähmt sein. Eine unsichtbare Macht hält sie, daß sie nicht können, wie sie wollen, und wie der Hund an der Kette stille bleiben müssen.

Unter all dem wird das Reich Gottes einen mächtigen Vorsprung gewinnen, werden große Erweckungen und Bekehrungen erfolgen, werden in kurzer Zeit alle Völker der Erde in eine Bewegung kommen. Alles aber geht gleichsam durch Schwache, d. h. durch Leute, die nach menschlichem Ansehen gering, arm, unvermögend, unansehlich, ungelehrt, schwach in der Rede, erscheinen. Solche Schwäche aber hat nichts zu sagen bei denen, die glauben und dem HErrn vertrauen. Die Stärke liegt in etwas Anderem, als in dem, worin sie sonst äußerlich hervortritt. Wäre es nur Letzteres, so wären sie bald fertig und dahin. Stark macht die Schwachen die durch den Geist Gottes in sie hineingelegte verborgene Kraft, oder der HErr selbst, der in ihnen ist. Dieser aber behält den Sieg. Wie schon David, dem die Schwachen gleichen sollen, sagen konnte: „Mit meinem Gott will ich über die Mauern springen“, und: „Wenn sich schon Hunderttausende wider mich legen, so fürchtet sich dennoch mein Herz nicht“, so fühlen sich die Schwachen stark in dem HErrn in den gewaltigen Zeiten, vor der Vollendung aller Dinge. Freilich kommen sie in der Folge abermals in ein großes Gedränge, wenn immer schreckhafter die Vollkraft der Finsternis wider sie anrennt. Sie kommen wieder bis zum Erliegen. Da aber kommt vom Himmel Der, den sie zerstochen haben – und dann wird Er „vertilgen alle Heiden, die wider Jerusalem gezogen sind“, wie wir auch in Sacharia (12, 9) lesen. Was haben wir nicht alles noch zu erwarten? Rüsten wir uns mit Wachen und Beten!

(Johann Christoph Blumhardt)

Mel.: „HErr JEsu Christ, mein’s“

Ach, Vater Christi, unsres HErrn,
Halt Deine Hand von mir nicht fern,
Ich bin so schwach, als Kinder sind;
Halt‘ Du Dein Aug‘ ob Deinem Kind!

Stärk‘ mich mit Deiner Macht und Huld,
Fehl‘ ich, so trag mich mit Geduld.
Auch in dem Straucheln greife Du
Mit starker Hand als Vater zu.

Quelle:

Sammlung von Morgen=Andachten nach Losungen und Lehrtexten der Brüdergemeine, gehalten (in den Jahren 1862 und 1863) zu Bad Boll von Pfarrer Blumhardt. Für Freunde herausgegeben. Zweite, wenig veränderte Ausgabe. Zu haben in Bad Boll, 1873. [Seite 60ff.; DigitalisatEintrag bei Wikisource]


Übersicht: Der Prophet Sacharja

Eingestellt am 5. Juni 2024