Vor dreihundert Jahren war Berlin eine Stadt von sehr mäßigem Umfang, wie etwa heute das benachbarte Fürstenwalde und zählte nur 12 000 Einwohner, welche durch die im Jahre 1598 hier wütende Pest sich sogar bis auf 9000 verminderten. Die Umgebung der Hauptstadt zeigte noch keine Spur von irgend welchen Anlagen, die zur Verschönerung der Gegend dienten. Der heutige Tiergarten war damals noch ein großer Wald, welcher sich weit über die jetzige Friedrichsstadt und einen Teil der Dorotheenstadt ausdehnte und bis nahe an den sogenannten Werder reichte. Der Ackerbau wurde mit Fleiß betrieben. Selbst Weinberge gab es in einiger Entfernung von der Stadt, und nach der Versicherung eines Geschichtsschreibers wurden die Berliner Weine wegen ihres „ganz vortrefflichen Geschmackes“ gepriesen. Übrigens gewährten die Thürme der St. Nikolai=, St. Petri= und St. Marien=Kirche, des grauen und des schwarzen Klosters, die Hospitäler und Kapellen vom heiligen Geist, St. Georgen, St. Gertraud und Jerusalem, das hochragende kurfürstliche Schloß, manches ansehnliche Patrizierhaus, sowie die hohen und festen Mauern, mit welchen die vereinigten Städte Berlin und Kölln umgeben waren, einen immerhin stattlichen Anblick. Das Innere verkündigte dem Beschauer die Hauptgewerbe der Bürger. Die bedeutenderen Bürger verschafften sich gern einen geräumigen Hof zur Bequemlichkeit ihrer Wirtschaft und zur Aufbewahrung alles dessen, was der Ackerbau und die Viehzucht mit sich brachten. Der kleinere Bürger dagegen fand es durchaus nicht unanständig, den Vorrat seines Viehstandes vor seinem Hause auf der Straße aufzuhäufen. Daher mag es wohl gekommen sein, daß der Student der Theologie, Michael Franck, welcher im Jahre 1591 Berlin und Kölln besuchte, in seiner Reisebeschreibung sagt: „In beiden Städten hält sich das Volk auf märkische Art in Reden und in Kleidung, sind sonderlich prächtig, aber doch freundlich und gütig, nur nicht sonderlich gar reinlich“. Die Bauart der Häuser war derjenigen ähnlich, welche zu jener Zeit überall in den deutschen Städten angetroffen wurde; man sah meistens Giebelhäuser und niedrige, nur durch wenige und kleine Fenster erleuchtete Gebäude.
Als einzige Verschönerung kann hier erwähnt werden, daß im Jahre 1570 der sogenannte Lustgarten, damals zwar noch ein Küchen= und Obstgarten, auf einem bis dahin sehr sumpfigen Plaze angelegt wurd. Ebenso wurde zwanzig Jahre später (1593) die vordere Seite des Schlosses vollendet und das Schloß überhaupt, wie ein Schriftsteller jener Zeit (Lockel) sagt, dergestalt aufgebaut, daß seines gleichen wenig in deutschen Landen gefunden wurde.
Kurfürst Johann Georg, welcher damals regierte (1571-1598), war ein ernster, ordnungsliebender und sittenstrenger Mann. Er hatte bei dem Antritt seiner Regierung öffentlich ausgesprochen, daß Frömmigkeit und Gerechtigkeit die Leitsterne seiner Handlungen sein sollten, und ist im allgemeinen diesen Grundsätzen treu geblieben. Wenn er auch manchmal kalt und streng, hart und schroff sich zeigte, so hatte er dabei wohl selbst die ehrliche und feste Überzeugung, daß er nur auf diese Weise die Frömmigkeit mit der Gerechtigkeit vereinigen könnte. Als er die Nachricht von dem Tode seines erlauchten Vaters auf dem Jagdschlosse Zechlin in der Prignitz empfangen hatte und schleunig nach Berlin zurückkehrte, ließ er sofort nach seiner Ankunft die Thore der Stadt schließen, Wachen in die Häuser der vornehmsten kurfürstlichen Räte legen, die Papiere derselben in Beschlag nehmen und eine strenge Untersuchung gegen sie einleiten. Von dieser Maßregel wurden auch die beiden treuesten Diener des Kurfürsten Joachim II. betroffen. Wenn der würdige und berühmte Kanzler Distelmeyer in seinem Amte belassen wurde, während alle übrigen Räte des verstorbenen Kurfürsten abgesetzt wurden, so war dies nicht allein seiner Rechtschaffenheit, sondern sehr wahrscheinlich auch dem Umstande zuzuschreibe, daß man seines klugen und bewährten Rates nicht entbehren konnte und wollte. Der kurfürstliche Rentmeister und Bürgermeister von Berlin, Thomas Matthias, dessen Redlichkeit allgemein anerkannt war, wurde dagegen viel härter betroffen. Er wurde seines Amtes entsetzt und starb 1576 so arm im Gefängnis, daß aus seinem Nachlaß nicht einmal die Kosten seines Begräbnisses bestritten werden konnten. Die Geliebte des verstorbenen Kurfürsten, Anna Sydow, „die schöne Gießerin“, wurde, nachdem ihr ganzes Vermögen, welches sie durch die Freigebigkeit ihres fürstlichen Liebhabers erhalten hatte, weggenommen worden war, auf die Festung Spandau gebracht, wo sie den Rest ihrer Tage als Gefangene verlebt hat und im Elend gestorben ist. Das furchtbarste Los unter den Günstlingen Joachims II. traf dagegen den Hofjuden Lippold. Er wurde beschuldigt, die kurfürstliche Kasse und die Münze betrogen, sowie den Kurfürsten selbst vergiftet zu haben, in den Kerker geworfen und eine peinliche Untersuchung gegen ihn eröffnet. Als er auf der Folter alles eingestanden hatte, was man von ihm verlangte, ward er im Jahre 1573 auf dem Neuen Markte in der grausamsten Weise hingerichtet, seine Glaubensgenossen aber zugleich mit ihm bestraft, indem sämtliche Juden aus den Marken verbannt wurden. Lippolds Frau führte darüber zwar Beschwerde bei dem Kaiser, der auch ein Schreiben an den Kurfürsten erließ, in welchem er dessen Verfahren ein ungerechtes nannte und dasselbe höchlichst mißbilligte. Johann Georg aber antwortete darauf ganz kurz, Lippold sei nach Urteil und Recht gerichtet, die Juden aber wären insgesamt schädliches Gesindel, welches gänzlich ausgerottet werden müsse, und somit verblieb es bei ihrer Verbannung.
In die kirchlichen und Schul=Angelegenheiten griff der Kurfürst mit Energie und Eifer ein. Er selbst war ein entschiedener Anhänger der Augsburgischen Konfession. Sein Vater, Joachim II., welcher die äußerliche Pracht liebte, hatte vieles von den alten prunkvollen Gebräuchen der katholischen Kirche noch bestehen lassen, so daß sich ernstere Seelen dadurch in ihrem Gewissen beunruhigt fühlten. Sie wandten sich, namentlich der eifrige Propst von Berlin, Georg Buchholzer, in dieser Angelegenheit an Dr. Martin Luther. Dieser schrieb jedoch in seiner freimütigen, das Wesentliche von dem Unwesentlichen scharf trennenden Weise:
„Hat Euer Herr, der Kurfürst, an einer Thorkappe nicht genug, die Ihr anziehet, so ziehet deren drei an, wie Aaron, der Hohepriester, drei Röcke über einander anzog. Haben auch Ihre Kurfürstlichen Gnaden nicht genug an e i n e r Prozession, daß Ihr umhergehet, klinget und singet, so gehet siebenmal mit herum, wie Josua mit den Kindern Israel um Jericho gingen. Solche Stücke, wenn nur der Mißbrauch davon bleibet, geben oder nehmen dem Evangelio gar nichts. Denn es ist ein frei Ding und menschlicher Andacht Ordnung, und nicht Gottes Gebot. Denn Gottes Gebot ist allein nötig, das andere ist frei.“
Kurfürst Johann Georg dagegen verlangte kurz nach seinem Regierungsantritt, daß die noch erhaltenen Gebräuche der römisch-katholischen Kirche abgeschafft und alles, was sich als eine Entstellung des reinen, apostolischen Gottesdienstes erwiese, ausgemerzt werden sollte.
Ebenso verwarf er aber auch die reformierte Lehre mit aller Entschiedenheit und ließ bei der ersten von ihm angeordneten Kirchenvisitation (1573) sämtliche Geistliche seines Landes schwören, unverändert bei dem Augsburgischen Glaubensbekenntnisse bleiben zu wollen. Dennoch übte er gegen die Reformierten eine sehr erfreuliche Duldsamkeit und Milde. Als viele von ihnen durch König Philipp II. von Spanien um ihres Glaubens willen aus den Niederlanden vertrieben worden waren, öffnete er ihnen bereitwillig sein Land und gewährte ihnen Schutz, Unterstützung und Wohnplätze, wofür sie sich wiederum durch fleißigen Anbau des Bodens und Hebung des Gewerbes dankbar erwiesen.
Seine Fürsorge für die Kirche zeigte Kurfürst Johann Georg dadurch, daß er im Jahre 1572 eine Lehrordnung (Corpus doctrinae Marchicum) und im darauf folgenden Jahre eine Konsistorial=Ordnung erließ, nach welcher die Kirchen alljährlich durch einen Inspektor untersucht, dabei über den Lebenswandel der Geistlichen Nachfrage gehalten, alle zehn Jahre aber eine allgemeine große Kirchenvisitation durch einen Generalsuperintendenten, einen Konsistorialrat und einen Notar veranstaltet werden sollte. Sehr bezeichnend für die damaligen kirchlichen Zustände ist es, daß dieselbe Verordnung vorschreibt, es solle dahin gesehen werden, daß man künftig nur befähigte Männer zu den geistlichen Stellen berufe, nicht aber, wie bisher geschehen, verdorbene Handwerker, Müßiggänger und anderes loses Gesindel zu Seelsorgern bestelle. In der Hauptstadt ist ein solcher Befehl wohl nicht nötig gewesen. In den übrigen Teilen des Landes aber scheint es zu jener Zeit mit der Seelsorge manchmal traurig genug ausgesehen zu haben. Ein Beispiel unter vielen giebt der Revers eines Herrn von Röbel, welchen derselbe ausstellte, als ihm ein Kanonikat in Havelberg übertragen wurde. Er verpflichtete sich darin: „daß er sich des Vollsaufens fortan enthalten und auf jeder Mahlzeit mit zween ziemlichen Bechern Bieres und Weines das Mahl beschließen wolle. Im Übertretungsfalle und wenn er trunken befunden werden sollte, will er sich in der Kirche zu Havelberg einstellen und dort von dem, den Seine Kurfürstliche Gnaden dazu verordnen würde, vierzig (40) Streiche weniger einen, inmaßen dem heiligen Paulo geschehen, mit der Rute empfangen“.
Die Witwen und Waisen verstorbener Prediger haben eben demselben Kurfürsten die Wohlthat des sogenannten Gnadenjahres zu verdanken, welche er zuerst der Soldin‘schen Diöcese am 19. November 1578 und nachher auch im Jahre 1580 andern Kreisen zugestanden, und welche der große Kurfürst im Jahre 1640 auf den Frankfurter Kirchensprengel, auf die Prignitz und Altmark ausgedehnt hat.
Auch auf die geistige Bildung seines Volkes war Kurfürst Johann Georg eifrig bedacht. Er selbst war wissenschaftlich ausgebildet und hatte auf der Universität zu Frankfurt a. O. studiert. Dieser Hochschule hat er ganz besondere Fürsorge zugewandt, indem er nicht nur die Gehälter der Professoren erhöhte, sondern auch Stipendien für arme Studierende stiftete. Um den Besuch dieser Universität zu heben, traf er die Verordnung, daß zu den höheren Ämtern in seinem Lande nur solche Männer berufen werden sollten, welche zu Frankfurt ihren Studien obgelegen hätten. Ferner sorgte er dafür, daß mehr junge Leute für das Universitäts=Studium vorgebildet wurden. Hier in Berlin, wo es an höherem Schulunterricht bis dahin noch gänzlich gefehlt hatte, errichtete er auf Bitten des Rates das Gymnasium zum grauen Kloster – so genannt, weil es in einem Teile des ehemaligen grauen Klosters eingerichtet wurde. Die Anstalt ward am 13. [25.] Juli 1574 feierlich eröffnet. Wie wohlwollend und ernst es der Kurfürst mit der neuen Stiftung nahm, geht aus der von ihm bestätigten Schulordnung hervor, in deren Konfirmationsurkunde es wörtlich heißt:
„Wir haben uns in angehender unserer Regierung vorgenommen, dieselbe mit göttlicher Verleihung also anzustellen, daß sie nicht allein zu unseres Kurfürstentums und Unterthanen zeitlichem Besten, sondern vielmehr Gott zu Lobe, Ehre und Ausbreitung seines heiligen Wortes und Namens, desgleichen zur Beförderung und Erhaltung der reinen Lehre des Evangelii und Einigkeit desselben Lehrer, auch christlichen Zucht und Ehrbarkeit gereichen möge, und deswegen zu Förderung desselben vornämlich gute wohlangeordnete Schulen, die Jugend darin in Gottesfurcht zu guten Künsten zu erziehen, hochnötig erachtet“.
Das Leben am Hofe seines Vaters, des Kurfürsten Joachim II., war ein gar lustiges gewesen. Wohl hatten Pest, Mißwachs, Aberglaube und Religionsgezänk dann und wann auf kurze Zeit die laute Fröhlichkeit getrübt, welche in den Räumen des Schlosses zu Berlin, auf der Grimnitz oder im Jagdhause Grunewald herrschte. Bald indes hatten die Geister der Heiterkeit und Üppigkeit, des Leichtsinnes und des Übermutes wieder die Oberhand gewonnen. Vom kurfürstlichen Hofe aus hatten sich dieselben Geister schnell über Stadt und Land verbreitet. Die Gelage wurden auch in den Bürgerhäusern immer häufiger und kostbarer. Auch die Kleidung sowohl des männlichen als des weiblichen Geschlechts wurde üppig und gesucht, und die Moden, welche anderwärts in Aufnahme kamen, fanden auch in unserer Stadt nur zu willige und eifrige Nachahmung.
Als Kurfürst Johann Georg die Regierung antrat, machte er zuerst vielfache Einschränkungen, um die Ausgaben des Hofes mit den Einnahmen in Übereinstimmung zu bringen. Bald aber ging das alte Leben und Treiben ganz ebenso, wie unter seinem Vorgänger, wieder an, denn die neue, einfache Weise war wohl weder mit der allgemeinen Sitte der damaligen Höfe zu vereinigen, noch dem Sinne des Kurfürsten Johann Georg und seines Adels behaglich. Die Hoffeste wurden bald wieder so kostbar und geräuschvoll als zuvor. Turniere, Ringelstechen, Schlittenfahrten, Feuerwerke, Komödien, Jagden und Bärenhetzen wechselten in bunter Folge mit ein ander ab und wurden mit verschwenderischer Pracht ausgestattet, ohne Rücksicht darauf, welche Kosten dadurch erwachsen könnten. Jeder Besuch eines fremden Fürsten veranlaßte allerlei zum Teil sehr kostbare Belustigungen, und diese Besuche kamen damals sehr häufig und schnell nach einander, sowohl wegen der gemeinschaftlichen Beratungen, welche die immer höher steigende Erbitterung zwischen den Evangelischen und Katholischen im Deutschen Reiche und ihre mannichfaltigen Streitigkeiten nötig machten, als auch wegen der wichtigen Stelle, welche der Kurfürst von Brandenburg unter den Fürsten des Deutschen Reiches im allgemeinen und unter den Protestanten insbesondere einnahm. Dies alles verursachte große Ausgaben. Während im Jahre 1586 durch Teuerung und Seuchen große Not in der Mark Brandenburg herrschte, scheute sich doch der früher so sparsame Kurfürst nicht, mehr als 8000 Dukaten zu vergeuden für die Bewirtung mehrerer Reichsfürsten, die er zu einer Beratung über die Verhältnisse der Protestanten in Deutschland nach Küstrin eingeladen hatte.
Besonders bemerkenswert ist die Taufe des Markgrafen Christian, des ersten Sohnes, welchen ihm seine dritte Gemahlin Elisabeth von Anhalt am 30. Januar 1581 geboren hatte. Es war eine der glänzendsten Festlichkeiten, welche unsere Stadt überhaupt in jener Zeit gesehen hat. Wie großartig sie war, geht schon aus der einzigen Bemerkung hervor, daß der Kurfürst August von Sachsen sich zu derselben allein mit 427 Pferden hier einfand. Allerdings hielt er es für nötig, Seine Liebden, den Brandenburger, zu bitten, „er möchte ob solcher Anzahl von Rossen kein unfreundlich Gefallen noch Beschwerde tragen“.
Der Fürst Joachim Ernst von Anhalt, der Großvater des Täuflings, gebrauchte für sich und seine Begleitung 137 Pferde. Ebenso kam jeder der übrigen eingeladenen Fürsten mit einem stattlichen Gefolge. Auch die einberufenen Grafen und Ritter brachten 346 Pferde mit sich. Die Festlichkeiten selbst trugen hier und da doch so manches bedenkliche Gepräge. So zogen bei dem sogenannten Ringelrennen drei Ritter als Bettelmönche durch die Schranken, jeder eine schwarz und weiß gekleidete Nonne hinter sich führend. Drei andere erschienen als Nonnen mit grauen Kappen, weißen Schleiern, schwarzen Skapulieren und einem roten Kreuze über dem Kopfe, jede ein Buch in der Hand haltend. Wieder ein anderer kam als Erzengel Michael daher in einem goldfarbenen Kleide, weißen Stiefeln und roten Strümpfen, in der rechten Hand einen großen versilberten Schlüssel tragend und mit der linken eine versilberte Kette haltend, woran der Teufel geschlossen war. Der letzte Ritter, welcher den Zug beschloß, erschien als heidnischer Götze, bekleidet mit einem langen Mantel von silbernem Zindel, mit goldenen Flammen auf dem Haupte eine dreifache Krone und in der Hand ein Szepter führend; auf der roten mit goldenen Troddeln verzierten Decke seines Pferdes war ein Drache mit sechs Köpfen abgebildet.
Diesem ziemlich leichtfertigen Aufzuge entsprach auch der Ausgang der ganzen Festlichkeit. Als der Kurfürst von Sachsen die Hauptstadt wieder verließ, waren viele seines Gefolges so sehr betrunken, daß sie mit ihren Pferden stürzten. Fünfzehn Jahre später, um dies sogleich zu erwähnen, erging es den Landgrafen Moritz und Ludwig von Hessen, welche dem Kurfürsten einen Besuch hier abgestattet hatten, nicht viel besser. Denn auch sie waren, wie Haftih erzählt, „bei ihrem Auszuge so vollmächtig, daß weder Herren noch Knechte wußten, wie sie das Spandauische Thor treffen sollten“.
Neben solchen leichtfertigen und üppigen Festlichkeiten finden wir an dem Hofe des Kurfürsten Johann Georg aber auch noch eine andere Unterhaltung, welche ebenso zur Erbauung wie zur Belustigung dienen sollte.
..Ich meine die geistlichen Schauspiele, welche in jener Zeit mehr und mehr auffamen und erwähne hier namentlich „die kurze Komödie von der Geburt des Herrn Christi“, welche zu desto größerer Feier des Neujahrs 1589 am kurfürstlichen Hofe aufgeführt worden ist. Die Kinder, welche sie darstellten, sind nach dem vorhandenen Verzeichnisse der einzelnen Rollen Prinzen und Prinzessinnen des kurfürstlichen Hauses oder Sprößlinge aus angesehenen adeligen Geschlechtern gewesen. Den Prologus Argumentator und Epilogus stellte Wilhelm von Löben dar. Der etwa einjährige Markgraf Christian (geb. 1588) war das Christkindlein. Die Jungfrau Maria wurde durch Elisabeth Fräulein zu Mansfeld dargestell. Die Prinzessinnen Magdalena (geb. 1582) und Agnes (geb. 1584) sowie Maria von Werthern waren die drei Engel, welche den Hirten auf dem Felde die Geburt des Heilandes verkündigten. Die Rolle des Joseph übernahm Caspar von Burkersrode. Heinrich von Holste trug als Engel den heiligen drei Königen den Stern vor, während Ernst von Zobeltiz, Adam von Stwolinsky und Hans von Prihow als die Diener derselben mit den Himmelskugeln vor ihnen einher zogen. Die jungen Markgrafen Christian (geb. 1581) und Joachim Ernst (geb. 1583) nebst dem Grafen Hans Georg von Hohenzollern traten als die heiligen drei Könige auf, und die Geschenke wurden ihnen von drei andern Dienern nachgetragen. Wolf Dieterich Drosler und Conrad Pemmelberg waren die Hohenpriester, bei denen die drei Könige nach der Geburt des Heilandes sich erkundigten. Als vier Hirten erschienen Bernhard von Nötsch, Christoph von Horn, Heinrich von Löben und Dieterich von Dahlen. Außerdem traten noch zehn als Engel verkleidete Musikanten, vier vor den heiligen drei Königen einher ziehende Trompeter mit einer Heertrommel, ein Bote der Hohenpriester und Musikanten der Hirten auf. Denn der Dialog und die Handlung wurden häufig durch Musik und Gesang unterbrochen. So sangen die Engel im ersten Akte, von Instrumenten begleitet, einen Choral, dessen Melodie selbst in der heute noch bei der hiesigen königlichen Bibliothek vorhandenen Handschrift mitgeteilt ist.
..Der Gang der Darstellung ist, wie sich erwarten läßt, sehr einfach. Nachdem Wilhelm von Löben als Prologus den zuschauenden hohen Herrschaften Glück zum Neuen Jahre gewünscht und das Christkindlein gepriesen hat, treten die vier Hirten auf und unterreden sich in plattdeutscher Sprache. Sie klagen sehr über die Kälte der Nacht, fordern sich gegenseitig auf, in die Hörner zu stoßen, damit die Wölfe verjagt werden, bemerken nach einiger Zeit eine ungewöhnliche Helle, erklären sich diese aus der Kälte und vernehmen eine himmlische Stimme, meinen aber, daß die Engelein in der Nacht auch wohl des Schlafes pflegen werden, und daß so geringe Leute als sie nicht selig genug sind, Gottes Heimlichkeit zu hören. Sie legen sich also mit aller Gemütsruhe nieder zum Schlafe, nachdem Bernhard von Nötsch sich also hat vernehmen lassen:
Hort up von juen Dispentiren,
Mi dut so mechtigen seren frieren;
Mi zittern all mine Gelid,
Vor Frost mut ick mi legen neder,
Jck rade ju, folget ok miner Lehre!
Sie legen sich nieder und – s c h n a r c h e n. Da erscheinen die Engel und stimmen den Choral an: „Ihr Christenleut habt jetzund Freud“ u. s. w. „Potz Middeweck!“ ruft einer der Hirten aus:
Min Schlap is truwen nicht gewest sehr lang,
Ick hebbe gehört en wunn’gen, seltzam Klang.
Noch haben die Hirten von ihrem Erstaunen sich nicht erholt, als ein Engelchen von Pappe, das samt zween Sternchen mit Raketen an einer Leine herabfährt, sie in großes Schrecken setzt. Es erfolgt nun die Engelerscheinung. Die Markgräfin Magdalena als Engel Gabriel verkündigt den Hirten, was geschehen ist, worauf die beiden andern Engel die Ehre Gottes preisen mit den Gesängen: „Vom Himmel hoch da komm ich her“ und „Tretet her, ihr lieben Englein all“ u. s. w. Es beginnt hierauf Dieterich von Dahlen, der eine Hirt
[….]
Quelle:
Berliner Bilder aus alter und neuer Zeit. Sieben Vorträge von W.[ilhelm] Ziethe, Prediger an der Parochialkirche zu Berlin. Hauptverein für christliche Erbauungsschriften, Klosterstraße 67, Berlin 1886. (S. 1-9, Digitalisat)
Friedrich Wihelm Ziethe (1824-1901) war evangelisch-lutherischer Theologe und Erweckungsprediger; er diente an der Parochialkirche zu Berlin.
Weblinks und Verweise
Johann Georg, Kurfürst von Brandenburg (1525-1598) – Lebenslauf (Eintrag bei: Verein für die Geschichte Berlins e.V.)
Predigten und Schriften von Friedrich Wilhelm Ziethe sind im pdf-Format downloadbar auf der Homepage von Th. Karker